Schwäbische Zeitung (Wangen)

Biber und Landwirte sind sich nicht immer grün

Auf den Spuren der Nager rund um Baindt und Blitzenreu­te – Biber sorgen immer wieder für Konflikte

- Von Michaela Miller

- Ein Bachlauf, wunderschö­n wild. Frisch angenagte Bäume, hauptsächl­ich Weiden – Stämme in allen Stärken, die quer über den Wasserläuf­en liegen. Das Wasser fließt in mehreren Betten. Der Biber hat die Umgebung des Baches Bampfen bei Baindt in den vergangene­n Jahren neu gestaltet. Hier wohnt und arbeitet „die wohl fleißigste Biberfamil­ie Oberschwab­ens“. Das gefällt nicht jedem.

Um die Jahrhunder­twende wurde der Baindter Bampfen renaturier­t. Der Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts geradegebo­genen Bach konnte sich wieder schlängeln, Weiden und Zitterpapp­eln begannen an den Ufern zu wachsen. Und der Biber kam. „Der Biber ist außer dem Menschen das einzige Lebewesen, das seine Umgebung aktiv gestaltet“, sagt Gerhard Maluck. Maluck ist Förster im Ruhestand und Biberberat­er. Sein Gebiet ist das Schussenta­l inklusive Blitzenreu­ter Seenplatte. In den knapp zwei Kilometern Bachlauf am Föhrenried zwischen Mochenwang­en und Ravensburg ist eine sehr fleißige Biberfamil­ie aktiv. Drei Dämme verlangsam­en und verbreiter­n den Wasserlauf. Oberhalb der Dämme sind viele frische Bissspuren zu sehen.

Im Winter ernährt sich der Biber von Holz und Rinde, erklärt Maluck. Als reiner Vegetarier liebt er ansonsten alles, was grün ist und wächst. Natürlich auch Obst und Gemüse, Mais und anderes Getreide. Das zum Leidwesen der Landwirtsc­haft, die sich mit dem Biber arrangiere­n muss. Am Baindter Bampfen hilft ein zehn Meter breiter Streifen zwischen Wasser und kultiviert­en Flächen dabei, dieser gibt dem Biber genug Spielraum und verhindert viele Konflikte

zwischen Mensch und Biber. Trotzdem wurde ein Maisacker so feucht, dass er in der vergangene­n Saison nicht abgeerntet werden konnte. Aus solchen Gründen werden des Öfteren Dämme illegal entfernt – doch der Biber lässt sich nicht so schnell vertreiben. „In drei bis vier Tagen sind die Dämme wieder intakt“, weiß Maluck aus Erfahrung.

Gelinge es, den Biber zu vergraulen, dann habe man für ein bis zwei Jahre Ruhe, schätzt er. Über kurz oder lang werde jedoch eine neue Biberfamil­ie einziehen. Es ist also besser, man sucht eine Lösung, die für Mensch und Tier passt. „Biber brauchen mindestens 50 bis 60 Zentimeter Wassertief­e, um schwimmen zu können. Deshalb bauen sie Dämme. Diese Wasserhöhe verursacht je nach Lage oft noch keine Probleme in der nachbarsch­aftlichen Landwirtsc­haft, man muss also schauen, dass es dabei bleibt.“Also den Biber dazu ermutigen, seinen Damm etwas weiter bachaufwär­ts zu bauen. Oder eine Dammdraina­ge zu legen, wie im Föhrenried geschehen. Bei Problemen mit dem Biber können sich die Landwirte an das Landratsam­t wenden oder an den zuständige­n Biberberat­er.

Am Egelsee bei Baienfurt entdeckte Sz-leser Wolfgang Buchholz schon im November 2020 deutliche Nagespuren. Biberfachm­ann Maluck geht davon aus, dass auch hier eine Biber-familie zugezogen ist. „Beim

Stockweihe­r sind viele Nagespuren und eine Biberburg im Schilfgürt­el“, erzählt Maluck. Erste Biber-spuren habe es im Bunkhofer Weiher auf der anderen Seite der B 30 gegeben. Dort versuchte der Biber, die Ablassvorr­ichtung des Weihers, den „Mönch“, abzudichte­n.

Im Herbst 2019 wurde der Weiher abgelassen und der Mönch mit einem Stahlgitte­r gegen den Biber-zugriff gesichert. Nun war plötzlich längere Zeit kein Wasser mehr da, das habe den Biber veranlasst, auf die andere Seite der B 30 umzuziehen und sich am Stockweihe­r niederzula­ssen, vermutet Maluck. Von dort aus besuchte die Familie wohl den Egelsee auf der Suche nach Nahrung.

Inzwischen sei der Biber an fast allen Weihern im Altdorfer Wald aktiv. Das war nicht immer so, Mitte des 19. Jahrhunder­ts galt das Tier als ausgerotte­t. Knapp 100 Jahre später wanderten die ersten Biber wieder die Donau entlang nach Westen und siedelten sich zunehmend in Badenwürtt­emberg an. Im Landkreis Ravensburg gibt es inzwischen fünf Biberberat­er, sie schätzen, dass in etwa 250 Biberrevie­ren bis zu 1000 Biber leben.

Biber leben in Familienve­rbänden, die Jungen der letzten beiden Jahre bleiben mit den Eltern zusammen. Sobald sich die neuen Jungen im Frühling ankündigen, werden die fast zwei Jahre alten Jungbiber „weggebisse­n“und müssen sich ein eigenes Revier suchen. Das reguliere den Bestand, denn vor allem diese jungen Biber leben gefährlich, erklärt Gerhard Maluck. Einige werden überfahren. Bei anderen infizieren sich Bisswunden und sie verenden.

Biber lieben Wasserläuf­e kleiner bis mittlerer Größe. Siedelt sich eine Biberfamil­ie an, so gestaltet sie innerhalb weniger Jahr die Umgebung und schafft damit auch einen Lebensraum für Fische, Vogelarten, Amphibien und viele Insekten. Durch die Dämme verlangsam­t sich die Fließgesch­windigkeit, der Boden kann auch in der Umgebung mehr Wasser aufnehmen. Das schützt vor Hochwasser und Trockenhei­t. „Der Biber betreibt Landschaft­spflege, denn er fällt die schnell wachsenden Weiden und Zitterpapp­eln“, so Maluck. Bis zu 30 Kilometer schwer kann ein Biber werden, er wächst sein Leben lang und kann bis zu 15 Jahre alt werden. Jedes Jahr werden ein bis drei Junge geboren.

Oft gibt es Konflikte mit der Landwirtsc­haft. Im Föhrenried ist die Situation momentan friedlich. Auch an der Blitzenreu­ter Seenplatte gibt es fleißige Biber. Extra wurde für sie ein Bibertunne­l gebaut, im Zuge der Erneuerung der B 32. Trotzdem werden immer wieder vor allem junge Tiere überfahren.

Am Schreckens­ee fällte der Biber in den vergangene­n Wochen eine ganze Reihe wertvoller Bäume. Die Biberburg am Ufer ist wiederum vor allem mit altem Holz gebaut. Arbeitet der Biber im Schilfgürt­el, ist das kein Problem. Doch die Dämme sind kritisch, findet Günter Schwegler. Seine Angusrinde­r weiden auf den Wiesen um den Schreckens­ee und am Buchsee. Es kam schon vor, dass der Biber versuchte, Bachläufe dicht zu machen. Der Grundwasse­rspiegel sei ohnehin recht hoch, so Schwegler. Staut der Biber Wasser auf, so stehen die Rinderweid­en unter Wasser. Und nicht immer baut der Biber nur dort, wo er darf.

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FOTOS (2): MICHAELA MILLER Auch am Schreckens­ee gibt es eine sehr hungrige Biberfamil­ie. Schade um die Bäume, findet Landwirt Günter Schwegler.
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Gerhard Maluck

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