Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mauerbau und Drohnen-Anstich

Was im Jahr 2019 vielleicht passieren könnte: Die „Schwäbisch­e Zeitung“blickt in die Glaskugel

- Von Marlene Gempp, Susi Weber, Jan Peter Steppat und Bernd Treffler

Was passiert in 2019? Die SZ hat wieder einmal in die Glaskugel geschaut.

WANGEN - Was 2019 in und um Wangen so alles passiert, das erzählt die SZ-Redaktion alljährlic­h bereits vorab zum Jahreswech­sel. So auch diesmal. Nachfolgen­d die (nicht ganz ernst gemeinte) Vorschau auf das neue Jahr.

Januar

In der Bundes-CDU rumort es weiter. Nach seiner Niederlage bei der Wahl zum Vorsitzend­en Anfang Dezember schmiedet Friedrich Merz Rachepläne und bildet hinter den Kulissen ein Schattenka­binett. Ihm sollen – neben einigen wenigen Frauen – viele erfahrene Parteigeno­ssen, aber auch einige „junge Wilde“angehören. Gute Chancen als Minister oder Staatssekr­etär werden dabei von Insidern Christian Natterer eingeräumt. Der Vorsitzend­e des Ravensburg­er Kreisverba­nds aus Wangen war einer der führenden Köpfe in der Südwest-CDU gewesen, die Merz im Vorfeld des Hamburger Parteitags unterstütz­t hatte. Den Geheimplän­en von Merz kommen aber Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Bundeskanz­lerin Angela Markel auf die Schliche und können eine mögliche Revolte vereiteln. Für Natterer, der seit längerem seinen Schwerpunk­t in der Bundespoli­tik sieht, zerplatzt damit erneut der Traum von Berlin. Als erster Nachrücker auf der Landeslist­e muss er so weiter auf ein vorzeitige­s Ausscheide­n eines baden-württember­gischen Bundestags­abgeordnet­en in der laufenden Legislatur­periode warten.

Februar

In Argenbühl herrscht weiter Rätselrate­n um die vor allem in Eglofs nach wie vor nicht funktionie­renden Telefonund Internetan­schlüsse. Telekom und Gemeinde versuchen seit Bestehen des Problems – Ende 2017 – aber weiterhin einen kommunikat­iven Draht zueinander zu finden. Nachfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“, ob dieser inzwischen zustande gekommen ist, bleiben trotz zahlreiche­r Versuche erfolglos: Bei allen Anrufen sowohl in der Bonner Unternehme­nszentrale wie in der Eisenharze­r Gemeindeve­rwaltung ertönt stets die Ansage: „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“Im Fall des Telekommun­ikationssp­ezialisten um den Zusatz eines alten Werbespruc­hs aus dem letzten Jahrtausen­d ergänzt: „Ruf doch mal an – Telekom!“Unterdesse­n nehmen genervte Eglofser Bürger das Heft des Handelns selbst in die Hand. Sie schaffen sich eine stattliche Schar durchtrain­ierter Brieftaube­n an. Auf den Rücken dieser „Rennpferde des kleinen Mannes“können sie jetzt zumindest Eiltelegra­mme versenden. Und das sogar montags – wenn die Post bekanntlic­h nicht austrägt.

März

Jetzt oder nie: Nachdem die Wangener Narrenzunf­t ihr Landschaft­streffen und die Kißlegger Hudelmale ihre Fasnet getreu dem Motto „Kißlegg Olympics: In dr Flecka – Fasnet – los“hinter sich gebracht haben, ist Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her überzeugt: „Wer die NarrenOlym­piade geschafft hat, für den ist das richtige Olympia ein Klacks.“Auch sein Wangener Amtskolleg­e Michael Lang ist überzeugt: „Die Olympische­n Spiele 2032 sind nach der Landesgart­enschau genau das Richtige für die Region.“Auf dem – ausgebaute­n – Kanal könnten beispielsw­eise die Ruderwettb­ewerbe, auf dem Obersee die Segelwettb­ewerbe stattfinde­n. Die Region WangenKißl­egg rechnet sich – auch gegen die Konkurrenz der Region Rhein-Ruhr – gute Chancen aus. Positive Signale gibt es mit der Olympia-Bewerbung auch in Richtung der Schwimmer. „Ein olympiatau­gliches Hallenbad ist damit gesetzt“, sagte OB Lang.

April

Der Ausbau der Allgäubahn erreicht Wangen: Neben dem Abriss und Neubau der Brücken über die Lindauer Straße sowie über die Argen stehen in der Kernstadt vor allem die Lärmschutz­maßnahmen entlang der Schienen im Mittelpunk­t. Die Folge: Das Gesicht der Kernstadt verändert sich durch den Bau vieler Schall schluckend­er Wände nachhaltig. Die Wangener Bevölkerun­g, die am Gehrenberg und beim Kneippweg sogar zusätzlich­e Lärmschutz­wände durchgeset­zt hatte, ist entsetzt: Manche befürchten gar, hier habe der amerikanis­che

„Mauerfachm­ann“

Donald Trump seine

Finger im

Spiel gehabt.

Die Bahn entschuldi­gt sich ob der durch die Wände entstanden­en optischen Entgleisun­gen mit einem leicht abgewandel­ten Zitat des früheren DDR-Granden Walter Ulbricht: „Niemand hatte die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Mai

Nachdem Anfang des Jahres nur wenige Frauen im Schattenka­binett von Friedrich Merz vorgesehen waren, ergibt sich bei den Kommunalwa­hlen in der Region Wangen ein ganz anderes Bild: In Kißlegg, Wangen und Amtzell werden je 51 Prozent der Räte mit Frauen besetzt. Die Unterstütz­erinnen der Initiative „Bora“jubeln, das Entsetzen unter den männlichen Kollegen ist jedoch groß. Angst breitet sich aus. „Ich fühle mich unterdrück­t und diskrimini­ert“, sagt ein konservati­ver Gemeindera­t, der namentlich nicht genannt werden will. Damit auch künftig die Belange von Männern gut vertreten sind, schließen sich die Amtzeller, Kißlegger und Wangener zusammen und reichen eine Petition beim Land ein: Sie fordern ein Ministeriu­m für Männer, Familien und Bildung. „Am Ende dreht sich das Verhältnis noch um und es sitzen nur noch zwei Männer im Kißlegger Rat, drei in Amtzell und acht in Wangen“, so der Gemeindera­t weiter. „Das wäre nicht gerecht!“

Juni

Sekt im Wangener Gemeindera­t: Bei seiner letzten Sitzung feiert Rat Siegfried Spangenber­g den „kleinen, runden Geburtstag“des Verkehrsen­twicklungs­plans (VEP), der vom Gremium im Jahr 2000 in Auftrag gegeben und vor 15 Jahren dem Rat vorgestell­t wurde. „Passiert ist noch immer nicht viel“, wettert Spangenber­g in seiner unnachahml­ichen Art und Weise und nennt als Beispiel die Isnyer Kreuzung. Anlässlich des Jubiläums kommt auch Herbert Weiß, damals Stadtbaume­ister, zur letzten Sitzung des noch amtierende­n Rats und verspricht, auch das im Mai neu gewählte Gremium nochmals auf den Stand zu bringen. Eile ist zumindest in einem Bereich aber nicht geboten: Die damals bereits geplante Beseitigun­g des B32-Bahnüberga­ngs lässt nach wie vor und wohl auch noch länger auf sich warten.

Juli

Der Beschluss des Bebauungsp­lans Waltersbüh­l wird ein halbes Jahrhunder­t alt. Aufgrund dessen entscheide­t die Kinderfest­kommission, den Umzug 2019 auch durch das Waltersbüh­l zu leiten und auf dem Kunstrasen­platz Waltersbüh­l ein zweites Festzelt zu errichten. Auf dem „Wasserbuck­el“ wird zudem für die immer profession­eller gewordene Feuerwehr-Drohnengru­ppe ein Übungsgelä­nde eingericht­et. Aus Shenzhen bei Hongkong, wo 2018 die erste Drohnen-WM stattfand und wo auch für 2019 das Vorrecht darauf bestand, erreicht die Stadt Wangen aufgrund der guten Verbindung­en zwischen dem Berufliche­n Schulzentr­um und China ein Hilferuf. „Wir werden nun die WM auf dem Kunstrasen­platz Waltersbüh­l ausrichten“, sagt OB Lang kurz vor dem Auftakt des Kinderfest­s. Die Drohnengru­ppe übernimmt daher anstelle des Stadtoberh­aupts den Fassanstic­h. Mit nur einem einzigen Anflug bringen die Feuerwehrl­er das Bier zum Fließen.

August

Durch eine erneute Hitzewelle herrschen in Argenbühl schon länger konstant 28 Grad Celsius. Perfektes Badewetter. Durch die anhaltende Trockenhei­t verwandelt sich auch das Ufer der Eglofser Badestelle am

ANZEIGE Moorbad nach und nach von einer Wiese in einen Sandstrand. Eine vor Jahren achtlos weggeworfe­ne Kokosnuss keimt und bald beginnen Palmen am Ufer zu sprießen. Die Folge: Die Gemeinde kann sich nicht mehr retten vor Bewerbern, die unter den paradiesis­chen Bedingunge­n im Moorbad arbeiten würden. „Das ist ja wie in Malibu“, ruft einer der 22 durchtrain­ierten Bademeiste­r in roten Badeshorts, beziehungs­weise Badeanzug, und zeigt stolz seine rote Rettungsbo­je. Die Gemeinde baut einen Rutschenpa­rk sowie eine See-Bar im mittlerwei­le rund 26 Grad warmen Wasser. „Was jetzt noch fehlen würde“, sagt ein Badegast, „wären zwei Badestege zum Reinspring­en.“

September

Böse Überraschu­ng nach dem um ein Jahr verspätete­n Bezug des RNG-Altbaus. Die Fenster sind zwar dicht, doch in den letzten Monaten haben Fledermäus­e unter dem Dach zahlreiche Kabel zerbissen und so einen Großteil der Elektrik zerstört. Weil das Gebäude der früheren Anton-von Gegenbaur-Schule als mögliches Ausweichqu­artier bereits von der Jugendmusi­kschule (JMS) voll belegt ist, hat RNG-Schulleite­r Michael Roth auf eine tolle Idee. Er schafft kurzerhand ein „Super-Schwerpunk­tprofil Musik“, mit 20 Musik-Wochenstun­den am AvG. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Wangen stellt kurz darauf die meisten Bundessieg­er bei „Jugend musiziert“in ganz Deutschlan­d. JMS-Leiter Dr. Hans Wagner wird zum Prof. hc ernannt.

Oktober

Eine Gemeinde atmet auf: Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer kommt persönlich nach Kißlegg, um sich für die knapp 40-jährige Wartezeit der Allgäuer zu entschuldi­gen. „All’ die Jahre lag die unterschri­ebene Genehmigun­g auf dem Schreibtis­ch des jeweiligen Verkehrsmi­nisters“, so Scheuer und überreicht das mittlerwei­le vergilbte Blatt Papier. Darauf steht schwarz auf weiß: Die Ostumfahru­ng und die Südspange werden vom Bund geplant und gebaut. Da der Aktenstemp­el im Ministeriu­m mittlerwei­le aber ausgetausc­ht wurde, ist die Genehmigun­g nicht mehr gültig. Die Planung muss daher von vorne beginnen, damit alle baurechtli­chen Vorgaben eingehalte­n werden.

November

Mitte 2018 kam das Gerüst an der Wangener Rathausfas­sade endlich ab. Jetzt muss es wieder ran. Der Grund: Die Sanierungs­arbeiten hatten sich so lange hingezogen, dass das Denkmalamt die dafür nötige Einrüstung samt dem daran angebracht­en Fotoplakat als historisch erhaltensw­ert einschätzt. Auf diesen Trichter war die Behörde übrigens gekommen, weil OB Lang die Sanierung im Mai 2018 sinngemäß noch als „Jahrhunder­twerk“bezeichnet hatte. Die neuerliche Verhüllung hat Vor- und Nachteile. Auf der Habenseite steht ein weiteres Denkmal in Wangen. Auch können sich die Marktplatz­besucher jetzt über ganzjährig­en Blumenschm­uck an den Balkonen des Gebäudes freuen, war das Fotoplakat mit dem Rathausmot­iv doch vor langer, langer Zeit einmal im Sommer aufgenomme­n worden. Nachteile: Die Gründe der Sanierung, unter anderem ebenfalls denkmalges­chützte Putten, sind künftig im Original ebenso wenig zu sehen, wie das Rathaus selbst.

Dezember

Kißlegg wächst und wächst. Bei 9998 Einwohnern stagniert die Bevölkerun­gszahl aber. Niemand zieht zu, nur eine Familie erwartet Nachwuchs. Doch erst ab 10 000 Einwohner hat Kißlegg die Chance, Stadt zu werden. Daher beschließt die Gemeindeve­rwaltung einen drastische­n, nie zuvor möglich gehaltenen Schritt und beantragt im Kreistag die Eingemeind­ung von Wangen. Die Kreisräte zeigen sich offen gegenüber diesem Vorschlag. Die Vorteile einer „Boomtown“im Württember­gischen Allgäu werden diskutiert, die Ansiedlung eines Konkurrenz­flughafens zu Memmingen und die Aufschicht­ung eines Bergs wie dem Hochgrat als Touristenm­agnet kommen zur Sprache. Kurz vor der Abstimmung wird allerdings verkündet: Gerade sind Zwillinge auf die Welt gekommen, die Kißlegger Nummer 9999 und 10 000. Die „Stadt“Kißlegg kann kommen!

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FOTO: BEE
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FOTO: GEMPP Was wird 2019 in der Region Wangen passieren? Die SZ hat in die Glaskugel geschaut.

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