Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Präsidentin Aung San Suu Kyi sitzt noch immer in Haft. Ein Krieg droht.
Die Lage in dem asiatischen Land eskaliert. Das liegt auch daran, dass das Land für die Großmächte von Interesse ist. Vor allem China wirft gern dem Westen Verlogenheit vor. Bigott aber ist vor allem Pekings Politik.
Während die Lage in Myanmar intensiver wird, sind die westlichen Länder gut beraten, kein Öl ins Feuer zu gießen.“Mit dieser Schlagzeile machte Ende Februar, drei Wochen nach dem Militärputsch in Myanmar, die „Global Times“auf. Die Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas publiziert auf Englisch, ist für ein internationales Publikum gedacht. Und die Forderung darin war klar: Der Westen solle sich bitte raushalten aus dem, was in Myanmar vor sich geht.
Anfang April kamen ähnliche Botschaften aus Russland. Zuvor war der russische Vizeverteidigungsminister beim Putschregime in der Hauptstadt Naypyidaw zu Gast gewesen, um dort das Militär zu feiern. Bei einer Parade wurden auch russische Panzer, Kampfflugzeuge und Helikopter gezeigt. Dann hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Moskau: „Ein Kurs in Richtung Drohungen und Druck einschließlich Sanktionen gegen die aktuellen Behörden Myanmars hat keine Zukunft und ist extrem gefährlich.“
Damit ist klar: Zwei der mächtigsten Staaten der Welt halten nicht etwa zu den Menschen auf den Straßen von Myanmar, die seit Wochen gegen das Militär protestieren, sondern zum Putschregime, das auf diese schießt. Die Argumente klingen nach Pragmatismus: Aus Moskau heißt es, man wolle weitere Eskalationen vermeiden und deshalb nicht den Volkszorn befeuern. In Peking gilt offiziell die Linie, sich nicht in innenpolitische Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.
Dabei ist fraglich, ob sich Peking wirklich nicht einmischt in das, was sich in dem 54-Millionen-Land zuträgt. Anfang Februar riss das Militär die Macht an sich, weil es eine herbe Wahlniederlage der eigens unterstützten Partei nicht hinnehmen wollte. Im November hatte das demokratische Lager um die Friedensnobelpreisträgerin
Aung San Suu Kyi mehr als 80 Prozent der Stimmen geholt. Das Militär witterte Wahlbetrug und nahm dies – ohne Beweise vorzulegen – zum Anlass für einen Putsch.
Aung San Suu Kyi ist seitdem festgesetzt und muss sich ohne regelmäßigen Zugang zu einem Anwalt gegen diverse Vorwürfe verteidigen. Auf der Straße demonstrieren immer wieder Tausende und verlangen die Rückkehr zur noch jungen Demokratie. Das Militär will davon nichts wissen. Zuerst antwortete es mit Wasserwerfern und Unterbrechungen des Internets. Längst wird auch auf Menschen geschossen. In Wohngebäuden, Krankenhäusern, auf der Straße. Hunderte sind bisher gestorben.
Die Regierung in Peking ist sicherlich nicht glücklich über diese Entwicklungen. Unter der demokratischen Vorgängerregierung von Aung San Suu Kyi waren die Beziehungen intakt, der Handel florierte. Weil Myanmar aber durch seine Lage am Indischen Ozean auch für Chinas weltumspannendes Infrastrukturprojekt der Neuen Seidenstraße wichtig ist, will Peking offenbar zu jedem Regime in Myanmar einen guten Draht halten, egal wie es an die Macht gekommen ist. Auch Russland wittert im neuen Regime Chancen zu regem Austausch.
Vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist damit keine Resolution zu Myanmar zu erwarten. Denn neben den USA, Großbritannien und Frankreich sitzen in diesem Gremium, das nur einstimmig entscheiden kann, auch Russland und China. Und dort ist das Gesprächsklima ohnehin schwierig. Russland und China halten die westlichen Staaten für bigott. Schließlich begründet der von den USA angeführte Westen seine Aktionen gern mit Demokratie und Freiheit. Und hat unter diesem Deckmantel immer wieder fragwürdige Realpolitik betrieben.
Die Vereinigten Staaten haben einen Krieg in Vietnam geführt. In Lateinamerika und im Nahen Osten haben ihre
Regierungen immer wieder Regime gestärkt, die alles andere als demokratisch waren, aber den ökonomischen Interessen in Washington dienten. Im Irak haben die USA – mit Unterstützung aus Großbritannien – ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats einen Krieg geführt, um Saddam Hussein zu stürzen und besseren Zugang zu Öl zu erhalten. Auch die europäischen Staaten sehen in ihrer Außenpolitik oft nur vordergründig zutiefst demokratisch aus, schauen aber auch gern weg, wenn dies der Stabilität und ihrer Handelspolitik dient.
So fällt es den Regierungen aus Peking und Moskau, die viel weniger die Moralkeule schwingen, relativ leicht, die westlichen Bemühungen als unehrlich abzustempeln. Im derzeitigen Konflikt in Myanmar haben die USA das Militärregime mit gezielten Sanktionen belegt. Mehrere westliche Staaten haben sich zudem solidarisch erklärt mit einem Alternativparlament, das das Wahlergebnis vom November abbilden will. Allerdings sind die zwei wichtigsten westlichen Handelspartner Myanmars – Deutschland und die USA – selbst in Summe nicht annähernd so gewichtig wie China. Kein Staat hat hier so viel zu verlieren wie die Regierung aus Peking.
So ist es vor allem die offizielle Nichteinmischungspolitik aus China, die hier bigott wirkt. Nicht zuletzt der starke chinesische Einfluss treibt die Menschen in Myanmar derzeit auf die Straße. Fabriken chinesischer Unternehmen wurden schon angesteckt, es kursieren Gerüchte, dass China eine digitale Firewall für das Militärregime errichtet. Von Demonstranten ist immer wieder die Sorge zu hören, dass Myanmar gerade zu einer De-facto-Kolonie Chinas werde. Nicht die westliche Solidarität mit der Zivilbevölkerung gieße Öl ins Feuer, heißt es. Dies erwirke vielmehr die Unterstützung Chinas und Russlands für das Militär, das das Feuer erst angezündet habe.
Wenn sich die Großmächte nicht bald an einen Tisch setzen, droht in Myanmar ein Stellvertreterkrieg wie zu Zeiten des Kalten Kriegs, unter dem dann vor allem die Menschen vor Ort leiden. Wenn er nicht schon begonnen hat.
Nicht zuletzt der starke Einfluss Chinas treibt die Menschen derzeit auf die Straße