„Wenn es dein Traum ist, verfolg ihn“
Wie die taub geborene Klara Schlichting mit Unterstützung der Familie ihren Weg geht
KREIS RAVENSBURG (sz) - Die 15jährige Klara Schlichting wurde taub geboren. Doch sogenannte „Cochlea Implantate“ermöglichen ihr so etwas wie Hören, heißt es in einer Pressemitteilung der Zieglerschen. Im Alltag und in ihrer gesamten Lebensplanung stoße Schlichting immer wieder auf Barrieren, doch sie geht ihren Weg – auch dank der Unterstützung ihrer Familie und der Expertise des Hör-sprachzentrums der Zieglerschen.
Will eine 15-jährige rund 60 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt zur Schule gehen? Für Schlichting keine Frage: „Auf einer Regelschule wäre es viel zu laut für mich. Ich brauch es eher ruhig“, wird die Neuntklässlerin der Leopoldschule Altshausen von den Zieglerschen zitiert. Sie trägt beidseitig „Cochlea Implantate“– kurz: CIS, die dem taub geborenen Mädchen eine Art Hören ermöglichen. „In der Schule haben wir Anlagen, mit denen ich meine CIS verbinden kann, die Lehrer tragen Sender. So kann ich alles besser verstehen“, erzählt die Jugendliche, die in Altshausen im Internat wohnt. An den Wochenenden und in den Ferien lebt sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Kirchdorf im Landkreis Biberach. Der Umzug ins Internat sei ihr anfangs schwergefallen, „aber so habe ich keine lange Busfahrt mehr“, berichtet sie. Als Grundschülerin sei sie täglich mehr als zwei Stunden zur Sprachheilschule der Zieglerschen nach Biberach und zurück gefahren. Mittlerweile habe sie sich gut in Altshausen eingelebt, genieße die gemeinsamen Unternehmungen im Internat, habe
Freunde aus verschiedenen Klassenstufen. Zu Hause in Kirchdorf ist Schlichting in der Ministrantengruppe, hilft laut Pressemitteilung gerne beim Kochen und Backen, arbeitet im Garten oder fährt Fahrrad. „Die Natur mag ich gerne“, erzählt die ruhige Jugendliche, die zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Pia und noch zwei älteren Geschwistern aufgewachsen ist. Als einzige nicht Hörende in der Familie sei es für sie manchmal eine Herausforderung:
„Wenn wir alle sechs an einem Tisch sitzen, ist es ganz schön laut, und ich kann Nebengeräusche nicht so gut ertragen“, berichtet Schlichting.
In der Leopoldschule finde die Citrägerin beste Lernbedingungen vor: Eine Lehrerin, die selbst gehörlos ist, macht mit ihr einen speziellen Förderunterricht und erklärt ihr Themen, die sie nicht so gut verstanden hat. Bei Problemen mit ihren CIS stünden zwei fachkundige Lehrer zur Verfügung, die die Technik wieder richtig einstellen könnten.
Für die Zukunft hat Schlichting einen Wunsch: „Ich würde gerne Erzieherin werden“, erzählt sie. Doch bei einer Berufswegekonferenz, bei der neben ihren Lehrerinnen und ihrer Mutter auch eine Beraterin vom Arbeitsamt und ein Experte von einer Berufsschule dabei waren, habe man ihr zu bedenken gegeben, dass das wegen des Lärmpegels in Kindergärten schwierig sei. Außerdem müsse Schlichting zum Beispiel in der Lage sein zu orten, woher ein Kind ruft – was mit den CIS nicht ohne Weiteres möglich sei. „Also muss ich nochmal nachdenken und ein paar Praktika machen“, wird Schlichting weiter zitiert. „Aber jetzt mach ich erst mal den Hauptschulabschluss, und vielleicht hänge ich dann für den Werkrealschulabschluss noch ein Jahr dran.“
Auf die Unterstützung ihrer Familie könne Schlichting immer zählen: „Wenn es dein Traum ist, verfolg ihn. Wir unterstützen dich“, habe Mutter Carola Schlichting zu ihrer Tochter gesagt, als diese ihren Berufswunsch äußerte. Auch wenn eine Kita vielleicht nicht die optimale Arbeitsumgebung für ihre Tochter sei, gebe es vielleicht eine Nische, zum Beispiel in einer Kinderkrippe, wo die Kinderpflege im Vordergrund stehe und die Gruppen kleiner seien, so Carola Schlichting.
Die Frage, welcher Weg für ihre Tochter wohl der richtige ist, begleitet die Familie seit der Geburt von
Klara und ihrer Zwillingsschwester. Pia kommt ohne Beeinträchtigung zur Welt, Klara ist taub. Die Einschätzung der Experten: Ein Hörgerät wird nicht reichen, die Eltern müssten entscheiden, ob sie Klara mit eineinhalb Jahren gleich Cochlea-implantate einsetzen oder sie taub lassen, bis sie groß genug ist, selbst zu entscheiden. Die Eltern entschieden sich für die OP. Danach trafen sie im Umfeld auf ein gängiges Missverständnis: „Alle haben gedacht: ‚Jetzt, wo sie operiert ist, kann sie doch hören!‘ Aber so ist das nicht“, stellt Carola Schlichting klar. Die CIS müssen genau eingestellt sein. Und um einem Gespräch gut folgen zu können, brauche ihre Tochter eine sogenannte Fm-anlage: der Sprechende trägt einen Sender, der den Ton auf Klara CIS überträgt.
„Als es Richtung Grundschule ging, waren wir kritisch, ob die Regelschule bei uns vor Ort das mit der Technik hinkriegt.“In der Sprachheilschule Biberach und danach an der Leopoldschule Altshausen fanden die Schlichtings laut Pressemitteilung das richtige Umfeld für Klara. „Wir haben ihr zehn Jahre lang den geschützten Rahmen bieten können, den sie brauchte. Vielleicht ist es jetzt Zeit, dass sie da rausgeht“, sagt Carola Schlichting. Natürlich würden sie sich weiterhin von Experten beraten lassen. Aber wenn Klara sich für einen anderen Weg entscheide, dann sage sie sich: „Warum nicht ausprobieren lassen?“
„Ich brauch es eher ruhig.“Klara Schlichting