Neuauflage im Hoßkirch-Prozess
Das Landgericht Ravensburg setzt einen weiteren Schöffen und einen weiteren Berufsrichter ein
RAVENSBURG (sz) - Auch beim zweiten Anlauf schweigt der Hauptverdächtige: Seit Donnerstag muss sich ein 35-Jähriger aus Hoßkirch im Landkreis Ravensburg wegen Mordes an seiner Ehefrau verantworten. Der Angeklagte gab vor dem Landgericht Ravensburg an, keine Aussage machen zu wollen. Bereits im November hatte eine erste Verhandlung begonnen. Diese wurde jedoch wegen einer befangenen Schöffin nach vier Monaten abgebrochen.
RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Zweiter Anlauf im Mordprozess gegen einen 35-Jährigen aus Hoßkirch (Kreis Ravensburg) vor dem Landgericht Ravensburg: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, Ende Februar 2017 seine 30-jährige Frau erwürgt und anschließend einen Autounfall vorgetäuscht zu haben, um die Tat zu vertuschen. Der Prozess war nach rund vier Monaten abgebrochen worden, weil die Verteidigung ein Befangenheitsgesuch gegen eine Schöffin beantragt hatte, dem im März stattgegeben wurde. Um eine Wiederholung solch eines Vorfalls zu vermeiden, hat das Landgericht für den zweiten Anlauf des Verfahrens nun sowohl einen Ersatzschöffen als auch einen Ersatzrichter eingesetzt.
Sieben Zeugen und einen Sachverständigen hat das Landgericht für den ersten Verhandlungstag vorgeladen. Die komplette Beweisaufnahme beginnt von vorn, die Inhalte sind unverändert und auch die offenen Fragen in dem Indizienprozess. Aussagen mussten zunächst Polizeibeamte, die als erstes an dem Sonntag, 26. Februar 2017, am Unfallort waren. Schon bei den ersten Beobachtungen an dem Gemeindeverbindungsweg zwischen Tafertsweiler und Hoßkirch regte sich Skepsis am Geschehen. Eine Frau saß tot auf dem Fahrersitz des Mercedes Vito, wies schon ausgeprägte Leichenflecken am Körper auf. Ihr Mann lag schwer verletzt etwa 100 Meter entfernt vom Auto. Gegenstände liegen im Fahrzeug ordentlich auf dem Armaturenbrett. „Die wären bei einem Unfall nicht so liegengeblieben“, berichtet der Polizeibeamte. Ein normaler Verkehrsunfall sei immer unwahrscheinlicher geworden. Die alarmierte Spurensicherung nahm die Leiche unter die Lupe. Vor Gericht bestätigt ein Kriminalbeamter der Spurensicherung, dass sich die Verletzungen der Frau nicht generell mit einem Verkehrsunfall erklären lassen. „Das Gesicht war sehr aufgedunsen wie bei einem Erwürgen, die Augen derart zugeschwollen, dass sie kaum zu öffnen waren.“Den Angeklagten hatte der Beamte im Ravensburger Krankenhaus untersucht und ausgeschlossen, dass dessen Verletzungen beim Überfahren durch das Fahrzeug entstanden sind.
Die auffälligen Verletzungen der Frau lassen auch den gerichtsmedizinischen Sachverständigen, der die Leiche obduziert hat, nur zu einem Schluss kommen: Sie ist aufgrund von massiver Gewalteinwirkung erstickt. Klare Anzeichen dafür seien Einblutungen in den Augen und ein abgebrochenes Zungenbeinhorn. „Das ist eine tief liegende Stelle. Da lässt sich nur durch starke Gewalt etwa mit Händen und Daumen etwas brechen“, sagte der Mediziner. Einen genauen Todeszeitpunkt aber konnte er nicht mehr festlegen. Da in dem laufenden Fahrzeug die Heizung auf höchste Stufe gestellt war, soll laut den ersten Ermittlern vor Ort eine enorme Hitze geherrscht haben. Das wiederum habe das Auskühlen der Leiche verzögert. Über Leichenflecken sei auch keine genaue Zeit bestimmbar. Die Flecken ließen sich den Angaben des Mediziners zufolge bis zu 36 Stunden nach Todeseintritt wegdrücken. Wahrscheinlich sei aber, dass die 30-Jährige in der ersten Tageshälfte des 26. Februar 2017 gestorben ist. Er räumt aber auch ein, dass beim Ersticken der Tat- und der Todeszeitpunkt mehrere Stunden auseinander liegen können.
Auch drei Freundinnen der Getöteten sagen aus, berichten von Eheproblemen des Paares. Diese hatten sie entweder selbst mitbekommen oder im Gespräch mit der 30-Jährigen davon erfahren. Die Frau beschreiben sie als lebenslustig und liebevoll, den Mann als introvertiert, manchmal aufbrausend.
Was in dem Angeklagten während der Verhandlung vor sich geht, ist unklar. Mal grinst er, mal starrt er stoisch in die Luft oder hat den Kopf tief gesenkt, mal sind die Hände gefaltet und mal werden sie nervös geknetet. Nach fünf Stunden zumindest sagte ein Verteidiger des 35-Jährigen, dass der Angeklagte sich nicht mehr gut konzentrieren könne und sich ohnehin zu Aussagen mit seinen Anwälten beraten wolle. Der Prozess wird am Donnerstag, 7. Juni, um 8.30 Uhr am Landgericht Ravensburg fortgesetzt.