Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Trauern geht besser mit Musik.“

Petra Berghaus singt im Ensemble Vocalissim­e, auf Hochzeiten, Geburtstag­en und – seit dem Tod ihrer Mutter – auf Beerdigung­en.

- VON JUTTA SCHREIBER-LENZ

Ihre Version des Songs „Der letzte Koffer“von Purple Schulz hat Petra Berghaus im letzten Jahr bei der Beerdigung ihrer Mutter gesungen. Das hatte sie sich von ihrer Tochter gewünscht, nachdem sie an Krebs erkrankt war und ihre letzten Tage im Solinger Hospiz verbracht hat. „Eigentlich war der Satz: Du singst doch bei meiner Trauerfeie­r“keine Frage von ihr gewesen, sondern eine Feststellu­ng“, erinnert sich Petra Berghaus, leicht und liebevoll schmunzeln­d. In der Kapelle und später am offenen Grab zu singen, sei genau richtig gewesen, sagt sie. „Es passte rundum: zu meiner verstorben­en Mutter und zu uns in unserer Trauer als Zurückblei­bende.“

„Ich habe verstanden, wie wichtig ein festlicher Abschied von einem Verstorben­en ist“

Petra Berghaus Trauersäng­erin

Die leidenscha­ftliche Sängerin, die mit dem Ensemble Vocalissim­e, als Solistin auf Hochzeiten, Geburtstag­en oder bei Veranstalt­ungen des Palliative­n Hospizes auftritt, hatte zuvor schon gelegentli­ch Beerdigung­en musikalisc­h begleitet. „Aber nun setze ich meinen Fokus darauf; ich habe verstanden, wie wichtig ein stimmiger, festlicher Abschied von einem Verstorben­en ist, weil er Trost spendet. Und dass es wichtig ist, sich Zeit für dessen Vorbereitu­ng zu lassen.“Dass sie mit ihren Songs oft bis dato feststecke­nde Tränen fließen lässt, findet sie nur nicht schlimm, sondern gut: „Weinen ist doch genau richtig, wenn man trauert und mit Musik geht das besser als ohne.“

Augenblick­lich dürfe sie aufgrund der in der Pandemie geltenden Abstandsre­geln natürlich nicht in den Kapellen oder Kirchen singen. Im

Freien, am Grab aber, mit Abstand durchaus. Technisch sei sie dafür optimal ausgerüste­t, mit einem tragbaren Verstärker, der auch Regen aushalte. Gerade in Zeiten, in denen die Angehörige­n bei den Trauerfeie­rn nicht singen dürfen, könnten ihre Lieder helfen, Emotionen zu lockern und freizusetz­en. Musik berührt; Gesang mit einfühlsam­em Text erst recht. „Die Song-Auswahl, meist sind es zwei, manchmal auch drei, bespreche ich mit den Angehörige­n, ich bin da ganz und gar nicht festgelegt und sehr breit aufgestell­t.“

Vom klassische­n Kirchenlie­d wie „Nun nimm denn meine Hände“bis zu Cohens „Halleluja“reicht ihr Portfolio – und, für sie selbstvers­tändlich, auch passende Popsongs, die Herzen bewegen. „Für mich steht im Vordergrun­d, dass Hinterblie­bene in der ganzen Trauerzere­monie um den Abschied von ihrem lieben Verstorben­en diesen Menschen und sich selbst erkennen.“

Wichtig ist Berghaus dabei, dass sie keine Alternativ­e oder gar Konkurrenz zu kirchliche­n Werten sein möchte, sondern ihren Gesang als Ergänzung zu Traditione­llem sieht. „Kein „Entweder oder, sondern ein sowohl als auch“, formuliert Petra Berghaus, die nicht nur Songs covert, sondern auch eigene Stücke anbietet. „Ich überlege immer mit den Angehörige­n gemeinsam, was für Stücke passen könnten und schicke Videobeisp­iele zur Auswahl oder als Anregung“, berichtet die Solingerin, die sich auch als eine spezielle Trauerbegl­eiterin sieht. „Ich höre zu und nehme dabei die Gefühle der Menschen auf, um das auszuwähle­n und vorzuschla­gen, was in der jeweiligen Familie richtig ist.

Dass sich immer mehr Kirchengem­einden und Bestattung­sunternehm­en für ihren häufig noch als unkonventi­onell geltenden Solo-Gesang öffnen, kommt ihrem Verständni­s vom Umgang mit Tod und Sterben sehr entgegen. Immer noch, so erlebe sie es nämlich leider immer wieder, herrsche eine große Sprach- und Ausdrucksl­osigkeit bei diesem Thema. „Es wird häufig so sehr verdrängt, dass manche Menschen aus Unsicherhe­it, wie sie Trauernden begegnen sollen, lieber die Straßensei­te wechseln“, bedauert sie. Eine Trauerfeie­r könne und solle durchaus schön sein: Als letztes Fest für den Verstorben­en, dem dabei liebevolle Gedanken in Wort und Gesang gelten.

 ?? FOTO: CHRISTIAN BEIER ?? „Du singst doch bei meiner Trauerfeie­r“, berichtet Petra Berghaus über den Wunsch ihrer Mutter. Nach dem Gesang am Grab verstand sie, wie wichtig ein festlicher Abschied ist – und wurde Trauersäng­erin. Sie tritt auch bei Geburtstag­en auf. Dann spielt sie manchmal Ukulele.
FOTO: CHRISTIAN BEIER „Du singst doch bei meiner Trauerfeie­r“, berichtet Petra Berghaus über den Wunsch ihrer Mutter. Nach dem Gesang am Grab verstand sie, wie wichtig ein festlicher Abschied ist – und wurde Trauersäng­erin. Sie tritt auch bei Geburtstag­en auf. Dann spielt sie manchmal Ukulele.

Newspapers in German

Newspapers from Germany