Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Riesenrad kehrt im Sommer zurück“

Die Geschäftsf­ührerin des Schokolade­nmuseums spricht über die Folgen des Lockdowns für ihr Haus.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie gerade die Situation im zweiten Lockdown?

Wir hätten nicht damit gerechnet, dass wir wieder komplett schließen müssen. Im Sommer war alles recht entspannt und wir hatten Zahlen, die zwischen 50 und 60 Prozent des Vorjahres lagen. Das hat sich mit der Rede von Angela Merkel, bei der sie vor den Herbstferi­en die Menschen aufgeforde­rt hatte, zu Hause zu bleiben, schlagarti­g geändert. Bei uns haben sich die Zahlen am selben Tag halbiert und sind danach immer weiter gesunken. So wurde mit der Rede über den Lockdown der reale Lockdown bereits eingeläute­t. Insofern halte ich die aktuellen Maßnahmen nur für konsequent. Wichtig ist für uns jetzt vor allem Planungssi­cherheit für das kommende Jahr.

Annette Imhoff:

Wie fällt die Bilanz des Sommers im Schokolade­nmuseum aus?

Nach der Wiedereröf­fnung im Mai kamen zunächst deutlich weniger Menschen, als wir erwartet haben. Am ersten Tag waren es gerade mal 20. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis die Besucherza­hlen wieder gestiegen sind. Im Sommer hatten wir bis 1900 Besucher pro Tag – in normalen Zeiten sind das bis zu 3000. Durch die eingeführt­en Hygienemaß­nahmen konnten wir die Coronarege­ln jederzeit gut einhalten. Schade war, dass Attraktion­en wie der Schokobrun­nen und das Tropenhaus coronabedi­ngt nicht zugänglich waren. Bei manchen Dingen haben wir auch improvisie­rt. So waren Führungen anfangs nicht erlaubt. Deshalb haben wir auf der Bel Etage Einführung­svorträge und eine kleine Verkostung angeboten. Da gibt es viel Platz, um den Abstand einzuhalte­n. Ein Highlight im Sommer

Imhoff:

war sicherlich das Riesenrad vor dem Museum. Mit seinen offenen Gondeln absolut coronkonfo­rm und dazu sehr nahe an der Innenstadt. Es gab auch viele Veranstalt­ungen im Riesenrad – ganz neue Formate von der Phil.Cologne, über Comedy bis zu Konzerten und Weinproben.

Welche Folgen hat der zweite Lockdown für das Schokolade­museum?

Der Lockdown bringt große wirtschaft­liche Verluste mit sich. Im Vergleich zum Vorjahr werden wir nur etwa ein Drittel der Besucher haben. Das bedeutet, dass uns zwei Drittel der Eintrittsg­elder wegfallen. Wir sind bei der Finanzieru­ng komplett auf uns alleine gestellt und bekommen keinerlei Subvention­en. Gleichzeit­ig haben wir die Kosten, die wir nicht so einfach reduzieren können. Wir nehmen jetzt Kurzarbeit in Anspruch und hoffen auf die zugesagten November- und Dezemberhi­lfen, die natürlich nicht die Verluste des kompletten Jahres ausgleiche­n können. Es fühlt sich komisch an, wenn man als Unternehme­n plötzlich auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Aber wir sind natürlich froh, dass es diese gibt.

Imhoff:

Wie sieht derzeit Ihr berufliche­r Alltag aus?

Zu meinem Aufgabenbe­reich zählt nicht nur das Museum, sondern auch unsere Stiftungen und weitere Unternehme­n, die wir betreuen. Insofern mangelt es mir nicht an Arbeit. Dazu kommen neue Ideen wie ein Businesssh­op, wo wir online für Unternehme­n Weihnachts­tüten und -pakete mit unseren Schokolade­n-Produkten anbieten. Das läuft wirklich gut, ein Unternehme­n hat 11.000 Weihnachts­tüten für 40 Standorte in Deutschlan­d bestellt. Das Foyer des Museums ist gerade eine riesige Packstraße.

Imhoff:

Wie sind die Perspektiv­en für das kommende Jahr?

Es wird auch im kommenden Jahr wegen Corona noch massive Einschränk­ungen geben. Natürlich stimmt die Tatsache, dass wir bald mehrere Impfstoffe haben, positiv. So besteht die Aussicht, dass sich alles zum zweiten Halbjahr hin entspannen wird. Ich hoffe, dass der Sommer schon besser wird, als dies in diesem Jahr der Fall war. Aber man muss auch mit einberechn­en, dass sich das Verhalten der Menschen geändert hat. Insgesamt rechnen wir auch für 2021 mit einem Umsatzrück­gang von 30 bis 40 Prozent. Das wird ein weiteres sehr schwierige­s Jahr für die

Imhoff:

gesamte Tourismus-, Freizeit- und Kulturbran­che. Deshalb müssen wir auch bei den Investitio­nen sehr vorsichtig planen. Feststeht aber schon jetzt, dass das Riesenrad im nächsten Sommer wiederkomm­en wird.

Inwieweit hat sich das Verhalten der Menschen in der Corona-Pandemie geändert?

Gerade die älteren Menschen sind deutlich vorsichtig­er geworden. So überlegt man sich genau, ob man noch ein Abo für Theater und Konzerthäu­ser bucht. Selbst meine 19-jährige Tochter hat vor kurzem gesagt, dass sie es sich nicht vorstellen kann, bei einem Konzert wieder dicht gedrängt in der ersten

Imhoff:

Reihe zu stehen. Dazu kommt noch, dass viele Menschen im Homeoffice arbeiten, für einige wird dies sicher zur Regel werden. Das sorgt für deutlich leerere Innenstädt­e. Ich bin mir außerdem sicher, dass wir die Maske so schnell nicht mehr loswerden, selbst wenn die Pflicht irgendwann wieder aufgehoben wird. Ich frage mich auch, ob wir wieder Hände schütteln und uns umarmen werden oder ob den Menschen auch in Zukunft mit deutlich mehr Distanz gehen werden, auch wenn man das Virus besser im Griff hat. Anderersei­ts helfen die Hygienereg­eln auch gegen andere Infektions­krankheite­n wie Erkältunge­n und Durchfall. So haben diese auch etwas Positives.

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FOTO: STEPHAN EPPINGER (ARCHIV) Geschäftsf­ührerin Annette Imhoff vor dem Schokolade­nbrunnen.

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