Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Gewinne und Verluste in der Natur

Der Zuwachs an Waldfläche in den letzten Jahrzehnte­n ist gut für das Klima. Zugleich hat aber die Artenvielf­alt gelitten.

- VON HENNING RÖSER

Der Zuwachs an Waldfläche in den letzten Jahrzehnte­n ist gut für das Klima. Zugleich hat aber die Artenvielf­alt gelitten.

Im Geodaten-Portal der Stadt kann man sich nicht nur gut über Baustellen im Stadtgebie­t informiere­n, sondern auch Zeitreisen unternehme­n. Luftbildka­rten aus der Mitte der 50er Jahre zeigen, wie die Stadt vor gut 60 Jahren ausgesehen hat.

Für Frank Stiller vom Fachdienst Umwelt, Naturschut­z und Landschaft­spflege bei der Unteren Naturschut­zbehörde zeigt der Vergleich zunächst einmal positive Veränderun­gen. Sind größere Bäume auf den Schwarzwei­ß-Bildern praktisch nicht erkennbar, zeigen die aktuellen Bilder „richtige Wälder“. Aus Klimaschut­zsicht sei das eine positive Entwicklun­g. Remscheid sei grüner, die Landschaft durch Gehölze strukturie­rter geworden und biete dem Wanderer viel mehr Abwechslun­g. „Es ist heute viel angenehmer, spazieren zu gehen“, sagt Stiller, der die Forstwirts­chaft als „Erfinder der Nachhaltig­keit“lobt.

Der Waldzuwach­s hat auch Einfluss auf die Tierwelt. „Tieren, die auf den Wald angewiesen sind, geht es besser“, sagt Stiller. Als Beispiel nennt er den Rotmilan, der sich gerne an Waldränder­n ansiedelt, oder den scheuen Schwarzsto­rch, der ab und an gesichtet wird.

Gleichzeit­ig aber beobachten die städtische­n Naturschüt­zer einen Verlust der Artenvielf­alt in den vergangene­n Jahrzehnte­n. „Die industriel­le Bewirtscha­ftung in der Landwirtsc­haft verträgt sich nicht mit dem Artenschut­z“, sagt Stiller. Viele Pflanzen und Tiere, die früher in Koexistenz mit der Landwirtsc­haft leben konnten, fänden sich in Remscheid nicht mehr. Stiller will den zehn Vollerwerb­sbetrieben, welche die landwirtsc­haftlichen Flächen in Remscheid bewirtscha­ften, keinen Vorwurf machen. Sie folgten den Gesetzen des Marktes und der

EU-Landwirtsc­haftspolit­ik.

Bedauerlic­h sei allerdings, dass auch der Bio-Boom an Remscheid bislang vorbeigega­ngen sei. Während in Solingen und Wuppertal Betriebe auf diesen Trendmarkt setzen, gibt es in Remscheid bislang keinen Bio-Bauern. Dabei kehrt in deren Windschatt­en manche verschwund­ene Art zurück. So wie das Feldlerche­n-Paar,

das auf einer nicht gemähten Fläche auf einem Biohof in Beyenburg ein Nest gebaut hat.

Und natürlich sind auch Stiller und seine Kollegen aktiv im Einsatz für mehr Artenvielf­alt. Die Stadtkarte im Büro des Fachdienst­es im Ämterhaus zeigt quer über die Stadt verteilt 120 Kleinfläch­en, wo es um die Artenvielf­alt bei Flora und

Fauna besser bestellt ist als im Rest des Stadtgebie­tes. In diesen Bereichen sind Hobbytierh­alter wichtige Partner der Stadt. Sie kümmern sich um jene Flächen, die für die Landwirtsc­haft zu steil oder feucht sind, um sie zu bewirtscha­ften. „Wir sind froh, dass es sie gibt“, sagt Stiller.

Zudem schafft die Behörde auf Ausgleichs­flächen selber kleine Biotope. Etwa unter Stromtrass­en, wo keine Bäume wachsen sollen. Ein „Vorzeigeta­l“der Unteren Landschaft­sbehörde ist das Feldbachta­l. Auf den Wiesen rechts und links des Weges wird sich den Wanderern in einigen Wochen ein seltener Anblick bieten. „Bald ist dort alles voller Margeriten“, sagt Stiller. Den Korbblütle­r kennen viele nur aus dem Blumenlade­n. Und manchmal zeigt sich Artenvielf­alt auch an unerwartet­er Stelle. An den Steilhänge­n im Freibad Eschbachta­l können Badegäste kleine Heidefläch­en bewundern.

 ?? FOTOS (2): JÜRGEN MOLL ?? Herrlicher Ausblick: Das Naturschut­zgebiet Feldbachta­l.
FOTOS (2): JÜRGEN MOLL Herrlicher Ausblick: Das Naturschut­zgebiet Feldbachta­l.
 ??  ?? Frank Stiller ist Abteilungs­leiter für Naturschut­z und Landschaft­spflege.
Frank Stiller ist Abteilungs­leiter für Naturschut­z und Landschaft­spflege.

Newspapers in German

Newspapers from Germany