In der Mitte droht Beliebigkeit
Die Grünen können vor Kraft kaum laufen. In Bayern haben sie ein Spitzen-Wahlergebnis eingefahren. Im Bund überholen sie in Umfragen die SPD. Und in Hessen könnte sich sogar eine Konstellation ergeben, in der die Grünen nach der Landtagswahl einen weiteren Ministerpräsidenten stellen.
Die Grünen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Einer wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, für den die Grünen im Kern noch immer die Partei der einstigen Steinewerfer sind, kann damit nicht einmal mehr die eigenen Leute überzeugen. Bis tief ins einst christsoziale Milieu sind die Grünen bei der bayerischen Landtagswahl eingedrungen.
Das ist Ergebnis einer Strategie, die die Grünen gerade in BadenWürttemberg zur Perfektion gebracht haben. Sie sind in verschiedene Milieus anschlussfähig und haben ihre Lehre aus dem Veggie-Day-Desaster gezogen: gute Laune statt Oberlehrertum. Dass man mit Marotten wie dem Gender-Sternchen vielen Wählern auf die Nerven geht, hat sich bei den meisten Grünen auch herumgesprochen.
Ein Teil der Stärke beruht schlicht darauf, dass die Grünen dort sind, wo die SPD gerne wäre: in der Opposition. Das grausige Erscheinungsbild der Berliner Koalition treibt der Partei viele Wähler zu. Hinzu kommt die Stärke der AfD. Angesichts einer Partei, die mit EU-, Fremden- und Islamfeindlichkeit Erfolg hat, setzt ein Teil der Wähler auf den größtmöglichen Gegensatz, und das sind die Grünen.
Gleichzeitig ist die Partei bemüht, frühere weiße Flecken im Programm zu tilgen, beispielsweise bei der inneren Sicherheit. Noch nie haben die Grünen in einer Landesregierung – ganz zu schweigen vom Bund – einen Innenminister gestellt. Das wird auf Dauer nicht möglich sein, auch wenn es für eine Partei, die zumindest traditionell eine gewisse Distanz zum staatlichen Gewaltmonopol pflegte, bequem ist. Doch auf dem Weg in den Mainstream sind Kompromisse nötig. Solange der Markenkern erhalten bleibt, ist daran nichts Schlechtes. Eine Partei, die sowohl mit der FDP als auch mit der Linken koaliert, muss aber darauf aufpassen, nicht irgendwann beliebig zu werden.