Biber und Landwirte sind sich nicht immer grün
Auf den Spuren der Nager rund um Baindt und Blitzenreute – Biber sorgen immer wieder für Konflikte
- Ein Bachlauf, wunderschön wild. Frisch angenagte Bäume, hauptsächlich Weiden – Stämme in allen Stärken, die quer über den Wasserläufen liegen. Das Wasser fließt in mehreren Betten. Der Biber hat die Umgebung des Baches Bampfen bei Baindt in den vergangenen Jahren neu gestaltet. Hier wohnt und arbeitet „die wohl fleißigste Biberfamilie Oberschwabens“. Das gefällt nicht jedem.
Um die Jahrhundertwende wurde der Baindter Bampfen renaturiert. Der Mitte des vergangenen Jahrhunderts geradegebogenen Bach konnte sich wieder schlängeln, Weiden und Zitterpappeln begannen an den Ufern zu wachsen. Und der Biber kam. „Der Biber ist außer dem Menschen das einzige Lebewesen, das seine Umgebung aktiv gestaltet“, sagt Gerhard Maluck. Maluck ist Förster im Ruhestand und Biberberater. Sein Gebiet ist das Schussental inklusive Blitzenreuter Seenplatte. In den knapp zwei Kilometern Bachlauf am Föhrenried zwischen Mochenwangen und Ravensburg ist eine sehr fleißige Biberfamilie aktiv. Drei Dämme verlangsamen und verbreitern den Wasserlauf. Oberhalb der Dämme sind viele frische Bissspuren zu sehen.
Im Winter ernährt sich der Biber von Holz und Rinde, erklärt Maluck. Als reiner Vegetarier liebt er ansonsten alles, was grün ist und wächst. Natürlich auch Obst und Gemüse, Mais und anderes Getreide. Das zum Leidwesen der Landwirtschaft, die sich mit dem Biber arrangieren muss. Am Baindter Bampfen hilft ein zehn Meter breiter Streifen zwischen Wasser und kultivierten Flächen dabei, dieser gibt dem Biber genug Spielraum und verhindert viele Konflikte
zwischen Mensch und Biber. Trotzdem wurde ein Maisacker so feucht, dass er in der vergangenen Saison nicht abgeerntet werden konnte. Aus solchen Gründen werden des Öfteren Dämme illegal entfernt – doch der Biber lässt sich nicht so schnell vertreiben. „In drei bis vier Tagen sind die Dämme wieder intakt“, weiß Maluck aus Erfahrung.
Gelinge es, den Biber zu vergraulen, dann habe man für ein bis zwei Jahre Ruhe, schätzt er. Über kurz oder lang werde jedoch eine neue Biberfamilie einziehen. Es ist also besser, man sucht eine Lösung, die für Mensch und Tier passt. „Biber brauchen mindestens 50 bis 60 Zentimeter Wassertiefe, um schwimmen zu können. Deshalb bauen sie Dämme. Diese Wasserhöhe verursacht je nach Lage oft noch keine Probleme in der nachbarschaftlichen Landwirtschaft, man muss also schauen, dass es dabei bleibt.“Also den Biber dazu ermutigen, seinen Damm etwas weiter bachaufwärts zu bauen. Oder eine Dammdrainage zu legen, wie im Föhrenried geschehen. Bei Problemen mit dem Biber können sich die Landwirte an das Landratsamt wenden oder an den zuständigen Biberberater.
Am Egelsee bei Baienfurt entdeckte Sz-leser Wolfgang Buchholz schon im November 2020 deutliche Nagespuren. Biberfachmann Maluck geht davon aus, dass auch hier eine Biber-familie zugezogen ist. „Beim
Stockweiher sind viele Nagespuren und eine Biberburg im Schilfgürtel“, erzählt Maluck. Erste Biber-spuren habe es im Bunkhofer Weiher auf der anderen Seite der B 30 gegeben. Dort versuchte der Biber, die Ablassvorrichtung des Weihers, den „Mönch“, abzudichten.
Im Herbst 2019 wurde der Weiher abgelassen und der Mönch mit einem Stahlgitter gegen den Biber-zugriff gesichert. Nun war plötzlich längere Zeit kein Wasser mehr da, das habe den Biber veranlasst, auf die andere Seite der B 30 umzuziehen und sich am Stockweiher niederzulassen, vermutet Maluck. Von dort aus besuchte die Familie wohl den Egelsee auf der Suche nach Nahrung.
Inzwischen sei der Biber an fast allen Weihern im Altdorfer Wald aktiv. Das war nicht immer so, Mitte des 19. Jahrhunderts galt das Tier als ausgerottet. Knapp 100 Jahre später wanderten die ersten Biber wieder die Donau entlang nach Westen und siedelten sich zunehmend in Badenwürttemberg an. Im Landkreis Ravensburg gibt es inzwischen fünf Biberberater, sie schätzen, dass in etwa 250 Biberrevieren bis zu 1000 Biber leben.
Biber leben in Familienverbänden, die Jungen der letzten beiden Jahre bleiben mit den Eltern zusammen. Sobald sich die neuen Jungen im Frühling ankündigen, werden die fast zwei Jahre alten Jungbiber „weggebissen“und müssen sich ein eigenes Revier suchen. Das reguliere den Bestand, denn vor allem diese jungen Biber leben gefährlich, erklärt Gerhard Maluck. Einige werden überfahren. Bei anderen infizieren sich Bisswunden und sie verenden.
Biber lieben Wasserläufe kleiner bis mittlerer Größe. Siedelt sich eine Biberfamilie an, so gestaltet sie innerhalb weniger Jahr die Umgebung und schafft damit auch einen Lebensraum für Fische, Vogelarten, Amphibien und viele Insekten. Durch die Dämme verlangsamt sich die Fließgeschwindigkeit, der Boden kann auch in der Umgebung mehr Wasser aufnehmen. Das schützt vor Hochwasser und Trockenheit. „Der Biber betreibt Landschaftspflege, denn er fällt die schnell wachsenden Weiden und Zitterpappeln“, so Maluck. Bis zu 30 Kilometer schwer kann ein Biber werden, er wächst sein Leben lang und kann bis zu 15 Jahre alt werden. Jedes Jahr werden ein bis drei Junge geboren.
Oft gibt es Konflikte mit der Landwirtschaft. Im Föhrenried ist die Situation momentan friedlich. Auch an der Blitzenreuter Seenplatte gibt es fleißige Biber. Extra wurde für sie ein Bibertunnel gebaut, im Zuge der Erneuerung der B 32. Trotzdem werden immer wieder vor allem junge Tiere überfahren.
Am Schreckensee fällte der Biber in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe wertvoller Bäume. Die Biberburg am Ufer ist wiederum vor allem mit altem Holz gebaut. Arbeitet der Biber im Schilfgürtel, ist das kein Problem. Doch die Dämme sind kritisch, findet Günter Schwegler. Seine Angusrinder weiden auf den Wiesen um den Schreckensee und am Buchsee. Es kam schon vor, dass der Biber versuchte, Bachläufe dicht zu machen. Der Grundwasserspiegel sei ohnehin recht hoch, so Schwegler. Staut der Biber Wasser auf, so stehen die Rinderweiden unter Wasser. Und nicht immer baut der Biber nur dort, wo er darf.