Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Erbel ist der Chef der deutschen Reiter
Der Solinger ist der neue Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Eigentlich sollte Ursula von der Leyen den Job bekommen.
Der Solinger ist der neue Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Eigentlich sollte Ursula von der Leyen den Job bekommen.
Eigentlich sollte Ursula von der Leyen seinen Posten einnehmen. Doch dann kam einiges anders als geplant. So wurde Hans-Joachim Erbel vor Kurzem zum neuen Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung gewählt. Dem achtgrößten Sportverband Deutschlands mit 678.341 Mitgliedern, 7334 Vereinen und 200 Mitarbeitern – beeindruckende Zahlen eines mittelständischen Unternehmens, das nach 16 Jahren nicht mehr von Breido Graf zu Rantzau, sondern von einem Solinger geführt wird.
„Ich bin eher der Quereinsteiger“, erzählt der 61-Jährige unaufgeregt und empathisch zugleich von der Reiterei, mit der er erstmalig als Schulpferdereiter Kontakt hatte. Es wurde noch keine dauerhafte Liaison, aber Anfang der 80er-Jahre gab es im Rahmen des Studiums in Darmstadt erneut Berührungen. Als Studentenreiter wurde es schon intensiver, denn Erbel gehörte zu denen, die auch Turniere im Springen und in der Dressur ausrichteten. Sogar an die Austragung einer Europameisterschaft trauten sich die Darmstädter heran, wodurch der erste Kontakt zur FN hergestellt war.
Immer wieder spielte das Reiten sporadisch in sein Leben hinein, so lernte er auf diesem Terrain seine Ehefrau kennen. Unvergesslich bleibt der Ausritt anlässlich des 18. Geburtstages seines Sohnes durch Island. So richtig eng wurde es im Jahr 2001. Beruflich ging es für den Wirtschaftsingenieur von Daimler, wo er auch in die Konzernplanung eingebunden war, zu Reed Exhibitions – einem Unternehmen aus der Branche der Messewirtschaft. Eine der Messen im Portfolio von Reed: die Equitana, die größte Messe für Pferdesport in Essen, ihrerseits Partner der FN. „Die Kontakte und Verhandlungen liefen fortan über mich, das war schon sensationell“, freute sich Erbel sehr, den Beruf mit dem Hobby quasi verknüpft zu haben.
Der Draht zur FN war ein heißer,
Anfang 2019 folgte die Anfrage von Generalsekretär Soenke Lauterbach, ob sich der frühere Studentenreiter ein ehrenamtliches Engagement im Verband vorstellen könnte. Noch bevor dies in die Tat umgesetzt werden konnte, ging alles Schlag auf Schlag. Ursula von der Leyen, dem Pferdesport eng verbunden, stieg zur Präsidentin der Europäischen Kommission auf und stand als potenzielle Nachfolgerin von Graf zu Rantzau nicht mehr zur Verfügung.
Der Arbeitgeber von Hans-Joachim Erbel, der seit 2018 drei Tage pro Woche bei einem der Unternehmen im Norden von London tätig war, wurde von der Pandemie schwer getroffen, zog die Notbremse und löste sich von 30 Prozent des Personals – der Familienvater aus der Klingenstadt ging den Weg der
Trennung mit. Mittlerweile hatte sich auch durch die Corona-Krise die Mitgliederversammlung deutlich hinausgezögert, die dann endlich Anfang Juli in Fulda über die Bühne ging. Mit Hans-Joachim Erbel, der zum neuen Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung gewählt wurde.
Hätte man bei einer hochkarätigen Politikerin eher eine repräsentative Rolle erwartet, so will der frischernannte Chef, der sich auf die Wirtschaft bezogen als Aufsichtsrat versteht, auch Impulse geben. „Das Feld ist ungemein breit, es ist ein Spiegelbild der Equitana“, verweist Erbel auf die vielen Facetten, unter anderem mit Breitensport, Turniersport, Spitzensport, aber auch mit der Zucht oder mit dem Voltigieren. Ebenso zählen aktuelle Themen wie
Corona und die Flut dazu, die den Verband mit Sitz in Warendorf – der Stadt des Pferdes im Regierungsbezirk Münster – beschäftigen. „Wir verfügen schon über einen operativen Vorstand und können uns auf ein sehr gutes Team verlassen“, sagt der Ingenieur, der um eine strategische Ausrichtung bemüht ist.
Denn die Zahl der Mitglieder in Vereinen und Verbänden ist leicht rückläufig. Ausloten, ob es Potenziale gibt, die diesen Trend kippen können – das ist eine der Aufgaben, denen sich Erbel widmen will. Und sieht dabei den Weg über die Jugend, auch in der Schule, als erfolgversprechendes Instrument. Wohl wissend, dass es sich dabei um ein dickes Brett handele, könne man so den Sinn des Schulsports sinnvoller erfüllen. Mit Verweis aufs stets großen Zulauf erhaltende Ponyreiten sicherlich kein falscher Ansatz. Auch der Turniersport gehöre zu den förderungswürdigen Dingen. „Es ist das Salz in der Suppe“, sagt der Reiter-Präsident, der nicht verhehlt, dass die Ausrichtung von Turnieren und die Vorstellung von Pferden auf solchen Veranstaltungen zum Kerngeschäft der FN gehören.
Mit Beginn seiner Amtszeit wäre Hans-Joachim Erbel gleich eine große Ehre zuteilgeworden, nämlich die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Dort hätte er repräsentative Aufgaben übernommen und wäre nur zu den Wettbewerben aus dem Hotelzimmer gekommen. Der Solinger verzichtete, zumal es auch kein Flair à la Olympisches Dorf gegeben hätte – die Reiterinnen und Reiter sind in Hotels untergebracht, mit einem selbst organisierten Shuttle-Service geht es zu den sportlichen Vergleichen. Da war es schön, die Equipen in der Vielseitigkeit und Dressur persönlich sowie das Springreiter-Team mit guten Worten schriftlich verabschiedet zu haben. Der Trost: „Ich bin ja für vier Jahre gewählt, und Olympia in Paris folgt schon in drei Jahren.“
Bis dahin kann „Hajo“Erbel viel Basisarbeit leisten, wird sicher auch mit einer nötigen Portion Humor in der Warendorfer Zentrale agieren. „Ich erwarte schon, dass die Pferde an den Koppeln mir jetzt ihre Köpfe zudrehen“, sagt der mittlerweile mit Partnern selbstständig auf eine Messe zur technischen Isolierung in 2022 hinarbeitende Vorruheständler – der Blick aufs idyllische Lochbachtal von der Terrasse seines Hauses aus gibt ihm dabei die nötige Kraft, die sein hohes Funktionärsamt sicher noch einfordern wird.