Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Grünen zahlen den Preis für Positionen und Posten
Die Partei muss nun beweisen, dass sie bereit ist, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen.
Der Chef des Umweltausschusses Thilo Schnor (Grüne) sprach nach der Entscheidung für eine Fällung der Bäume an der Tunnelstraße von einem „Dilemma“, in dem sich seine Partei befunden habe. Wobei die Enthaltung der grünen Ausschuss-Mitglieder nicht nur ein einfaches Dilemma aufzeigt, sondern stellvertretend für ein Problem steht, mit dem sich die Partei in Zukunft öfter herumschlagen dürfte. Denn die Zeiten, in denen man im Zweifelsfall nur partikulare Interessen vertreten konnte, neigen sich mit den Wahlsiegen
MARTIN OBERPRILLER der zurückliegenden Jahre vorerst ihrem Ende entgegen.
Tatsächlich haben die Grünen auch in Solingen nach dem Wahlerfolg bei den Kommunalwahlen 2020 keinen Zweifel gelassen, dass sie im Konzert der Großen CDU und SPD mitspielen wollen – die Sozialdemokraten können inzwischen ein Lied davon singen. Doch bedeutet die neue Rolle eben nicht nur die Durchsetzung von Inhalten sowie den Zugriff auf Posten, sondern vor allem die Pflicht, zur Not Abstriche an der reinen Lehre zu akzeptieren. Die Grünen werden jetzt den Beweis antreten müssen, dass die Bürger ihnen die Verantwortung für die Stadt anvertrauen können.
Wenn es früher hart auf hart kam, gab es nämlich stets eine Mehrheit ohne die Partei, die sich darum schon mal den Luxus leisten durfte, bei Etat-Abstimmungen im Rat unterschiedlich zu votieren. Gleichzeitig aber schafften es die Grünen immer wieder, jenseits der politischen Gremien Stimmungen aufzugreifen und schließlich doch Mehrheiten zu organisieren – man denke nur an die A 3-Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte.
Das hat die Partei für viele Gruppen und Organisationen im Vorfeld des formal-politischen Raums attraktiv gemacht. Allerdings hat alles seinen Preis. Und genau den werden die Grünen zukünftig öfter zahlen, wenn sie zu einer wirklich prägenden Kraft in Solingen werden wollen. Ihre Aufgabe wird es sein, allzu umfassende Erwartungen an der Basis zu dämpfen. Das wird zwangsläufig Enttäuschungen hervorrufen. Mitleid muss man mit der Partei indes nicht haben. Schließlich warten auf die Grünen ja auch Preise – bei Positionen und Posten.