„Die Moral endet nicht am Regal“
Ravensburg wird „Fairtrade-landkreis” – Was das genau bedeutet
- Wer will schon unfair handeln, wenn er Kaffee, Schokolade oder Bananen kauft? Der Landkreis Ravensburg achtet nun mehr darauf, woher die Produkte im Landratsamt, in den Schulen und in der Gastronomie kommen und ist deswegen vom Verein Transfair in der Zehntscheuer des Bauernhausmuseums Wolfegg als „Fairtrade-landkreis” ausgezeichnet worden. Trotzdem trinken noch lange nicht alle im Landratsamt fair gehandelten Kaffee.
92 Prozent der Deutschen kennen das Fairtrade-siegel. „Fairtrade” steht unter anderem für einen festen Mindestpreis für die Bauern und für das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit. Mit dem Kreistagsbeschluss zur Unterstützung des fairen Handels vom März 2019 erfüllt der Landkreis das erste von fünf Kriterien für die Auszeichnung. Der Beschluss bedeutet etwa, dass bei allen öffentlichen Sitzungen fair gehandelter Kaffee angeboten wird. Außerdem wurde eine Steuerungsgruppe aus den Bereichen Zivilgesellschaft,
Politik und Wirtschaft gebildet, deren Sprecherin die Klimaschutzmanagerin Kerstin Dold ist.
Für Kriterium Nummer drei müssen 39 Geschäfte und 20 Gastronomiebetriebe mindestens zwei faire Waren anbieten. Weiterhin müssen jeweils zwei Schulen, Vereine und Glaubensgemeinschaften faire Produkte
verwenden und ihre Mitglieder zum Thema fairer Handel informieren. Für das fünfte Kriterium muss der Landkreis mindestens vier Medienberichte über die Fairtradekampagnen nachweisen.
Innerhalb des Landkreises erhielten schon Amtzell, Wangen, Bad Waldsee, Aulendorf und die Stadt Ravensburg den Titel „Fair Trade
Town”, Ravensburg und Amtzell bereits Ende 2012. Alle zwei Jahre überprüft Transfair, ob die auch hier geltenden fünf Kriterien noch erfüllt werden, die je nach Einwohnerzahl unterschiedlich ausfallen. Kerstin Dold sieht die Rolle der Steuerungsgruppe vor allem darin, verschiedene Akteure des fairen Handels in der Region miteinander zu vernetzen.
Einen Überblick über jene Akteure kann man sich auf einer Karte auf der Internetseite des Landkreises verschaffen.
Sarah Schlumpberger, Lehrerin am Beruflichen Schulzentrum in Wangen, berichtete bei der Veranstaltung, wie viel Durchhaltevermögen es braucht, manche ihrer Kollegen von der Bedeutung des Themas fairer Handel im Unterricht zu überzeugen. Ozan Önder, Inhaber des Viktualienmarkts am Goetheplatz in Ravensburg, erzählte, wie er bei der Gründung seines Biomarkts auf Erspartes von Freunden zurückgreifen musste, da Banken die Businesspläne für schöngerechnet hielten. Nun laufe das Geschäft prächtig. Was ihn noch mehr freut: Mit seiner Ausrichtung auf fairen Handel und ökologische Landwirtschaft stiftet Önder andere an, selbst aktiv zu werden. Eine ehemalige Mitarbeiterin ist mittlerweile Paranussbäuerin in Paraguay.
Für Manfred Holz, der als Ehrenbotschafter von Transfair die Urkunde überreichte, steht fest: „Die Moral endet nicht am Regal”. Vor dem Landkreis Ravensburg hat der
Verein Transfair bereits 767 Städte, Landkreise und Regionen in Deutschland ausgezeichnet. Ravensburg ist immerhin der fünfte Landkreis in Baden-württemberg. Landrat Harald Sievers freut sich über die Auszeichnung. Und doch sei klar, dass es ein „Meilenstein in einem Prozess” ist.
Die Erfüllung der fünf Kriterien bedeutet zum Beispiel nicht, dass Mitarbeiter im Landratsamt nur noch fairen Zucker, Kakao oder Kaffee konsumieren. Die Kaffeeautomaten von Dallmayr wurden in zwei Standorten des Landratsamts auf Kaffee in Bio- und Fairtrade-qualität umgestellt. Eva Militz, die am Abend vor allem über fairen Handel in der Evangelischen Kirchengemeinde und der Stadt Bad Waldsee sprach, ist auch Integrationsbeauftragte im Landratsamt.
Zusätzlich zu den großen Kaffeeautomaten betreiben viele Büros eigenverantwortlich Kaffeemaschinen, meistens ohne Fairtrade-kaffee, so Militz. Sie würde sich wünschen, dass mehr Kollegen umsteigen. Zumal fairer Kaffee gerade einmal zwei Cent pro Tasse mehr koste.