Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Berserker der gehobenen Unterhaltung
Das Kabarett-Duo Pigor und Eichhorn wütet derzeit intelligent und musikalisch im Kommödchen.
DÜSSELDORF Wahrscheinlich ist Pigor ja ein bisschen wahnsinnig. Eichhorn natürlich auch. Also klug wahnsinnig. Angenehm verrückt. Und beide zusammen sind auf jeden Fall unfassbar – irgendwie. Die Könige der Kleinkunst und Applaus-Junkies, die Megastars des Kabaretts und Berserker der gehobenen Unterhaltung gastieren gerade im Kommödchen. Doch eigentlich ist „gastieren“das falsche Wort, weil nach der coronabedingten Bühnenabstinenz die beiden eine Art Wiedergeburt feiern. So knallen sie auch gleich zum Auftakt den Fans ihren Existenznachweis vor den Latz: „Hallo, wir sind wieder da. Nach über einem Jahr. Fuck Corona. Das ist kein fucking Stream im Internet. Das ist Kabarett!“Im Klartext: „Kabarett, Kabarett, Kabarett – über alles“.
Schon dieses Intro atmet etwas von jener fröhlich ignoranten Selbstüberschätzung, die die beiden durch den Abend trägt. Thomas Pigor singt und spielt manchmal auch Gitarre, und Benedikt am Klavier „muss begleiten“, wie es seit vielen Programmen heißt und inzwischen nicht mehr so wirklich stimmt. Denn Eichhorn ist gewissermaßen etwas erwachsener geworden und hat größere Redeanteile, sogar eigene Lieder bekommen. Eins davon ist die mit Sicherheit nicht ganz so authentische Beschreibung der eigenen Jugend, die nämlich eines höchstbegabten Kindes, das in den Pausen lieber Mann und Bernhard (beide mit Vornamen Thomas) als irgendwelche Asterix-Comics gelesen hat und lieber Bach als die verhassten Musicals mit diesen Pseudo-Tenören hörte. Die Reaktionen der Schulkameraden seien dementsprechend gewesen.
Und dann kommt es zu diesen magischen Momenten wie jetzt im Kommödchen, wenn Eichhorn den Buchtitel „Minima Moralia“ins Publikum brüllt und der halbe Saal (ohne vorherige Absprache) mit „Adorno“antwortet. Da bekommt man schon einen guten Eindruck davon, wer während der FußballWeltmeisterschaft so alles ins Kommödchen pilgert. Das Abendland scheint gerettet, jedenfalls für die zweieinhalb Stunden des neuen Programms.
Ohne unterhaltungsfrohe Menschen abzuschrecken: Pigor und Eichhorn sind die Intellektuellen unter Deutschlands Kabarettisten, die Argumentationsstrukturen eines Rhetorik-Buches zum Leitfaden des Abends machen und diese mit Schopenhauers rhetorischen Kniffen aus „Die Kunst, recht zu behalten“in Schach zu halten suchen.
Das ist hauchdünn vor Oberseminar, allerdings einem durchgeknallten. Schließlich wird traditionell viel musiziert, vom Hip-Hop bis zum Chanson, mit Pigors manchmal bittersüß schmeichelnder, dann wieder hysterisch ätzender Stimme. Und halsbrecherischen Versen und Zeilensprüngen, die genügend Stoff für ein weiteres Oberseminar liefern würden.
Was den beiden so auf die Nerven geht? Selbstredend jede Menge. Political Correctness etwa (unter Eingeweihten „Pici“) wie auch der sprachliche Putzfimmel unserer Zeit. Wenn der Abend aber in alle Höhen und auf und davon zu schweben droht, landet er wohltuend auf dem Boden unserer Tatsachen. Zum Beispiel mit der Lösung der Jahrhundertdebatte des Genderns. Warum bedient man sich nicht einfach des „s“im norddeutschen Platt?, fragen sie. Also geht man nicht zu Lehrerinnen und Lehrern oder auch Lehrer*innen, sondern einfach zu den „Lehrers“. Gesagt, getan: Dieses „s“wird die Kommödchen-Zuschauer den Abend nicht mehr verlassen. Wie auch die schwächelnde D-Seite auf der Gitarre, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Sollte man jedenfalls alles selbst erlebt haben – nur noch an diesem Freitag im Kommödchen möglich.
Kleiner Nachtrag: Zum Schluss sitzt dann Benedikt Eichhorn vor der Theke. Nicht aus Langeweile, Lust und Laune. Er verkauft ein paar CDs und das Buch „Volumen X“mit CD. Die müssen weg, sagt er. Kleinkunst eben. Hautnah.
Pigor und Eichhorn sind die Intellektuellen unter Deutschlands
Kabarettisten