Zu viele Nerven involviert
Alexander Zverev muss gegen Chardy in den fünften Satz
MELBOURNE (SID) - Nach dem nächtlichen Bad in der Eistonne war der Arbeitstag für Alexander Zverev noch längst nicht beendet. Hinter den Kulissen der Australian Open wartete bereits Physiotherapeut Hugo Gravil auf ihn. „Vor halb vier, vier komme ich heute bestimmt nicht ins Bett“, mutmaßte Zverev sichtlich erschöpft nach seinem vermeidbaren Tenniskrimi gegen den Franzosen Jeremy Chardy. Um 0.15 Uhr Ortszeit in Melbourne hatte Zverev zuvor seinen zweiten Matchball zum 7:6 (7:5), 6:4, 5:7, 6:7 (6:8) und 6:1 verwandelt.
Es war ein Sieg über einen unangenehmen Gegner, aber auch ein Erfolg über sich selbst. Nachdem Zverev eine vermeintlich komfortable Führung aus der Hand gegeben hatte, riss er sich im entscheidenden Satz noch einmal zusammen und folgte Wimbledonsiegerin Angelique Kerber als einziger deutscher Tennisprofi in die 3. Runde.
Von ganzem Herzen freuen konnte sich der 21-Jährige aber nicht, „zu viele Nerven waren involviert“, sagte Zverev, zu viel Kraft hatte er gelassen – für seinen Geschmack viel zu früh im Turnier: „Natürlich will man am Anfang so wenig Zeit wie möglich auf dem Platz verbringen.“
Das ließ „Qualitätsspieler“Chardy (Zverev) jedoch nicht zu, und auch der gebürtige Hamburger selbst trug seinen Teil dazu bei, dass das Match erst nach Mitternacht endete. Mehr als 50 Fehler unterliefen ihm, allein 13 Doppelfehler beim sonst so sicheren Aufschlag.
Am Samstag wird sich zeigen, wie Zverev die Strapazen der 3:46 Stunden in der Margaret Court Arena weggesteckt hat. Gegen den Weltranglisten-155. Alex Bolt, einen Australier, der mit der Unterstützung des Publikums das Tennis seines Lebens spielt, gilt Zverev zwar als Favorit. Die Ausgangslage vor dem Match ist jedoch schlechter als bei Angelique Kerber, die nach zwei glatten Siegen am Freitagvormittag deutscher Zeit ausgeruht auf Bolts Landsfrau Kimberly Birrell trifft.
Die Qualität, zum ersten Mal ins Achtelfinale von Melbourne einzuziehen, besitzt Zverev allemal. Nach harten Trainingseinheiten im Winter hat er auch die nötige Fitness, ein Fünfsatzmatch wegzustecken. In der kommenden Partie spielt Zverev aber auch gegen die Zweifel, die sich bereits während der Partie gegen Chardy aufgedrängt hatten. Er wusste später selbst, dass nicht allein sein Kampfgeist im fünften Satz den Ausschlag gegeben hatte. „Vielleicht war Jeremy auch etwas müde“, gab Zverev ehrlich zu. Für den Weltranglisten-36. war es bereits das zweite Match über die volle Distanz in Melbourne. An Chardys Beispiel konnte Zverev sehen, welche Spuren solch ein Marathon hinterlassen kann. Sein Physiotherapeut war in dieser langen Nacht mehr denn je gefragt.