Quadral Aurum Orkan 9
Die 4000-Euro-klasse ist bei Standboxen hart umkämpft. Im Kampf um die Käufergunst setzt Quadral auf drei Wege und den qusense-bändchenhochtöner.
Vor knapp dreieinhalb Jahren spielte in unserem Hörraum die Kompaktbox Quadral Aurum Galan 9 (stereoplay 12/16). Die 2000-Euro-box begeisterte uns nachhaltig. Die Vorfreude auf die deutlich größere und doppelt so teure Orkan 9 war dementsprechend groß.
Die Gemeinsamkeiten steigern die Spannung der Redakteure: Auch in der Orkan 9 spielt der famose Bändchenhochtöner „QUSENSE“, und auch der Tief-/mitteltöner der Galan 9 taucht hier wieder auf – jedoch als ausschließlich Mitten wiedergebender Mitteltöner.
2x4
Ein wenig mehr Membran äche kann ja (fast) nie schaden. Ein Mitteltöner, der sich nicht um Bässe kümmern muss, kann deutlich befreiter aufspielen, und zwei Tieftöner bewegen schlicht mehr Luft als ein einzelner. Man könnte also zunächst denken, die Quadral biedere sich bei Hörtyp „Hauptsache laut und bassstark“an. An dieser Stelle sei gleich eine Entwarnung ausgesprochen bzw. ausgeschrieben. Auch die Orkan 9 bietet Feingeistigkeit, wenn man sie entsprechend füttert.
Mit ihren noch dezenten Maßen von 103 x 22 x 36 cm (HXBXT) dominiert die Orkan 9 ein Wohnzimmer noch nicht komplett, ist aber schon ein ordentlicher Hingucker. Ihr Gehäuse ist wahlweise schwarz oder weiß lackiert, jeweils in Hochglanz, das dürfte den meisten Zuspruch nden. Trotzdem nden wir es schade, dass es die Orkan 9 nicht in Nussbaum-furnier gibt, wie das etwa bei der Aurum Galan 9 der Fall ist.
Stabile Umgebung
Hier setzt Quadral-chefentwickler Sascha Reckert auf ein sehr stabiles Mdf-gehäuse, das Augrund des Materials Resonanzen wenig Chance lässt, sich auf den Klang auszuwirken. Verstrebungen im Inneren gehören dennoch zum Konzept, so wie das in dieser Preisklasse (und auch schon darunter) ja eigentlich selbstverständlich ist.
Die Wände des Korpus werden darüber hinaus auf den Innenseiten bedämpft, was ein Mitschwingen zusätzlich erschwert. Diese Maßnahme kommt in erster Linie der Impulstreue zugute. Und ist gar nicht so trivial, wie man denken könnte. Die richtige Menge des dämpfenden Materials und der richtige Ort werden sowohl durch Messungen als auch durch Hörtests festgelegt. Das kann ordentlich Zeit fressen.
Die abgeschrägten Gehäusekanten sind ebenfalls kein rein optisches Vergnügen, sondern sollen das Rundstrahlverhalten optimieren, schließlich kann es an Schallwandkanten sonst zu unschönen Brechungen kommen. Auch das kennt man von unzähligen Lautsprechern. Aber wozu sollte man auch das Rad ständig neu er nden wollen?
Nun ja, zumindest hat man das Rad dahingehend neu erfunden, dass die Orkan 9 mit ihrer damals noch mit rö
mischen Zahlen bezifferte Ahnin Orkan IX nichts mehr gemein hat. Die neue ist eine Neuentwicklung.
Hochtöner für Fledermäuse
Das interessanteste Chassis ist der Bändchenhochtöner, der in der aktuellen Inkarnation auf den Namen „QUSENSE“hört und – bauartbedingt – den Frequenzbereich erst ab 3,7 khz übernimmt. Der Erstaunlichste: Diesen hochkomplexen Hochtöner montieren die Quadraler in Hannover selbst. Er wird nicht zugekauft, der Aufwand ist enorm. Dafür soll er er die Hörer mit einem Übertragungsbereich bis 65 khz belohnen, unsere Messgrenze von 40 khz erreicht er auf Achse spielend. Das hören natürlich nur Fledermäuse, für die es auch 200 khz sein dürften. Aber auch wenn der Mensch nur bis etwa 20 khz hört, schadet ein erweiterter Frequenzgang ja nicht.
Herz des QUSENSE ist sein kurzes Aluminiumbändchen mit 1,5 cm Breite. Unsere Labormessung zeigt, dass der Hochton ab etwa 5 khz um drei bis fünf db erhöht ist. Das kann man aber dadurch beein ussen, dass man die Box wenig bis gar nicht eingewinkelt aufstellt. Einen Pegelschalter für den Hochton, wie ihn die kleine Schwester Aurum Galan 9 hat, gibt es hier aber leider nicht.
Die Orkan 9 ist eine 3-Wege-box. Sie hat also, und das sieht man ja auch sofort, einen Mitteltöner. Dieser jedoch kümmert sich auch um einen Teil des Grundtons – er beginnt seine Arbeit bei 260 Hz. Darunter werkeln zwei Tieftöner pro Lautsprecher. Unser Labor maß eine untere Grenzfrequenz (-3 db) von 33 Hz, was größenbezogen ein sehr gutes Ergebnis ist. Diese sechs Treiber nutzen die Quadral-typischen Atlima-membranen, bei denen die namensgebenden
Bestandteile Aluminium, Titan und Magnesium für perfektes Schwingungsverhalten sorgen sollen. Zudem ist das Material sehr leicht und steif, wie man es bei Lautsprechern eben benötigt.
Die Chassiskörbe wurden modernisiert, sie sollen nur minimale Strömungsverluste zulassen, und außerdem arbeiten die Treiber mit einer großzügig hinterlüfteten Zentrierspinne. Dies wiederum soll Verzerrungen minimieren, da die Temperaturverhältnisse in der Schwingspule einen idealen Arbeitsbereich nicht überschreiten sollen. Die Membranen sind durchgehend geformt, sprich sie haben keine Staubschutzkalotte. Den Entwicklern zufolge soll das der Frequenzganglinearität, der Feindynamik und dem Abstrahlverhalten zugutekommen. Schnell noch ein Wort zu den Maßen: Die Mitteltöner haben einen Durchmesser von 15,5 cm, die Tieftöner einen von 18 cm. Hier wird also schon reichlich Luft bewegt.
Die Innenverkabelung wird mit sogenannten „Aurum supreme Kabeln“durchgeführt, das Anschlussterminal ist hochwertig in einfacher Ausführung (also kein Bi-amping).
Der Hersteller bzw. dessen Werbeabteilung verspricht „auf Wunsch ein akustisches Feuerwerk mit schnellem Antritt, überdurchschnittlich ausgeprägter Räumlichkeit und erstaunlicher Au ösung“.
Born To Storm On Boredom’s Face
Der erste Eindruck ist der eines frischen Klangbilds. Frank Zappas „Peaches en Regalia“klingt über die Orkan 9 sehr weiträumig-luftig und lebendig. Die Informationen, die der Hochtöner vermittelt, sind zahlreich. (Hier sollte man mit der Aufstellung spielen. Nur ganz leicht eingewinkelt oder sogar gerade aufgestellt, spielt sie am ausgewogensten.) Die Aufnahme ist jedoch etwas schlank, kein Test für Tieftöner. Tools „Chocolate Chip Trip“schon eher. Bevor aber Drummer Danny Carey seine Muskeln spielen lassen kann, beeindruckt und begeistert die Orkan 9 jedoch mit ihrer außergewöhnlich räumlichen Wiedergabe. So lange man die Orkan 9 nicht im direkten Vergleich mit der dreimal so teuren und ungemein dreidimensional abbildenden ELAC Concentro (S. 48) hört, dürfte einem hier nicht viel fehlen. „Chocolate Chip Trip“beginnt mit recht ausufernden Klangspielereien. Dass diese auch räumlich so ausufern, ist uns allerdings bisher in dieser Preisklasse nur selten begegnet. Manche Klänge schienen direkt neben der Hörcouch zu entstehen. Verblüffend und sehr, sehr gut. Allzu weit in die Tiefe oder in die Höhe bildet der Lautsprecher nicht ab, aber auch das ist, bezogen auf die Preisklasse, völlig in Ordnung. Beim Schlagzeugsolo dann dieses Bild: eine angewurzelte Snare, wirbelnde Trommelstöcke, tiefe, saubere, präzise Bässe und eine auffällige Impulsfreude. Das alles auf einem so hohen Niveau, dass die Box einem gleich nicht mehr teuer erscheint. Tools unnötig und gewollt auf 14 Minuten ausgedehntes „7empest“(ebenfalls von „Fear Inoculum“und Gewinner des „Grammy Award for Best Metal Performance 2020“) bewies, dass die Orkan 9 auch richtig rocken kann, ohne dass die hohe Au ösung den Genuss in irgendeiner Weise trüben würde. Im Gegenteil kann die Direktheit der Orkan gerade Rockfans Freude bereiten.
Das unterstrich „If You Have To Ask“von den Red Hot Chili Peppers („Blood Sugar Sex Magik“, Fans des Albums sei dringend die Doppel-lp von
2012 empfohlen, zu erkennen am Aufkleber „Recut For Vinyl From The Original Analog Master Tapes“).
Das Stück geriet vollkommen durchhörbar und schön plastisch, ein richtiger Genuss. Gleiches gilt für Stimmen aller Art. Selbst die nicht immer einfache Stimme auf Sara Bareilles Live-album „Brave Enough: Live at the Variety Playhouse“(derzeit nicht physisch, sondern nur als Hires-download erhältlich) war immer sauber und frei von nervigen S-lauten. Das ist überhaupt eine Stärke des qusense-bändchenhochtöners: Wenn man nicht gerade „Graceland“au egt, kommen S-laute immer sauber rüber, dennoch sind Stimmen herrlich detailliert und nuanciert. Und Emotionen kann die Box! Mir war gar nicht klar, dass der Anfang von „Brave“so ergreifend sein kann...
Der frühe Vogel
Völlig in ihrem Element schienen die beiden Standboxen dann bei Jazz zu sein: Auf dem Studio-konzert-sampler „Jubilee Edition“der Bauer Studios ndet sich das Stück „Early Bird“des wunderbaren Kama-quartetts. Nach einer Weile geht hier richtig die Post ab und die Orkan brannte das versprochene Feuerwerk aus Schlagzeug, Bass, Saxophon und Keyboards ab. Genau so muss das klingen! Erfreulich, dass sich die Hannoveranerinnen dabei nicht wählerisch bei den Spielpartnern zeigten. Egal, was man anstöpselte, sie gaben immer ihr Bestes. Besonders harmonisch erschienen uns jedoch die Kombinationen mit dem neuen Exposure 2510 (1750 €) und einem unserer Arbeitsgeräte, dem Octave V110 SE (7000 €).
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