Der große Wurf bleibt aus
Bund will Firmen künftig mit 1,3 Milliarden Euro bei der Forschung unterstützen
BERLIN - Mit 1,3 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr will die Bundesregierung Firmen ermuntern, mehr Forschung zu betreiben. Das neue Programm mit Zuschüssen aus Steuermitteln richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen, die bei der Forschungsförderung sonst zu kurz kommen. An diesem Mittwoch soll der Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Bundeskabinett beschlossen werden. Kritiker unter anderem bei den Grünen und im Verband Innovativer Unternehmen argumentieren dagegen, kleine Betriebe kämen gerade nicht in den Genuss der Mittel.
Die Regierung wählt einen neuen Ansatz: Künftig erhalten Firmen Zuschüsse für die Gehalts- und Lohnkosten ihrer Forscher und Entwickler. Die Förderung beträgt 25 Prozent der Personalaufwendungen, maximal 500 000 Euro pro Jahr und Unternehmen. Die Betriebe können die Mittel beantragen für Grundlagenforschung, industrielle und experimentelle Entwicklung. Das Programm ist ein Teil der Anstrengungen, die bundesdeutschen Forschungsund Entwicklungsausgaben insgesamt auf mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben und damit den Rückstand zu Ländern wie China und den USA zu verringern.
Finanz- und Bildungsministerium haben vor allem kleinere Unternehmen im Blick, die traditionell eher wenig Forschungspersonal beschäftigen. Die Zuschüsse sollen die Kosten für diese Arbeitsplätze senken und zu Neueinstellungen ermutigen. Um diese Firmen gezielt anzusprechen, können auch Forschungsverbünde Anträge stellen, die aus mehreren Betrieben bestehen. Weil das Programm auf Lohnkostenzuschüsse baut, nicht auf Abschreibungen oder andere Steuererleichterungen, werden ebenso Geschäftsideen begünstigt, die noch keine Gewinne erwirtschaften, etwa bei Start-ups.
Kritik an Ausgestaltung
An einer geplanten Regelung im Gesetzentwurf entzündet sich nun aber die Kritik. Laut Finanzministerium sollen nicht die Auftraggeber der Forschung die Zuschüsse erhalten, sondern die Auftragnehmer. Damit will man vermeiden, dass die Mittel ins Ausland abfließen. „Der Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen verfügt jedoch nicht über eigene Forschungsabteilungen“, sagt Annette Treffkorn, Geschäftsführerin des Verbandes Innovativer Unternehmen (VIU). Wenn diese Betriebe nun beispielsweise externe Institute beauftragen, könnten sie selbst die Zuschüsse nicht erhalten. Dass damit gerade kleine Firmen aus der Förderung herausfallen würden, bemängelt auch die Stuttgarter Abgeordnete Anna Christmann, Forschungssprecherin der Grünen im Bundestag.
Das Münchener ifo-Institut sieht einen weiteren Mangel. „Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen allgemeine Personalausgaben in Personalmittel für Forschung und Entwicklung umdeklarieren“, sagt Wirtschaftsforscher Tobias Lohse. Weil der Entwurf nach dem Kabinettsbeschluss noch im Bundestag beraten wird, könnten die Abgeordneten diese und andere Falten ausbügeln. In Kraft treten soll das Vorhaben Anfang 2020.
Hubertus von Baumbach, Vorsitzender der Unternehmensleitung der Pharmafirma Boehringer Ingelheim, begrüßt das Gesetz: „Die Bundesregierung muss die Standortbedingungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wieder wettbewerbstauglich machen.“Bei der Forschungsförderung werde damit jetzt endlich begonnen. „Der genannte Betrag ist sehr klein bei Haushaltsüberschüssen von über 30 Milliarden Euro – aber ein Anfang“, so von Baumbach.
Interessant ist, dass Finanzminister Scholz die Regelung als „steuerliche“Forschungsförderung bezeichnet. Die Zahlungen sollen zwar über die Finanzämter abgewickelt werden, haben sonst aber mit Steuern nichts zu tun, weil sie an den Lohnkosten des Personals ansetzen. Die Begrifflichkeit weist jedoch auf einen weiteren Zweck des Vorhabens hin. Für Scholz dient der Gesetzentwurf als Abwehrargument gegen Forderungen aus der Union, die Steuern für Unternehmen zu senken. Genau das mache man ja jetzt, sagt der Finanzminister – größere Steuererleichterungen seien weder finanzierbar noch nötig. Von einer kleinen Begradigung abgesehen: Personengesellschaften und Einzelunternehmer werden demnächst möglicherweise bessergestellt, wenn sie Gewinne im Unternehmen lassen.