Hospitalstiftung kämpft um Abdou Touray
Hospitalstiftung will gambischen Altenpflegehelfer Abdou Touray behalten – Hoffnung auf Ausbildungsduldung
Der gambische Altenpflegehelfer ist von der Abschiebung bedroht.
WANGEN - Der Pflegenotstand ist in aller Munde, den Fachkräftemangel spürt diese Branche mit am stärksten. Deshalb ist die Wangener Hospitalstiftung zum Heiligen Geist auch glücklich, dass sie mit Abdou Touray einen engagierten Altenpflegehelfer gefunden hat. Doch nun droht dem 25-jährigen Gambier die Abschiebung. Die Chance zu bleiben schafft aktuell nur eine sogenannte Ausbildungsduldung.
„Und du kommst in unsere Mitte!“Die Aufforderung von Reingart Zeidler klingt fast wie ein Befehl. Gemeint ist Abdou Touray, der sich zum Gruppenfoto bitteschön zwischen sie und Klara Bufler setzen soll. Dann fassen die beiden Bewohnerinnen des Pflegeheims der Wangener Hospitalstiftung zum Heiligen Geist den Gambier fest an den Händen. So als ob sie ihn nie mehr loslassen wollen. „Der Abdou macht alles so ordentlich“, sagt Zeidler. Und Bufler blickt dem 25-jährigen Schwarzafrikaner dabei liebevoll in die Augen: „Gell, wir haben’s wirklich nett miteinander.“Abdou Touray lächelt zurück. Dabei müsste ihm in der jetzigen Situation eher zum Weinen sein.
Ende 2013 kam der Gambier nach Deutschland, lebte zunächst in Argenbühl und wohnt seit 2015 in Wangen. Touray belegte Integrationsund Sprachkurse und machte am Beruflichen Schulzentrum die einjährige Vorqualifizierung Arbeit-Beruf (VABO-Klasse). Dabei absolvierte er auch ein Praktikum im Pflegebereich – und bekam Lust auf mehr. Es folgte die Ausbildung zum examinierten Altenpflegehelfer in einem zweijährigen Integrationskurs an der Wangener Altenpflegeschule in St. Vinzenz. Abdou Touray bestand das Examen mit der Note 2,7 und wurde von der Hospitalstiftung im August 2018 mit einer 90-Prozent-Stelle unbefristet übernommen. Daraufhin erhielt er vom zuständigen Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe eine Arbeitsgenehmigung bis Ende Juli 2021.
Die schlechte Nachricht kam jedoch im vergangenen Dezember: Tourays Asylantrag wurde, wie bei den meisten gambischen Geflüchteten, abgelehnt. Das nächste Schreiben folgte Mitte Februar. Der Inhalt: Die Arbeitserlaubnis gilt nur noch bis 11. Mai 2019. Die Abschiebung wird so lange ausgesetzt, der 25-jährige Altenpflegehelfer ist bis dahin „geduldet“. Damit verbunden ist die Auflage, dass sich Abdou Touray bei den Behörden meldet, um seinen Pass vorzulegen oder seine Identität nachzuweisen. „Das könnte ein Fallstrick sein, denn hiermit droht die Gefahr, dass er abgeschoben wird“, sagt Pflegedienstleiterin Annette Füssinger. „Dies ist uns aus anderen Fällen im Umkreis bekannt.“
„Zurzeit häufen sich diese Fälle“
Beispielsweise der Fall des Sanneh Bakary. Der 29-jährige Gambier arbeitete beim Eisenwarenverarbeiter Biechele in Biberach und hatte ebenfalls eine Duldung. Er hatte laut seinem Arbeitgeber bei der Identitätsbestimmung mit den Behörden kooperiert, wurde aber am frühen Morgen des 1. März kurz vor dem Weg zur Arbeit in seinem Flüchtlingsheim von der Polizei abgeholt, nach Frankfurt gebracht und in ein Flugzeug nach Gambia gesetzt. „Das scheint eine Masche zu sein“, sagte damals Biechele. „Vielleicht musste er gehen, weil ich ihm dazu geraten habe, ehrlich zu sein und den Behörden zu helfen.“
Bekräftigt wurde der Unternehmer in seiner Meinung von Armin Speidel. „Zurzeit häufen sich diese Fälle“, so der Flüchtlingskoordinator bei der Industrie- und Handelskammer Ulm. Vor allem bei Schwarzafrikanern, von denen mehrere Hundert im Bereich der IHK Ulm in Arbeit seien, steige derzeit die Zahl der Abschiebungen extrem.
Land will längerfristige Bleibeperspektive schaffen
Dabei hatte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) vor wenigen Monaten zumindest in Aussicht gestellt, dass gut integrierte Flüchtlinge, die einen Job haben, nicht abgeschoben werden, solange das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht in Kraft ist – auch wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Das sei „eine Lösung, die pragmatisch die Belange unserer gerade mittelständischen Wirtschaft aufnimmt“, so Strobl damals. Deshalb warf die baden-württembergische Unternehmer-Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“dem Innenminister nach dem Biberacher Abschiebungsfall Wortbruch vor.
Am Mittwoch reagierte Strobl auf den Druck aus der Wirtschaft und kündigte an, dass die grün-schwarze Regierung in Stuttgart für Flüchtlinge, die seit mindestens 18 Monaten arbeiten, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und seit zwölf Monaten geduldet sind, eine längerfristige Bleibeperspektive schaffen will. Der Leutkircher Brauerei-Chef Gottfried Härle, einer der Initiatoren von „Bleiberecht durch Arbeit“, sprach am Mittwoch von einem „richtigen Signal zur richtigen Zeit“.
Der Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“gehören mittlerweile über 150 Unternehmen und Handwerker sowie drei Verbände mit insgesamt 2500 beschäftigten Flüchtlingen an. Der Interessenverband der Wirtschaft fordert von der Politik ein Einwanderungsgesetz, das neben hochqualifizierten Fachkräften auch den Bedarf an anzulernenden und auszubildenden Arbeitskräften berücksichtigt. Weil die Beratungen über dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz in der Berliner Regierungskoalition aber derzeit feststecken und es noch eine Weile dauern dürfte, bis das Gesetz in Kraft tritt, verlangt „Bleiberecht durch Arbeit“, dass Geflüchtete, die einen festen Arbeitsplatz haben, bis dahin eine gesicherte Aufenthaltsperspektive und ihre Arbeitgeber damit Planungssicherheit bekommen.
„Die Arbeitgeber haben Angst, die Flüchtlinge haben Angst: Wie kann eine Regierung das wollen?“, fragt Fia Straub. Sie ist Koordinatorin der Unternehmer-Initiative und berichtet von insgesamt vier Abschiebungsfällen allein aus den vergangenen Wochen. Darunter sei ein Gambier gewesen, der vor den Augen seines Chefs einer Druckerei von der Polizei abgeführt worden sei. „Sobald du deine Identität offenlegst, wirst du abgeschoben“, sagt Straub. Und: „Wenn man sich verhält wie ein korrekter deutscher Staatsbürger, dann ist man gebrandmarkt.“Sie bekomme in letzter Zeit auch viele Anrufe von Pflegeheimen: „Die brauchen einfach solche Leute, weil die einen guten Draht zu den Menschen haben.“
Das kann Annette Füssinger nur bestätigen. „Wir haben viel Arbeit in die Integration dieser Menschen gesteckt“, sagt die Pflegedienstleiterin. „Sie sind anerkannt und akzeptiert. Und sie nehmen keinem Deutschen den Arbeitsplatz weg.“
Mehr noch: Würde Abdou Touray abgeschoben werden, könnte die Hospitalstiftung die Stelle aktuell nicht besetzen. „Auf unsere letzte Ausschreibung hat sich niemand gemeldet“, sagt Füssinger. „Sollte Herr Touray nicht mehr da sein, würden wir frei werdende Pflegeplätze nicht belegen können, weil der dafür notwendige Personalschlüssel nicht erfüllt wird.“
Soweit will es die Hospitalstiftung, die seit knapp einem Jahr ebenfalls der Unternehmer-Initiative angehört, nicht kommen lassen und ermöglicht dem Gambier nun eine Ausbildung zum examinierten Altenpfleger. Der Vertrag ist mittlerweile von beiden Seiten unterschrieben, der nächste Schritt ist der Schulund Praxisvertrag vom Institut für Soziale Berufe in Wangen.
„Solche Leute darf man nicht gehen lassen“
Die Ausbildung beginnt aber erst am 1. September, und so droht Touray bis dahin weiter die Abschiebung. Selbst wenn er sich bis zum 11. Mai bei den Behörden melden würde. Sobald alle Verträge vorliegen, soll deshalb Tourays Anwalt bei den Behörden einen Antrag auf sofortige Ausbildungsduldung stellen, auch wenn dies normalerweise erst frühestens sechs Wochen vor dem Ausbildungsstart möglich ist. Mit einer solchen Duldung wäre die Abschiebung quasi ausgesetzt. „Wir hoffen nun auf den politischen Willen, diese Sechs-Wochen-Frist zu umgehen“, sagt Heimleiter Stefan Bär.
Dass dies möglich ist, hat unlängst ein Fall in Bad Waldsee gezeigt. Auch bei der dortigen St.-Elisabeth-Stiftung waren zwei gambische Pflegekräfte von der Abschiebung bedroht gewesen. Vor kurzem hat einer von ihnen die ersehnte Ausbildungsduldung erhalten, der andere wartet noch. Unterstützung gab es damals durch den CDU-Landtagsabgeordneten Raimund Haser. Über die politische Schiene will deshalb auch die Hospitalstiftung für ihr Anliegen werben. So habe Wangens OB Michael Lang als Stiftungsvorsitzender bereits die hiesigen Abgeordneten Haser und Petra Krebs (Grüne) gebeten, sich für Abdou Touray einzusetzen.
Der erledigt seinen Job auch weiter zur Zufriedenheit aller – trotz der psychischen Belastung einer drohenden Abschiebung. „Manchmal kann ich mich deshalb nicht richtig konzentrieren“, sagt der Gambier, der aktuell bei einem Bekannten untergekommen ist. „Die Angst begleitet mich auch auf dem Weg zur Arbeit, weil die Behörde weiß, wo ich arbeite.“Spricht’s und stützt Rupert Schmalzl, damit der Bewohner mit seinem Rollator in den Gemeinschaftsraum gehen kann.
Anni Schmalzl schaut derweil im Zimmer ihres Mannes nach dem Rechten. Und kann angesichts der ungeklärten Situation von Abdou Touray nur mit dem Kopf schütteln: „Diese Kerle sind für die alten Menschen da. Solche Leute muss man suchen. Solche Leute darf man doch nicht gehen lassen.“WIRTSCHAFT