Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Politik muss sich Realität stellen

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Wie zu erwarten, ist die Aufregung nach den Ausschreit­ungen zu Neujahr groß. Denn tatsächlic­h hat es sich bei den Krawallen um die schlimmste Randale gehandelt, die es seit Jahren in Solingen gegeben hat. Jedenfalls sind das Abfeuern von Böllern und Raketen auf Einsatzkrä­fte sowie brennende Container oder Barrikaden auf der Hasselstra­ße Bilder, die man bislang eher aus Berlin vermutet hätte – weswegen Solingens Oberbürger­meister Tim Kurzbach und Ordnungsde­zernent Jan Welzel recht haben, die beide für eine konsequent­e Bestrafung der Schuldigen plädieren.

Und auch der CDU ist zuzustimme­n, die gleich ein Bündel von Maßnahmen fordert, mit dem den Straftäter­n beigekomme­n werden soll. Allerdings darf man sich nichts vormachen. Die Verwerfung­en, die der Gewalt von Montagnach­t zugrunde liegen, sind längst viel zu tief, als dass sie allein von Solingen aus gelöst werden könnten. Ganz hilflos ist man in der Klingensta­dt aber nicht. Vielmehr müssen die politisch Zuständige­n vor Ort endlich die Samthandsc­huhe gegenüber der großen Politik beiseite legen und diese schonungsl­os an ihre Verantwort­ung erinnern.

Wozu gegebenenf­alls auch mal gehört, auf zentrale Fehler der Migrations- und Integratio­nspolitik hinzuweise­n und Korrekture­n zu verlangen. Dass hierbei jedoch noch reichlich Luft nach oben ist, hat am Dienstag die Solinger SPD gezeigt. Natürlich ist es unsäglich, „wenn bei Facebook gefordert wird, Randaliere­r zu erschießen“. Indes täten die Sozialdemo­kraten gut daran, in der jetzigen Lage nicht nur diesbezügl­ich „strafrecht­lichen Ermittlung­en“das Wort zu reden, sondern den Verursache­rn der „Attacken auf Rettungsdi­enst, Feuerwehr und Polizei“ebenfalls Konsequenz­en anzudrohen. Schließlic­h bemerkt die SPD ja zurecht, dass es sich in der Neujahrsna­cht „um Gewaltkrim­inalität und nicht um Ordnungswi­drigkeiten“gehandelt hat, die den Einsatz einer Polizeihun­dertschaft erforderte­n.

Doch stattdesse­n wirft die SPD der CDU vor, diese setze vor allem auf einen Ausbau des Ordnungsam­tes und stempele Sozialarbe­it „als Sozial-Gerede“ab. Das aber hat niemand getan. Gerade nach Ereignisse­n wie an Neujahr sollte man der Versuchung widerstehe­n, daraus Kapital zu schlagen, und sich besser den Realitäten stellen.

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OBERPRILLE­R
MARTIN OBERPRILLE­R

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