In Leutkirch wohnen, in Stuttgart arbeiten
Homeoffice verschärft Situation am Immobilienmarkt
- Von einer Corona-krise ist auf dem Immobilienmarkt in und um Leutkirch nach wie vor nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Preise für Häuser und Wohnungen steigen weiter in rasantem Tempo an. Trotzdem ist die Nachfrage ungebremst und das Angebot überschaubar. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklären unter anderem Agathe Peter, Geschäftsführerin der „Volksbank Allgäu-oberschwaben Immobilien Gmbh“, sowie Michael Klotz, Immobilienberater bei der Kreissparkasse Ravensburg, mit welcher Entwicklung sie in den kommenden Monaten rechnen.
Seit vielen Jahren zählt die Gegend um Leutkirch zu den Zuzugsgebieten in Baden-württemberg. „Die Region hat einen hohen Freizeitwert und ist äußerst attraktiv“, ist sich Agathe Peter sicher. Gerade die hervorragende Infrastruktur – etwa die Nähe zur Autobahn 96 oder der Bahnhof – locke viele Menschen nach Leutkirch. Unterstützt werde der Zuzug nun auch noch durch die Corona-pandemie, ergänzt Vbaoregionalmarktdirektor Berthold Natterer. Weil in vielen Berufen die
Möglichkeiten zum Homeoffice drastisch gestiegen sind, muss sich der Wohnort häufig nicht mehr zwangsläufig in der Nähe des Arbeitsplatzes befinden. Beispiel: „Ich habe kürzlich mit einem Paar gesprochen, das in Leutkirch eine Immobilie sucht. Beide sind bei Bosch in Stuttgart angestellt und können viel von zu Hause aus arbeiten. Sie wollen dort wohnen, wo andere Urlaub machen“, erzählt Agathe Peter. Dieser Trend dazu, die Arbeits- und Lebenszeit lieber im Grünen zu verbringen, verbreite sich stark und treibt die Nachfrage nach Immobilien – somit auch deren Preise – zusätzlich nach oben.
Objekte, die auf den Markt kommen, sind in der Regel innerhalb kürzester Zeit vergeben. „Auf ein Angebot stürzen sich mindestens 30 Interessenten“, berichtet Michael Klotz von der Kreissparkasse (KSK). Während einer den Zuschlag erhält, geht der Großteil der Bewerber leer aus. Die sogenannte Interessentenkartei, in die sich potenzielle Käufer eintragen lassen können, umfasst bei der KSK derzeit mehr als 250 Personen. Ähnliche Erfahrungen haben auch die Experten bei der VBAO gemacht. In Aitrach setzt das Geldinstitut derzeit zum Beispiel ein Bauprojekt mit zwei Häusern – mit insgesamt 21 Wohnungen – um. Innerhalb kürzester Zeit seien alle verfügbaren Einheiten verkauft gewesen. „Das geht weg wie nichts“, bringt es Agathe Peter auf den Punkt. Ein weiteres größeres Bauprojekt setzt die Volksbank derzeit an der Leutkircher Brühlstraße um. Dort entsteht Wohnraum für neun Familien. Welche Objekte auf den Markt kommen, spielt nach Einschätzung von Michael Klotz eine untergeordnete Rolle: „Die Nachfrage ist immer hoch.“Wobei tendenziell zu beobachten sei, dass sich einige Familie – mit Blick auf die extrem hohen Baupreise – ihre Ansprüche verringern. „Jemand, der eigentlich ein Einfamilienhaus wollte, nimmt im Moment vielleicht lieber eine Doppelhaushälfte. Wer eine Doppelhaushälfte wollte, gibt sich möglicherweise mit einem Reihenhaus zufrieden.“Wie lange soll diese Entwicklung mit steigender Nachfrage und erhöhten Preisen noch weitergehen? „Es ist keine Kehrtwende in Sicht“, sagt Michael Klotz. Solange es weiterhin so viele Kaufinteressenten gibt, kommt keine Entspannung in den Markt, meint der Ksk-immobilienberater.
Auch Berthold Natterer rechnet damit, dass die Entwicklung erst einmal „so weitergeht“. Trotzdem ist er sich sicher, dass irgendwann eine „Deckelung“kommen wird. „Sie muss kommen“, konstatiert der Regionalmarktdirektor. Er meint damit einen Punkt, an dem die Preise nicht weiter steigen, sondern sich auf einem gewissen Niveau einpendeln. Denn: „Die Baupreise und die Kosten steigen viel stärker als die Gehälter.“Derzeit könnten viele junge Menschen eine Investition in eine Immobilie noch mit finanzieller Unterstützung aus der Familie realisieren.
In den kommenden Jahren werden in Leutkirch zahlreiche neue Wohngebäude entstehen – vor allem durch das Quartier Storchengärten und das Baugebiet Ströhlerweg. Aber auch in Diepoldshofen und Adrazhofen sind beispielsweise neue Häuser geplant. Ob das für eine Entspannung auf dem Immobilienmarkt sorgt, ist laut Michael Klotz derzeit nicht einfach einzuschätzen. Die letzten Baugebiete hätten jedenfalls keine große Entlastung gebracht. Agathe Peter ist derweil überzeugt, dass die hohe Nachfrage auch mit den vielen neuen Wohneinheiten auf dem Markt anhalten wird.
Wann es sinnvoll ist, trotz der aktuellen Situation in eine Immobilie zu investieren, hänge immer von der individuellen Ausgangs- und Lebenssituation ab. „Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus sind über klassische Geldanlagemöglichkeiten bei Banken kaum mehr Erträge zu erzielen und die Inflation auszugleichen“, so Natterer. Auch deshalb ist der Immobilienkauf attraktiv. Dieser müsse allerdings „gut überlegt sein und zur persönlichen Situation passen“, empfehlen die Vbao-vertreter. Helfen könne jedenfalls ein Gespräch mit einem Immobilienexperten.
Und auch Michael Klotz rät weiterhin zur Investition in das sogenannte „Betongold“. „Wenn das Eigenkapital und das Einkommen passt – warum nicht in eine Immobilie investieren?“