Schwäbische Zeitung (Wangen)

In Leutkirch wohnen, in Stuttgart arbeiten

Homeoffice verschärft Situation am Immobilien­markt

- Von Simon Nill

- Von einer Corona-krise ist auf dem Immobilien­markt in und um Leutkirch nach wie vor nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Preise für Häuser und Wohnungen steigen weiter in rasantem Tempo an. Trotzdem ist die Nachfrage ungebremst und das Angebot überschaub­ar. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklären unter anderem Agathe Peter, Geschäftsf­ührerin der „Volksbank Allgäu-oberschwab­en Immobilien Gmbh“, sowie Michael Klotz, Immobilien­berater bei der Kreisspark­asse Ravensburg, mit welcher Entwicklun­g sie in den kommenden Monaten rechnen.

Seit vielen Jahren zählt die Gegend um Leutkirch zu den Zuzugsgebi­eten in Baden-württember­g. „Die Region hat einen hohen Freizeitwe­rt und ist äußerst attraktiv“, ist sich Agathe Peter sicher. Gerade die hervorrage­nde Infrastruk­tur – etwa die Nähe zur Autobahn 96 oder der Bahnhof – locke viele Menschen nach Leutkirch. Unterstütz­t werde der Zuzug nun auch noch durch die Corona-pandemie, ergänzt Vbaoregion­almarktdir­ektor Berthold Natterer. Weil in vielen Berufen die

Möglichkei­ten zum Homeoffice drastisch gestiegen sind, muss sich der Wohnort häufig nicht mehr zwangsläuf­ig in der Nähe des Arbeitspla­tzes befinden. Beispiel: „Ich habe kürzlich mit einem Paar gesprochen, das in Leutkirch eine Immobilie sucht. Beide sind bei Bosch in Stuttgart angestellt und können viel von zu Hause aus arbeiten. Sie wollen dort wohnen, wo andere Urlaub machen“, erzählt Agathe Peter. Dieser Trend dazu, die Arbeits- und Lebenszeit lieber im Grünen zu verbringen, verbreite sich stark und treibt die Nachfrage nach Immobilien – somit auch deren Preise – zusätzlich nach oben.

Objekte, die auf den Markt kommen, sind in der Regel innerhalb kürzester Zeit vergeben. „Auf ein Angebot stürzen sich mindestens 30 Interessen­ten“, berichtet Michael Klotz von der Kreisspark­asse (KSK). Während einer den Zuschlag erhält, geht der Großteil der Bewerber leer aus. Die sogenannte Interessen­tenkartei, in die sich potenziell­e Käufer eintragen lassen können, umfasst bei der KSK derzeit mehr als 250 Personen. Ähnliche Erfahrunge­n haben auch die Experten bei der VBAO gemacht. In Aitrach setzt das Geldinstit­ut derzeit zum Beispiel ein Bauprojekt mit zwei Häusern – mit insgesamt 21 Wohnungen – um. Innerhalb kürzester Zeit seien alle verfügbare­n Einheiten verkauft gewesen. „Das geht weg wie nichts“, bringt es Agathe Peter auf den Punkt. Ein weiteres größeres Bauprojekt setzt die Volksbank derzeit an der Leutkirche­r Brühlstraß­e um. Dort entsteht Wohnraum für neun Familien. Welche Objekte auf den Markt kommen, spielt nach Einschätzu­ng von Michael Klotz eine untergeord­nete Rolle: „Die Nachfrage ist immer hoch.“Wobei tendenziel­l zu beobachten sei, dass sich einige Familie – mit Blick auf die extrem hohen Baupreise – ihre Ansprüche verringern. „Jemand, der eigentlich ein Einfamilie­nhaus wollte, nimmt im Moment vielleicht lieber eine Doppelhaus­hälfte. Wer eine Doppelhaus­hälfte wollte, gibt sich möglicherw­eise mit einem Reihenhaus zufrieden.“Wie lange soll diese Entwicklun­g mit steigender Nachfrage und erhöhten Preisen noch weitergehe­n? „Es ist keine Kehrtwende in Sicht“, sagt Michael Klotz. Solange es weiterhin so viele Kaufintere­ssenten gibt, kommt keine Entspannun­g in den Markt, meint der Ksk-immobilien­berater.

Auch Berthold Natterer rechnet damit, dass die Entwicklun­g erst einmal „so weitergeht“. Trotzdem ist er sich sicher, dass irgendwann eine „Deckelung“kommen wird. „Sie muss kommen“, konstatier­t der Regionalma­rktdirekto­r. Er meint damit einen Punkt, an dem die Preise nicht weiter steigen, sondern sich auf einem gewissen Niveau einpendeln. Denn: „Die Baupreise und die Kosten steigen viel stärker als die Gehälter.“Derzeit könnten viele junge Menschen eine Investitio­n in eine Immobilie noch mit finanziell­er Unterstütz­ung aus der Familie realisiere­n.

In den kommenden Jahren werden in Leutkirch zahlreiche neue Wohngebäud­e entstehen – vor allem durch das Quartier Storchengä­rten und das Baugebiet Ströhlerwe­g. Aber auch in Diepoldsho­fen und Adrazhofen sind beispielsw­eise neue Häuser geplant. Ob das für eine Entspannun­g auf dem Immobilien­markt sorgt, ist laut Michael Klotz derzeit nicht einfach einzuschät­zen. Die letzten Baugebiete hätten jedenfalls keine große Entlastung gebracht. Agathe Peter ist derweil überzeugt, dass die hohe Nachfrage auch mit den vielen neuen Wohneinhei­ten auf dem Markt anhalten wird.

Wann es sinnvoll ist, trotz der aktuellen Situation in eine Immobilie zu investiere­n, hänge immer von der individuel­len Ausgangs- und Lebenssitu­ation ab. „Aufgrund des niedrigen Zinsniveau­s sind über klassische Geldanlage­möglichkei­ten bei Banken kaum mehr Erträge zu erzielen und die Inflation auszugleic­hen“, so Natterer. Auch deshalb ist der Immobilien­kauf attraktiv. Dieser müsse allerdings „gut überlegt sein und zur persönlich­en Situation passen“, empfehlen die Vbao-vertreter. Helfen könne jedenfalls ein Gespräch mit einem Immobilien­experten.

Und auch Michael Klotz rät weiterhin zur Investitio­n in das sogenannte „Betongold“. „Wenn das Eigenkapit­al und das Einkommen passt – warum nicht in eine Immobilie investiere­n?“

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JENS BÜTTNER/DPA FOTO: Die Nachfrage nach dem Eigenheim ist in Leutkirch weiter ungebroche­n.

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