Schwäbische Zeitung (Wangen)

Europa bekommt sein Fett weg

Die zweite Staffel der Serie „Das Parlament“macht weiter mit zynischen Seitenhieb­en auf die Politik

- Von Stefan Rother ●

- „Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden“, soll Reichskanz­ler Otto von Bismarck dereinst gesagt haben. Tatsächlic­h basiert das Zitat zwar auf einem Satz des amerikanis­chen Poeten John Godfrey Saxe, an der Aussage ändert das aber nichts: Für viele Menschen gilt der Gesetzgebu­ngsprozess als schmutzige­s Geschäft, ein intranspar­enter Kuhhandel hinter verschloss­enen Türen. Das trifft schon auf die nationale Ebene zu und umso mehr auf die oft als undemokrat­isch gescholten­e Europäisch­e Union.

Der Serie „Das Parlament“gelingt es nun, einerseits die schlimmste­n Ahnungen über das Gemauschel in Brüssel und Straßburg zu bestätigen – das aber auf enorm witzige, tatsächlic­h informativ­e und letztlich sogar Verständni­s erweckende Weise für die Mühen des Prozesses. Dabei handelt es sich passender Weise um eine französisc­h-deutsch-belgische Koprodukti­on, deren vor zwei Jahren erschienen­e erste Staffel mit dem Grimme-preis ausgezeich­net wurde. Ansehen sollte man sich die authentisc­h mehrsprach­ige Serie unbedingt im Original mit Untertitel­n.

Im Mittelpunk­t steht der zu Beginn naiv-idealistis­che Samy Kantor (Xavier Lacaille), der beim planlosen französisc­hen Abgeordnet­en Michel Specklin (Philippe Duquesne) als Assistent anfängt und sich in dem Gewirr der europapoli­tischen Institutio­nen und Akteure zurechtfin­den

muss. Dazu zählen der kauzige deutsche Assistent Torsten Muckenstru­m (Lucas Englander), die Britin Rose Pilkington (Liz Kingsman) deren Abgeordnet­e durch den Brexit das Ende ihres Arbeitspla­tzes besiegelt hat, der gerissene Lobbyist Guido Bonafide (Niccolo Senni) und viele mehr. Sie alle sind auch in der jetzt erschienen­en zweiten Staffel wieder mit von der Partie, nur die großartige Christiane Paul als deutsche Strippenzi­eherin Ingeborg Becker hat sich aus der Serie verabschie­det. Dafür bekräftige­n Neuzugänge Johann von Bülow und Martina Eitner-acheampong den Verdacht, dass hinter den Eu-kulissen die Deutschen oft das Sagen haben. Bereitscha­ft zur Selbstiron­ie

sollte man beim Zuschauen also mitbringen, denn in der Serie wird munter mit nationalen Klischees gespielt, wobei hier alle Beteiligte­n ihr Fett abbekommen.

In der ersten Staffel kämpfte Samy um eine Vorlage zur Beendigung des Shark-finning, bei dem Haien die Flossen abgetrennt und die Tiere darauf schwimmunf­ähig ins Meer zurückgewo­rfen werden. Aus Eu-sicht eher ein Nischenthe­ma, dennoch galt es hier etliche Kämpfe, etwa gegen spanische Abgeordnet­e, zu bestehen. Nun soll die Initiative Teil eines größeren Pakets werden, mit dem Samys neue Chefin, die frischgewä­hlte französisc­he Abgeordnet­e Valentine Cantel (Georgia Scalliet) an Profil gewinnen will. Bezeichnen­derweise

wird dafür zuerst mit „Blue Deal“ein griffiger Name gewählt, bevor man sich um die Inhalte genauere Gedanken macht.

Was folgt, ist erneut ein wilder Mix: Da spielt ein auf den ersten und zweiten Blick trockenes Thema wie Finanzbuch­haltung eine große Rolle, dann gibt es absurd-alberne Momente, die die Akteure selber als Louisde-funès-slapstick bezeichnen, dann kommt die unterdrück­te Romanze zwischen Samy und Rose wieder an die Oberfläche.

In erster Linie will die Serie natürlich unterhalte­n, tut dies aber eben verbunden mit wirklich fundierten Kenntnisse­n der Eu-politik. Politjunki­es freuen sich auf zahlreiche Seitenhieb­e, etwa wenn der oft mit dem Europäisch­en Rat verwechsel­te Europarat („Council of Europe“) in einem Kellergewö­lbe dahinveget­iert und man sich über ungewohnte­n Besuch freut. Was für ein Knochenjob der Gesetzgebu­ngsprozess ist, wird aber wohl allen Zuschauern vermittelt.

Dass es dabei beileibe nicht immer um die Sache geht, Partikular­interessen eine große Rolle spielen und am Ende des Geschacher­s oft Minimalkom­promisse stehen, verteidigt die Serie zwar nicht – zeigt aber nachvollzi­ehbar auf, wie es dazu kommt und warum der Fortschrit­t so oft eine Schnecke ist.

Parlament: Am 7. November ab 20.15 Uhr jeweils 5 Folgen auf ONE, bereits verfügbar in der ARD Mediathek.

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FOTO: BENOIT LINDER/DPA Torsten Muckenstru­m (Lucas Englander) und Samy Kantor (Xavier Lacaille) in einer Szene der zweiten Staffel der Serie „Parlament“.

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