„Bei einer Katastrophe muss jeder Handgriff sitzen“
Starkregen, Hangrutsch, kein Strom: THW und Bundeswehr bereiten sich am Hochgrat für den Ernstfall vor
- Tief gebeugt und mit einem schweren Koffer in der Hand läuft Rebecca Planinc aus dem Frachtraum eines Bundeswehrhubschraubers vor dem Hochgrat. Sie ist Helferin beim Technischen Hilfswerk (THW) Lindenberg und sagt: „Die ersten Schritte sind noch einfach, dann hast du das Gefühl, du fliegst gleich weg.“Es ist keine alltägliche Übung für die 45 Ehrenamtlichen. Vor der Oberstiegalpe bei Oberstaufen trainieren sie für den Ernstfall. Das Szenario: Unwetter, kein Strom, ein Hangrutsch und Menschen in Not.
„Es wird immer mehr solcher Katastrophen geben“, sagt Christian Straschek vom THW Lindenberg, der die Übung organisiert hat. Vier Jahre lang hat er diesen Testlauf gemeinsam mit dem Kreisverbindungskommando (KVK) der Bundeswehr
in Lindau und zahlreichen anderen Behörden geplant. Gerade dieser Sommer habe ihnen gezeigt, wie wichtig es ist, auf solche Situationen vorbereitet zu sein.
Thw-helfer Gunnar Straschek war wie 25 Kolleginnen und Kollegen aus Lindenberg bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal (Rheinlandpfalz) im Einsatz. Er sagt: „Da muss dann jeder Handgriff sitzen und man muss wissen, wer welche Aufgabe übernimmt.“Welche Wege gibt es? Woher bekommen die Einsatzkräfte Strom? Und wer kann in der Umgebung einen Hubschrauber stellen?
Drei Tonnen wiegen die Sandsäcke, die die Helferinnen und Helfer des THW in einer Kette aufgestellt über die Wiese vor der Oberstiegalpe tragen. Im Katastrophenfall soll so verhindert werden, dass ein Hang auf Wohnhäuser beispielsweise in einem Bergdorf oder Weiler abrutscht. Heute aber scheint die Sonne über dem Hochgrat – und trotzdem soll alles so realistisch wie möglich ablaufen.
Unter dem großen Bundeswehrhubschrauber baumelnd, brachten die Einsatzkräfte die Säcke auf den Berg. Übungsleiter Straschek erklärt: „Bei Starkregen und Hochwasser könnten wir die Straßen nicht mit unseren Fahrzeugen befahren.“Auch der schwere Anhänger, in dem sich ein Stromaggregat verbirgt, kam per Hubschrauber aus Lindenberg zur Alpe.
Es versorgt – wie im echten Katastrophenfall – den Berghof bei der Übung mit Strom. „Das ist Realität. Wenn ein Baum umstürzt, läuft auf der Alpe gar nichts mehr“, sagt Werner Hepp, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Oberstiegalpe.
Neugierige Wanderer und Hüttengäste beobachten das Spektakel. „In so einem Hubschrauber würde ich auch gerne einmal mitfliegen“, sagt der vierjährige Samu, der mit seiner Familie auf der Alpe Urlaub macht. Ein aufregender Tag für den Bub aus Tettnang. Doch auch für erfahrene Soldaten ist so ein Einsatz am Berg außergewöhnlich. Oberstleutnant Johannes Bischoff vom KVK sagt: „Im Katastrophenfall müssen wir sicher sein. Eine Landung auf unebenem Gelände ist auch für uns eine wertvolle Übung.“Zwölf Soldaten sind bei dem Testlauf mit zwei Hubschraubern des Bundeswehrstandorts Laupheim im Einsatz.
„Im Ernstfall ist es gut, Gesichter zu kennen. Mit dieser Übung bekommen wir auch einen Einblick in die Bundeswehrarbeit“, sagt Wolfgang Strahl, Ortsbeauftragter des THW Lindenberg. Seit sechs Uhr morgens sind die Ehrenamtlichen für die Übung auf den Beinen, die 26-jährige Helferin Planinc sagt: „Das lohnt sich. Wir lernen viel und es ist eine einmalige Erfahrung.“