Wann aus Deutschrock bedenklicher Rechtsrock wird
Leutkirch Leuchtet: Soziologe erklärt, wie man rechte Bands erkennt und welche Botschaften diese vermitteln
LEUTKIRCH - Im Rahmen der Aktionswochen Leutkirch Leuchtet hat der Soziologe Cord Dette am Dienstagabend im Festsaal der St. Anna Stiftung einen Vortrag zum Thema „rechte Musik“gehalten. Im Publikum saßen vor allem pädagogische Fachkräfte, die mit Jugendlichen arbeiten. Dette erklärte ihnen unter anderem, an was man rechte Bands erkennt – und warum Gruppen wie Freiwild für ihn nicht in diese Kategorie gehören.
„So gerne ich auch im Allgäu bin, könnte ich gut darauf verzichten, diesen Vortrag hier zu halten – wenn es nicht nötig wäre“, begann Dette seinen Vortrag. Leider sei es aber sehr wohl nötig. Denn zum einen gebe es auch hier im Allgäu rechte Bands, als Beispiel nannte er KodeXfrei vom einschlägigen Plattenlabel Oldschool Record, zum andern würden diese Gruppen immer professioneller werden. Rein an der musikalischen Qualität kann man deswegen schon länger nicht mehr erkennen, ob es sich bei den Rockstücken mit deutschen Texten um Rechtsrock, linken Punkrock oder politisch unproblematischen Deutschrock handelt, erklärt Dette. Und auch anhand der anderen Merkmale sei das gar nicht immer so einfach, da diese teilweise bei allen drei Stilrichtungen auftauchen würden. Etwa die Positionierung gegen strukturell starke Gruppen wie den Staat generell, beziehungsweise Polizisten und Politiker.
Verschiedene Utopien
Auch am Kleidungsstil könne man nicht unbedingt sofort erkennen, zu welcher Gruppe eine Person gehört, wie Dette am Beispiel der Identitären Bewegung aufzeigt, die trotzt ihrer rechten Haltung bewusst auf einen entsprechenden Kleidungsstil verzichten würden. Mit einem Ordnungsschema versuchte er den Zuhörern, vor allem Lehrer und andere pädagogische Fachkräfte, zu erklären, wie sie da den Durchblick behalten können. Und erkennen können, ob es sich bei einem Lied, dass einer ihrer Schützlinge hört, schlicht um Deutschrock – „harte Gitarrenmusik mit deutschen Texten“, so Derre – oder extremen Punk- oder Rechtsrock handelt. Generell wollen laut ihm beide Seiten eine Utopie verwirklichen: die linken Punker die einer neuen anarchischen Welt ohne unterdrückende Autoritäten, die Rechtsrocker eine neue alte Welt, mit einem starken Führer und gleichen Rechten nur für Weiße.
Die Texte des Rechtsrock sind geprägt durch ein Weltbild, in dem die Gewalt als konstitutives Spaß- und Erlebnismoment beschrieben und Deutschland als geradezu heiliges Wesen verherrlicht wird, das mehr ist als „Heimat“, so Dette. Das Selbstbild sei unter anderem von „Treue“und „Ehre“als oberste Tugenden geprägt, wobei die Texte die deutsche Wehrmacht verherrlichen und deren Taten beschönigen würden. Darüber hinaus haben laut dem Soziologen alle Rechtsrock-Gruppen klare Feindbilder, die regelmäßig entmenschlicht werden, etwa Muslime, Ausländer oder Linke. Um eine klare Zuordnung einer Band vorzunehmen, komme es darauf an, ob ein geschlossenes rechtes, beziehungsweise im anderen Fall linkes, Weltbild und Auftreten erkennbar ist. Einzelne Textpassagen reichen dafür aber nicht aus, so Dette. Man müsse auf ganze Texte, CD- und Songtitel, den Bandnamen, das Label, Festivalauftritte und die verbreitete Botschaft achten. Sind dort Brüche erkennbar, fügen sich nicht die allermeisten Einzelteile zu einem geschlossenen Bild zusammen, handelt es sich vermutlich um eine Band aus dem Deutschrock, beziehungsweise dem Graubereich dazwischen.
Als Beispiel dafür nennt er die Gruppe Freiwild, bei denen zuletzt ein geplantes Konzert in Ravensburg für Boykottaufrufe sorgte (SZ berichtete). So singe diese Band zwar von „Heimat“, „Werten“und „Patriotismus“, wende sich gleichzeitig aber gegen Faschisten, Nationalsozialisten, Gewalt und Krieg. Statt über solche Bands zu diskutieren, sollte man laut ihm viel mehr die Bands in Visier nehmen, die tatsächlich verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Über Bewertungen wie „rechts“und „rechtspopulistisch“falle viel zu schnell der „Nazi“-Vorwurf. Problematisch sei in dieser Hinsicht auch, dass man den künstlerischen Bewertungsaspekt, den man etwa bei durchaus kritikwürdigen Bands aus dem linken Spektrum, wie etwa aktuell Feine Sahne Fischfilet, bei Bands von der politisch anderen Seite oft nicht gelten lasse. Zur Einordnung: Mit Dette sagt das jemand, der sich selbst als „überzeugter linker Sozialdemokrat“bezeichnet, antifaschistischen Gruppen wie „Allgäu Rechtsaußen“ausgesprochen positiv gegenübersteht und in einer Punkrock-Band spielt, die er selbst im linken Graubereich verortet.
Er appelierte an die anwesenden Jugendarbeiter, im konkreten Fall Jugendliche nicht sofort mit dem NaziVorwurf zu