Europa bekommt sein Fett weg
Die zweite Staffel der Serie „Das Parlament“macht weiter mit zynischen Seitenhieben auf die Politik
- „Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden“, soll Reichskanzler Otto von Bismarck dereinst gesagt haben. Tatsächlich basiert das Zitat zwar auf einem Satz des amerikanischen Poeten John Godfrey Saxe, an der Aussage ändert das aber nichts: Für viele Menschen gilt der Gesetzgebungsprozess als schmutziges Geschäft, ein intransparenter Kuhhandel hinter verschlossenen Türen. Das trifft schon auf die nationale Ebene zu und umso mehr auf die oft als undemokratisch gescholtene Europäische Union.
Der Serie „Das Parlament“gelingt es nun, einerseits die schlimmsten Ahnungen über das Gemauschel in Brüssel und Straßburg zu bestätigen – das aber auf enorm witzige, tatsächlich informative und letztlich sogar Verständnis erweckende Weise für die Mühen des Prozesses. Dabei handelt es sich passender Weise um eine französisch-deutsch-belgische Koproduktion, deren vor zwei Jahren erschienene erste Staffel mit dem Grimme-preis ausgezeichnet wurde. Ansehen sollte man sich die authentisch mehrsprachige Serie unbedingt im Original mit Untertiteln.
Im Mittelpunkt steht der zu Beginn naiv-idealistische Samy Kantor (Xavier Lacaille), der beim planlosen französischen Abgeordneten Michel Specklin (Philippe Duquesne) als Assistent anfängt und sich in dem Gewirr der europapolitischen Institutionen und Akteure zurechtfinden
muss. Dazu zählen der kauzige deutsche Assistent Torsten Muckenstrum (Lucas Englander), die Britin Rose Pilkington (Liz Kingsman) deren Abgeordnete durch den Brexit das Ende ihres Arbeitsplatzes besiegelt hat, der gerissene Lobbyist Guido Bonafide (Niccolo Senni) und viele mehr. Sie alle sind auch in der jetzt erschienenen zweiten Staffel wieder mit von der Partie, nur die großartige Christiane Paul als deutsche Strippenzieherin Ingeborg Becker hat sich aus der Serie verabschiedet. Dafür bekräftigen Neuzugänge Johann von Bülow und Martina Eitner-acheampong den Verdacht, dass hinter den Eu-kulissen die Deutschen oft das Sagen haben. Bereitschaft zur Selbstironie
sollte man beim Zuschauen also mitbringen, denn in der Serie wird munter mit nationalen Klischees gespielt, wobei hier alle Beteiligten ihr Fett abbekommen.
In der ersten Staffel kämpfte Samy um eine Vorlage zur Beendigung des Shark-finning, bei dem Haien die Flossen abgetrennt und die Tiere darauf schwimmunfähig ins Meer zurückgeworfen werden. Aus Eu-sicht eher ein Nischenthema, dennoch galt es hier etliche Kämpfe, etwa gegen spanische Abgeordnete, zu bestehen. Nun soll die Initiative Teil eines größeren Pakets werden, mit dem Samys neue Chefin, die frischgewählte französische Abgeordnete Valentine Cantel (Georgia Scalliet) an Profil gewinnen will. Bezeichnenderweise
wird dafür zuerst mit „Blue Deal“ein griffiger Name gewählt, bevor man sich um die Inhalte genauere Gedanken macht.
Was folgt, ist erneut ein wilder Mix: Da spielt ein auf den ersten und zweiten Blick trockenes Thema wie Finanzbuchhaltung eine große Rolle, dann gibt es absurd-alberne Momente, die die Akteure selber als Louisde-funès-slapstick bezeichnen, dann kommt die unterdrückte Romanze zwischen Samy und Rose wieder an die Oberfläche.
In erster Linie will die Serie natürlich unterhalten, tut dies aber eben verbunden mit wirklich fundierten Kenntnissen der Eu-politik. Politjunkies freuen sich auf zahlreiche Seitenhiebe, etwa wenn der oft mit dem Europäischen Rat verwechselte Europarat („Council of Europe“) in einem Kellergewölbe dahinvegetiert und man sich über ungewohnten Besuch freut. Was für ein Knochenjob der Gesetzgebungsprozess ist, wird aber wohl allen Zuschauern vermittelt.
Dass es dabei beileibe nicht immer um die Sache geht, Partikularinteressen eine große Rolle spielen und am Ende des Geschachers oft Minimalkompromisse stehen, verteidigt die Serie zwar nicht – zeigt aber nachvollziehbar auf, wie es dazu kommt und warum der Fortschritt so oft eine Schnecke ist.
Parlament: Am 7. November ab 20.15 Uhr jeweils 5 Folgen auf ONE, bereits verfügbar in der ARD Mediathek.