Führungsbeben in der Krise
Machtkampf beim Hamburger SV ist entschieden: Hoffmann geht, Jansen übernimmt
HAMBURG (dpa) - Der Vorstandschef rausgeschmissen, der Aufsichtsratsvorsitzende zurückgetreten – mitten in der Corona-Krise haben sich die Machtverhältnisse beim Hamburger SV komplett verschoben. Nach dem Aus von Bernd Hoffmann an der Spitze des Vorstands und dem Abschied seines Fürsprechers Max-Arnold Köttgen als Chef des Kontrollgremiums ist Marcell Jansen zum neuen starken Mann des Zweitligisten aufgestiegen.
Neben seinem Amt als Präsident des Gesamtvereins ist der 34 Jahre alte frühere Nationalspieler nun auch der mächtige Vorsitzende des Aufsichtsrates. Eine gute Nachricht für Investor Klaus-Michael Kühne, gilt Jansen doch als sein Vertrauensmann.
„Wir können uns in dieser schwersten Krisenzeit des gesamten Profifußballs keine Energieverluste und belasteten Vertrauensverhältnisse leisten“, begründete Jansen die Entscheidung des Aufsichtsrates gegen Hoffmann und für dessen Vorstandskollegen Jonas Boldt (Sport) und Frank Wettstein (Finanzen). „Der volle Fokus muss auf die HSVInteressen gerichtet sein.“
Laut Medienberichten fiel die Abstimmung der sieben Aufsichtsratsmitglieder in der mehr als vier Stunden dauernden Sitzung mit 5:2 gegen den 57-jährigen Hoffmann aus. Köttgen und der ebenfalls als HoffmannFreund geltende Thomas Schulz zogen die Konsequenzen und traten aus dem Kontrollgremium zurück.
Hoffmanns Aus nach knapp zweijähriger Amtszeit war ein seit Langem schwelender Streit zwischen ihm und seinen Kollegen Boldt und Wettstein vorausgegangen. Die übrig gebliebenen Vorstandsmitglieder leiten nun als Duo die Geschäfte.
Der Ausgang der – im doppelten Sinne – außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates im HSV-Campus hatte auch einen Sieger, der weit weg vom Geschehen war: Klaus-Michael Kühne. Der Milliardär mit Wohnsitz Schweiz hält 20,6 Prozent an der HSV Fußball AG. Und der 82 Jahre alte Logistikunternehmer hatte nie verhehlt, was er von Hoffmann hielt: wenig bis nichts. Hoffmann hatte versucht, die Abhängigkeit des Vereins vom meinungsfreudigen Kühne zu verringern und eine Aufstockung von dessen Anteil an der AG zu verhindern. Dagegen werden Jansen und Wettstein gute Verbindungen zum Investor nachgesagt.
Ein gutes Verhältnis zu Kühne könnte für den wirtschaftlich schwachen HSV angesichts der längst nicht absehbaren Folgen der Corona-Krise noch (überlebens-)wichtig werden. Hoffmann hatte erst vor wenigen Tagen erklärt, dass ein Saisonabbruch etwa 20 Millionen Euro kosten würde. Eine nur schwer zu stemmende Last für den verschuldeten Verein.
Dass der Club sich in dieser existenzgefährdenden Situation einen Führungsstreit leistete, stieß bei vielen auf Unverständnis. Doch das Zerwürfnis im Vorstand hatte schon lange vor der Virus-Pandemie begonnen und war in den vergangenen Woche öffentlich geworden.
Hoffmanns zweites Aus als Vorstandschef erscheint noch bitterer für ihn als das von 2011. „Ich hätte den HSV sehr gerne durch diese Krise geführt, muss aber akzeptieren, dass der Aufsichtsrat sich für einen anderen Weg entschieden hat“, ließ er verlauten. Insgesamt zehn Jahre war er in verantwortungsvoller Position beim einstigen Bundesliga-Dino. Nach seinem ersten Zwangsabschied 2011 war ihm vor zwei Jahren ein Comeback geglückt. Aber ähnlich wie 2011 scheiterte der macht- wie selbstbewusste Hoffmann vor allem an seinem fehlenden Mannschaftsspiel. Alleingänge und Kompetenzüberschreitungen sollen Boldt und Wettstein ihm vorgeworfen haben. Immerhin wahrte Hoffmann Haltung, sagte: „Ich bin stolz, dass ich den HSV insgesamt zehn Jahre lang führen durfte und werde dem HSV natürlich als lebenslanges Mitglied weiter verbunden bleiben.“