Epplingser Bach wird zum reißenden Fluss
Starker Regen am Donnerstag verursacht ein außergewöhnliches Hochwasser, das unerwartet schnell kommt
- Nach den starken Regenfällen den gesamten Donnerstag über gab es im gesamten Wangener Stadtgebiet bis in die Nacht auf Freitag Überflutungen und vollgelaufene Keller. Doch diesmal war das Hochwasser anders als gewohnt und kam unerwartet und schnell. Im Mittelpunkt stand dabei aber nicht wie so oft die Obere Argen, sondern überraschenderweise der vergleichsweise kleine, eher harmlose Epplingser Bach. Er entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem reißenden Gewässer und richtete in der unteren Siedlung enormen Schaden an. Eine Bestandsaufnahme.
Warum stiegen die Wasserpegel so extrem schnell?
„Das war ein Extremanstieg“, sagt Manfred Wolfrum, Wetterexperte der Feuerwehr Wangen. Die Wiesen seien am Donnerstagnachmittag bereits vollgesogen gewesen, der Niederschlag daraufhin direkt in die Argen und in kleinere Bäche abgeflossen. Dies sei der Grund, weshalb der Anstieg so schnell gegangen ist. „Das war nicht von Pappe“, sagt Wolfrum. Knapp 2,50 Meter Höchststand in der Argen wurden in der Zeit vor Mitternacht erreicht. Nur wenige Stunden zuvor zeigte der Pegel noch ein Maß von 40 bis 50 Zentimetern. Ab 18 Uhr ging die Pegelkurve steil, ja geradezu senkrecht, nach oben.
„Noch ein bisschen steiler war die Kurve lediglich beim Pfingsthochwasser 1999“, so Wolfrum. Damals habe es an vier Tagen nacheinander jeweils 40 bis 50 Liter geregnet: „Jetzt war es ähnlich. Die Wiesen sind voll. Es kann nichts mehr versickern.“Seiner Einschätzung nach hätte es bei gleichbleibendem Regen noch etwa eineinhalb Stunden gedauert, bis auch die Altstadt betroffen gewesen wäre. Allerdings ließen die Regenfälle rechtzeitig nach. Im Laufe des Donnerstags fielen in Wangen laut Wolfrum knapp 70 Liter je Quadratmeter. Einen solch rasanten Anstieg der Pegel wie am Donnerstag hat auch Christoph Bock bislang nicht erlebt. „Das war ein ganz komisches Verhalten der Argen, entgegen aller Vorhersagen“, so der Wangener Feuerwehrkommandant. „Wenn es so weiter gegangen wäre, wären wir schnell bei 3,50 Meter gewesen.“Er vermutet als Ursache ebenfalls den starken Regen im Umland und die gesättigten Böden.
Warum war die untere Epplingser Siedlung am stärksten betroffen?
„Den Bereich Epplings traf es am Abend besonders hart“, berichtet Achim Reißner, Sprecher der Wangener Feuerwehr. „Der ansonsten beschauliche Epplingser Bach trat über die Ufer und flutete Teile der unteren Siedlung.“Ursache dafür sei wohl auch Treibgut gewesen, das sich in Brücken verkeilt hatte und den Bach deshalb noch stärker anschwellen ließ. Und so suchte sich der Bach seitlich einen Ausweg aus seinem gemauerten Bett und flutete dabei nicht nur eine anliegende Wiese, sondern auch Teile des Wohngebiets. Fotos von breiten Schlammtrassen am Tag danach zeigen die Strömungsrichtung der ausbrechenden Wassermassen.
Als Christoph Bock am Donnerstagabend mit der Feuerwehr eintraf, lief der Bach bereits durch die Häuserreihen und flutete die Keller. Mit einem Bagger habe man versucht, die vermeintlich mit Treibgut verstopfte Dole wieder freizugraben. „Doch da war nichts“, so der Kommandant. „Es war einfach für die Kürze der Zeit viel zu viel Wasser, das da den Berg runter kam.“
Welche Schäden hat der Epplingser Bach angerichtet?
Durch den Starkregen wurden mehrere Gebäude und Gärten teilweise erheblich beschädigt, berichtet Feuerwehrsprecher Reißner. Und Bock spricht von insgesamt 17 Kellern, die allein in der unteren Siedlung vollliefen. Ein Brücke nahe der Kernstadt wurde so stark beschädigt, dass es sie laut Augenzeugen mitgerissen hat. Das dortige Heizwerk lief ebenfalls voll, konnte von der Feuerwehr aber wohl gerettet werden. „Die Türen haben viel Wasser abgehalten“, berichtet Bock.
Was berichten Anwohner vom Epplingser Bach?
Mit am stärksten getroffen hat es die Familie Fuchs vom gleichnamigen Transportunternehmen in Epplings. In zwei der Familie gehörenden Häusern ist der Strom ausgefallen, die Heizung stand unter Wasser. „Wir wissen noch nicht, ob sie Schaden genommen hat“, sagte Daniela Fuchs am Freitagvormittag zur „Schwäbischen Zeitung“.
Vom Hochwasser seien sie „total überrascht“worden: „Wir sind nicht davon ausgegangen, dass der Epplingser Bach austritt. Doch dann schoss es durch das Gefälle der Straße durch den Hof und durch den Garten.“Auch die Halle wurde geflutet. Dort sind vermutlich die dort aufgestellten Schränke nicht mehr brauchbar. Die Brücke zwischen den Gebäuden Epplings 5 und 11, die Wolfaz und Epplings verbindet, habe es weggeschwemmt. Fuchs: „Wir haben es noch knacksen gehört.“
Was hat der Starkregen noch im Wangener Stadtgebiet angerichtet?
Neben dem Epplingser hat auch der Oflingser Bach „gewütet“. Das Ergebnis: Die Eisbahn an der Stefanshöhe und Teile des Freibads wurden ebenfalls überflutet, der gesamte Bereich ist mit Schlamm bedeckt, wie Markus Dodek vom Förderverein berichtet.
Die Zamboni-garage sei voll mit Schlamm und Schutt, der Platz sei vollständig überspült und ebenso mit Schlamm und Schutt bedeckt. Schäden habe es auch im Kassenraum, im Schlittschuhverleih und in den Umkleiden gegeben. Christoph Bock ergänzt, dass zwischen Zurwies und Deuchelried auch ein Stück der Straße weggerissen wurde. Die Ursache bleibe die gleiche: „Zu viel Wasser in zu kurzer Zeit.“
„An so einen extremen Anstieg kann ich mich nicht erinnern“, berichtet Maximilian Bernhard, Chef des gleichnamigen Holzindustriewerks in Hiltensweiler, das von Überschwemmungen regelmäßig heimgesucht wird.
Auf dem „kurzen Dienstweg“habe man am Donnerstagabend beim Bauhof Sandsäcke organisiert und sich um den betriebsinternen Hofschutz gekümmert. „Die Mitarbeiter sind gekommen und haben mitgeholfen“, freute sich Bernhard und spricht angesichts des schnell steigenden Pegelstandes von „wieder einer neuen Erfahrung“: „Dennoch haben wir Glück gehabt. Das war echt abartig. Gott sei Dank ging die Argen auch wieder rechtzeitig und schnell zurück.“Im Privathaus sei zwar der Keller geflutet worden, dort sind die Bernhards allerdings mit Pumpen eingerichtet. Gleich am Freitagmorgen hat Maximilian Bernhard zwei Notstromaggregate bestellt: „Ich habe gelernt, dass wir unseren privaten Schutz auf alle Fälle verfeinern müssen. Und ohne Strom geht einfach nichts.“Bernhards Fazit: „Noch einmal alles gut gegangen.“
Vollgelaufene Keller hat es in der Kernstadt, aber auch in Neuravensburg, Leupolz, Karsee und Deuchelried gegeben. Bock berichtet zudem vom vollen Rückhaltebecken an der Mülldeponie bei Obermooweiler.
Wie lief die Nacht für die Wangener Einsatzkräfte?
Bereits am Donnerstagabend hatte die Feuerwehr 65 Einsatzaufträge, 130 Mann waren im Einsatz. „Alles, was im Stadtgebiet zur Verfügung stand“, so Bock. Vor Mitternacht, als sich die Lage in Epplings entspannte und die Hälfte der Aufträge abgearbeitet war, lag dann das Hauptaugenmerk auf dem Argen-pegel. Nachdem die Prognosen über den Tag hinweg zwar steigendes Wasser vorausgesagt hatten, kletterte der Stand rasant am späten Abend über das vorausgesagte Maß hinaus deutlich an. Gegen Mitternacht lag er bei knapp 2,50 Metern. Deshalb trat kurz zuvor vorsorglich der Hochwasserstab von Stadt und Einsatzkräften im Feuerwehrhaus am Südring zusammen, um erste Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Unter anderem wurde der Fußgängersteg über die Argen nahe der Altstadt hochgefahren. Kurz nach Mitternacht sah es dann aber nicht mehr nach einer akuten Hochwassergefahr für Wangen aus, da bereits am späten Abend der Starkregen aufgehört hatte und auch die Niederschlagsprognosen für den Freitag und das Wochenende günstiger sind. Am Freitagmorgen bestätigte sich diese Lage-einschätzung bei Tageslicht. In Epplings hatte sich der Bach wieder in sein gemauertes Bett zurückgezogen und lag trotz hoher Fließgeschwindigkeit weit unter der Uferkrone, die er in der Nacht überwunden hatte. In der Wangener Innenstadt konnte auf die Ausgabe der Sandsäcke an der zur Argen grenzenden Stadtmauer verzichtet werden. Nur am Argenwehr war noch die Gewalt der Wassermassen zu sehen, doch lag der Fluss deutlich unter der besorgniserregenden Marke für etwaigen Hochwasseralarm.
Neben Feuerwehr und Polizei waren auch DRK, THW und die DLRG im Einsatz. Als Vertreter des Hochwasser-stabes der Stadt Wangen war Drk-bereitschaftsleiter Tim Haug im Einsatz. Darüber hinaus sorgten zwei Drk-helfer im Epplings für die Verpflegung der Feuerwehrkräfte. Aus anderen Orten der Region gab es keine Anfragen an das DRK, sagt Haug.
Wie war das Wangener Umland vom Starkregen betroffen?
Viele der insgesamt 25 Einsätze hatte die Feuerwehr Argenbühl in der Siedlung Freie Bauernstraße Eglofs und in Eglofstal. Laut Feuerwehrkommandant Arnold Netzer ging es dabei überwiegend um vollgelaufene Grundstücke und Keller. Daneben unterstützte die Argenbühler Feuerwehr auch die Wangener Kollegen bei deren Einsatz in Epplings. „Es waren alle Argenbühler Feuerwehren mit allen Fahrzeugen im Einsatz“, so Netzer – und wies gleichzeitig auf eine lokale Besonderheit hin: „Im nördlichen Gemeindegebiet Argenbühl war gar nichts.“
„Keine Schäden“vermeldete Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher. Die Kißlegger Feuerwehr hatte aber einen Einsatz in Immenried, wo es neben überfluteten Wiesen auch Bankette ausspülte, die für entsprechende Hinterlassenschaften im Ort sorgten. Krattenmacher: „Wieder einmal Glück gehabt. Alles ist glimpflich ausgegangen. Außer einem großen Kehraufwand hatte unsere Feuerwehr keine Einsätze.“„Wir hatten drei Einsätze“, sagt Amtzells Feuerwehrkommandant Martin Weber. Bei zweien waren geflutete Keller der Hintergrund. Darüber hinaus kontrolliert die Feuerwehr Amtzell regelmäßig neuralgische Punkte wie den Voglerischen Weiher bei der Hammerschmiede an der Waldburger Straße. „Dort wurde Wasser abgepumpt, damit es nicht in die Schmiede läuft“, sagt Weber.
Und wie sind die Prognosen für die nächsten Tage?
Die Niederschlagsprognosen für das Wochenende sehen weitaus günstiger aus, der Großteil des Regens ist für Samstag vorhergesagt. Also Entwarnung? „Nach dem rasanten Anstieg vom Donnerstag wage ich überhaupt keine Prognose mehr“, sagt Kommandant Christoph Bock. „Aber es schaut so aus, als ob es besser wird.“
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