Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Ausbildung light“: Nach der Schule in den Freiwilligendienst
Nach der Schule direkt ins Berufsleben starten? Das ist nicht für jeden etwas. Ein Freiwilligendienst kann helfen, die eigenen Zukunftspläne zu konkretisieren – und macht sich gut im Lebenslauf.
Der Schritt aus dem Klassenzimmer hinaus in die Berufswelt kann herausfordernd sein. Manche Schulabgänger haben vielleicht schon eine grobe Idee von ihrer beruflichen Zukunft, andere fangen bei null an. In beiden Situationen kann Kathrin Bothe zu einem Freiwilligendienst raten. Als Berufsberaterin bei der Arbeitsagentur hilft sie bereits seit 20 Jahren jungen Menschen bei der Orientierung nach dem Schulabschluss.
„Ein Freiwilliges Jahr kann man sich wie eine ‚Ausbildung light’ vorstellen“, sagt Bothe. Denn in dieser Zeit müssen sich die Freiwilligen in einer neuen Umgebung zurechtfinden, sich in ein neues Aufgabengebiet einarbeiten und unter Umständen bereits von Zuhause wegziehen. Außerdem bekommen sie eine Vorstellung davon, ob ein bestimmtes Berufsfeld zu ihnen passt. Aber auch langfristig hinterlässt ein freiwilliges Engagement seine Spuren, meint Bothe: „Man bewertet die Arbeit der Menschen, die man dort kennenlernt, als gesellschaftlichen Beitrag anders.“
Wer den Entschluss gefasst hat, nach der Schule einen Freiwilligendienst zu machen, steht vor der Auswahl zahlreicher Angebote. Um die geeignete Einsatzstelle für sich zu finden, bleibt Interessierten nichts anderes übrig als sich durch den „Programm-Dschungel“durchzuarbeiten, sagt Frank Seidel, Gründer der Orientierungsplattform „wegweiserfreiwilligenarbeit.com“. Bei der Suche helfe es, sich über die eigene Motivation im Klaren zu sein, um so Stellenangebote zu selektieren.
Der Klassiker unter den öffentlich geförderten Jugendfreiwilligendiensten ist das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Dahinter verbirgt sich aber
Beruf & Karriere nicht nur die Arbeit in Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Ein FSJ kann man zum Beispiel auch in der Denkmalpflege oder in Sportvereinen absolvieren. Hinzu kommen eine Reihe spezialisierter Dienste, darunter das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) aber auch das FSJ Kultur, FSJ Schule, FSJ Politik oder der Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung. Für naturwissenschaftlich Interessierte bietet sich auch ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr an Forschungseinrichtungen oder Hochschulen an.
Voraussetzung für einen öffentlich geförderten Jugendfreiwilligendienst ist, dass die Bewerber einen Schulabschluss mitbringen und zwischen 16 und 27 Jahre alt sind. In manchen Fällen liegt das Mindestalter auch bei 15 Jahren. Die Bewerber verpflichten sich in der Regel, für sechs bis zwölf Monate in einer Einrichtung in Vollzeit zu arbeiten. In Ausnahmefällen kann ein Dienst aber auch bis zu 24 Monate dauern. Das FSJ beginnt in aller Regel zwischen September und Oktober, unter Umständen sind individuelle Regelungen möglich.
Besonders in den Pflegeeinrichtungen gibt es freie FSJ-Plätze
Schulabgänger müssen sich aber nicht auf die Stellenausschreibungen der Jugendfreiwilligendienste beschränken. Sie können auch Angebote des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) nutzen. Dieser steht Menschen nach dem Schulabschluss ohne Altersbeschränkung zur Verfügung.
Die genauen Bewerbungsfristen legen die Trägerorganisationen
selbst fest, oft liegen diese aber ungefähr ein halbes Jahr vor Beginn. Bothe rät Interessierten, sich möglichst ein bis anderthalb Jahre vorher mit ihrer Wunscheinrichtung in Verbindung zu setzen.
Die jeweiligen Stellen sind je nach Branche sehr begehrt. Besonders beliebt sind Freiwilligendienste im Medienund Kulturbereich. Deutlich weniger Konkurrenz haben Bewerber hingegen in Pflegeeinrichtungen. Um die eigenen Chancen zu erhöhen, rät Kathrin Bothe, sich auf einen längeren Zeitraum einzulassen. Die ersten Monate seien meist alleine für die richtige Einarbeitung notwendig. Bewerber, die für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, seien für die Trägerorganisationen deswegen attraktiver.
Ein Jahr ohne Bezahlung zu arbeiten, kann sich nicht jeder leisten. Die finanzielle Gestaltung sei zwar von der jeweiligen Trägerorganisation abhängig, bewegt sich aber letztlich in einem Rahmen von 150 bis 450 Euro im Monat.
Bei anerkannten Diensten wie einem FSJ oder dem BFD bekommen die Freiwilligen aber weiterhin ihr Kindergeld. Außerdem sind sie beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall-, Arbeitslosenund Pflegeversicherung versichert, betont die Expertin.
Wer sich seine Zeit im Freiwilligendienst später als Praxiserfahrung auf einen Studienplatz anrechnen lassen möchte, sollte laut Bothe auf einen der offiziell anerkannten Dienste setzen. Und Freiwilligenarbeit kann sich später auf dem Lebenslauf bezahlt machen. „Jeder Arbeitgeber bewertet ein soziales oder allgemein gesellschaftliches Engagement positiv“, sagt Bothe.