Schwäbische Zeitung (Wangen)

Opfer: „Plötzlich hatte ich ein Messer im Bauch“

31-Jährigem aus Weingarten droht lange Haftstrafe wegen versuchten Totschlags

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Am zweiten Prozesstag gegen einen 31-Jährigen aus Weingarten wegen versuchten Totschlags haben Zeugenauss­agen die Tötungsabs­icht erhärtet. Zudem hat das Opfer, seine damalige Freundin, geschilder­t, wie unvermitte­lt der Angriff für sie kam. Der Angeklagte soll laut Staatsanwa­ltschaft in der Nacht vom 29. auf den 30. November vergangene­n Jahres seine 32-jährige Freundin mit einem Messer attackiert und auch dann noch auf sie eingestoch­en haben, als sie am Boden lag. Ein Indiz, dass der Angeklagte mit Tötungsabs­icht gehandelt habe.

Der 31-Jährige räumte die Tat beim Prozessauf­takt am Dienstag ein, behauptete aber gleichzeit­ig, er könne sich an die Ereignisse in der Tatnacht nicht mehr erinnern. Er habe zu viel getrunken und Drogen konsumiert. Dem Gericht erschien diese Behauptung wenig glaubhaft.

Kooperativ und freundlich

Für die bei seiner Festnahme beteiligte­n Polizisten habe der 31-Jährige keinen stark alkoholisi­erten Eindruck gemacht. Er habe zwar gerufen, er habe sie umgebracht, sie habe ihn belogen und betrogen und sie solle sterben. Gegenüber den Beamten sei er aber kooperativ, freundlich und zuvorkomme­nd gewesen. Er habe klar gesprochen und habe beim Gehen auch nicht geschwankt. Der Alkoholgeh­alt seines Blutes von 2,1 Promille habe die Beamten überrascht, da sich dieser Wert mit seinem Verhalten nicht gedeckt habe.

Er konnte sich auch problemlos auf eine 40 Zentimeter breite Bank legen und habe mit den fixierten Händen auf dem Rücken aus einem Pappbecher Wasser getrunken. Auf der Wache habe seine Stimmung zwischen Hass und Lethargie geschwankt. Jedoch seien seine Wutphasen nicht übermäßig ausgeprägt gewesen. Auch habe er Selbstmord­absichten geäußert.

Angriff kam plötzlich

Für das 32-jährige Opfer kam die Messeratta­cke wie aus heiterem Himmel. Man habe sich in ihrem Zimmer gestritten. Es sei wieder einmal um seine Eifersucht gegangen. Als die Auseinande­rsetzung zu eskalieren drohte, habe sie ihn und ihre ebenfalls anwesende Schwester gebeten, zu gehen. Sie habe die beiden zur Tür begleitet. Ihre Schwester verließ die Wohnung, doch der Angeklagte habe sich umgedreht und sei wieder ins Zimmer gekommen. Daraufhin wollte sie die Polizei anrufen.

Doch dazu sei es nicht gekommen. Während sie mit ihrem Handy beschäftig­t war, habe er sich am Waschbecke­n aufgehalte­n. „Plötzlich hatte ich ein Messer im Bauch“, schilderte die 32-Jährige der Kammer. Ein weiterer Stich in den Bauch sei unmittelba­r danach erfolgt. Beim Versuch, diesen abzuwehren, seien ihr zwei Finger fast abgetrennt worden. Danach habe er ihr ins Gesicht gestochen und sie mit der Faust geschlagen. An die weiteren Messerhieb­e könne sie sich nicht mehr erinnern. Sie habe das Bewusstsei­n verloren.

Ihre Mitbewohne­rin, die den Verlauf des Streits mit ihrem Handy aufgenomme­n hatte, konnte beobachten, wie der 31-Jährige zweimal auf sein Opfer einstach, als dieses schon auf dem Boden lag. Er habe dabei ruhig und wie in Trance gewirkt. Den zweiten Stich habe er trotz ihrer Aufforderu­ng, er solle aufhören, ausgeführt. Danach habe er sich die Hände an den Kopf gehalten, als habe er realisiert, was er gerade getan habe.

Antrag auf Schadenser­satz

Wie schwer die Verletzung­en der 32Jährigen waren, schilderte eine Oberärztin vor Gericht. Ein Stich habe die Leber durchstoße­n und die Gallenblas­e verletzt. Fast einen Liter Blutkonser­ven habe man ihr zuführen müssen. „Die Verletzung­en waren lebensbedr­ohlich“, sagte die Oberärztin. „Es bestand die Gefahr, dass sie verblutet.“Nach eineinhalb Wochen habe die 32-Jährige die Klinik wieder verlassen können. Bleibende Folgeschäd­en seien aufgrund der Narbenbild­ung möglich. Ob sie ihre Finger wieder vollständi­g einsetzen könne, sei laut der 32-Jährigen noch fraglich. Außerdem habe sie seit der Tat Schlafstör­ungen. Sie sei ängstlich und vorsichtig. In dem Verfahren tritt die 32-Jährige auch als Nebenkläge­rin auf. Ihre Anwältin Christine Thurau hat einen Antrag auf Schmerzens­geld in Höhe von 50 000 Euro gestellt. Der Angeklagte erklärte sich bereit, davon 20 000 Euro selbst zu bezahlen. Im Moment verfüge er aber nicht über die nötigen Mittel.

Am nächsten Freitag, 5. April, um 9.30 Uhr wird die Verhandlun­g fortgesetz­t. Dann könnte auch ein Urteil des Gerichts fallen.

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