Keine Kompromisse mehr
Zum 100. von Kroos und zum 50. von Kimmich hofft der DFB auf siegreiches Geisterspiel
KÖLN (SID/dpa) - Joachim Löw macht in seinem 15. Amtsjahr keine Kompromisse mehr. „Wenn jemand sagt, der Löw sei arrogant oder dünnhäutig, dann ist das eben so“, sagte der Bundestrainer vor dem wichtigen Nations-League-Spiel – ohne Zuschauer – gegen die Schweiz, dabei hob er beide Hände und zuckte mit den Schultern: „Es gibt viele Meinungen in Deutschland. Wir haben einen Plan, den wir durchziehen.“
Für Dienstag (20.45 Uhr/ARD) steht der Drei-Punkte-Plan: Noch 90 Minuten den Schmerz niederkämpfen, irgendwie gewinnen und die vielen Kritiker widerlegen. Nach dem ermüdenden Köln-Kiew-Köln-Trip verlangt der Weltmeistertrainer von seiner Mannschaft höchste Aufmerksamkeit und Leidensbereitschaft, von seiner Linie will er keinesfalls abweichen. „Ich erwarte Konzentration, Präzision, Mut und diesmal auch die richtigen offensiven Akzente“, forderte der 60-Jährige. Mit weiteren drei Punkten wären nach dem zähen 2:1 in der Ukraine die größten Sorgen vertrieben. Der Abstieg wäre bereits verhindert.
Ein Fixpunkt im Spiel wird wie so häufig seit März 2010 Toni Kroos sein. „Er ist ein Spieler, der Weltklasse darstellt. Selbst vor dem WM-Finale war er die Ruhe in Person, er übernimmt immer Verantwortung“, lobte Löw. Fast niemand im Kader kann sich seiner Nominierung derart sicher sein wie die Passmaschine von Real Madrid: „Wenn Jogi sich nicht meldet, reise ich auch an.“Auch wenn Kroos nicht der Typ ist, der auf dem Platz zu Gefühlsausbrüchen neigt, hätte sich der 30-Jährige zum 100. Länderspiel ein volles
Kölner Stadion gewünscht. Doch statt 50 000 dürfen wegen zu hoher Corona-Zahlen in der Domstadt keine Zuschauer ins Stadion. Wie der DFB am Montagnachmittag mitteilte, habe das Kölner Gesundheitsamt in Absprache mit dem Land Nordrhein-Westfalen dem Verband „erneut untersagen müssen, Zuschauer zuzulassen“. Was auch den zweiten Jubilar ärgern wird: Bayern-Profi
Joshua Kimmich (25), seit zwei Jahren der feste Mittelfeld-Kompagnon von Kroos, soll zum 50. Mal für Deutschland auflaufen.
„Man hat sich schon an die ganzen Umstände gewöhnt“, sagte Kroos jüngst zu den Einschränkungen und Herausforderungen, die das Leben mit dem Virus mit sich bringt. Der Aufstieg als 15. Spieler in den elitären Club der Hunderter, der von Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus (150 Länderspiele) angeführt wird, ist auch für Kroos eine besondere Wegmarke in seiner Karriere. „Das hat bestimmt eine Bedeutung“, sagte er – mit dem Kroos-typischen Nachsatz: „Ich hoffe, dass es erfolgreich wird. Sonst kann ich mir nichts dafür kaufen.“Das Hundertste ist für ihn nicht Endpunkt, sondern Durchgangsstation. Kroos zählt eher nicht die Spiele, sondern Erfolge und Titelgewinne. Und da fehlt dem Weltmeister von 2014 und viermaligem Gewinner der Champions League mit dem FC Bayern (2013) und Real Madrid (2016-2018) noch etwas. „Das Hauptziel ist die Europameisterschaft“, sagte er zur Spielzeit 2020/ 21. Den EM-Titel hat er noch nicht.
Gegen die Schweiz wird Löw sich treu bleiben. Er dozierte am Montag lange über die Grundprinzipien der Dreier- und Viererkette, seine Elf soll beide Systeme flexibel beherrschen.
Die Prämisse: „Es ist wichtig, dass sich die Mannschaft einspielt“, betonte der Bundestrainer. Drei Wechsel sind gegen die laut Löw „frechen und mutigen“Schweizer jedoch möglich: Timo Werner könnte statt Julian Draxler (Achillessehnenprobleme) beginnen, Robin Gosens links im Mittelfeld Marcel Halstenberg (Adduktoren) ersetzen. Für Lukas Klostermann (Knieschmerzen) steht Emre Can bereit. Wichtiger als Umstellungen wären gewisse Veränderungen im Kopf. „Wir wissen, dass wir nicht die Sterne vom Himmel gespielt haben“, sagte Matthias Ginter einsichtig, „so einfache Fehler in der Häufigkeit – das kommt bei einer deutschen Nationalmannschaft selten vor.“Und nicht gut an.
„Das Hauptziel ist die Europameisterschaft.“Das Ziel von Toni Kroos ist klar