Umgang mit Grundschulempfehlung bislang reibungslos
Schreiben sind verschickt – Ab diesem Jahr müssen Eltern die Dokumente bei den weiterführenden Schulen vorlegen
STUTTGART - Ab diesem Schuljahr müssen Eltern die Grundschulempfehlung ihres Kindes bei der weiterführenden Schule wieder vorlegen. Die damalige grün-rote Landesregierung hatte diese Pflicht kurz nach Regierungsantritt 2011 abgeschafft. Experten hatten befürchtet, dass der Druck auf die Eltern nun wieder wachse. Die Empfehlungsschreiben sind verschickt – Probleme gibt es bislang offenbar keine.
Seit dem Schuljahr 2012/2013 entscheiden allein die Eltern darüber, auf welche Schulart ihr Kind nach der vierten Klasse wechselt. Grüne und SPD hatten schnell Schluss gemacht mit der verbindlichen Grundschulempfehlung. Eltern durften die aufnehmende Schule über die Empfehlung für ihr Kind informieren, aber sie mussten es nicht tun. Der Grund für die Änderung: Die Schüler sollten in der neuen Schule auf unvoreingenommene Lehrer stoßen. Deshalb kritisierte die SPD-Landtagsfraktion – mittlerweile in der Oppossition – die erneute Änderung durch Grün-Schwarz scharf. Kinder würden nun möglicherweise wieder stigmatisiert, wenn sie auf Schulen wechselten, für die sie keine Empfehlung hätten.
Elternwille bleibt entscheidend
Schulpsychologen hatten Bedenken zur neuen Regelung geäußert. Sie würde den Stressfaktor für Eltern und Kinder wieder erhöhen. Nun, da die Grundschulen ihre Empfehlungen verschickt haben, scheint diese Befürchtung nicht eingetroffen zu sein. Gerhard Mahler von der Schulpsychologischen Beratungsstelle Ulm sieht bislang keine Reibung. „Man hat so den Eindruck: Das läuft“, sagt er. Das liege wohl daran, dass der Elternwille noch immer einzig ausschlaggebend ist. „Der Faktor Elternwille bleibt der stärkere“, sagt Mahler, der auch Mitglied im Vorstand des Landesverbands der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ist. Deren Vorsitzende Nina Großmann glaubt, dass mögliche Konflikte noch ausstehen. „Ich weiß von Schulleitern, die eine Rangliste der Schüler erstellen wollen“, sagt sie. Dann würden die freien Plätze an der Schule von oben aufgefüllt. „Wer unten ist, fällt raus.“
Wie Großmann wartet deshalb auch Sandra Boser, Bildungsexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, auf den 21. und 22. März. Das sind die zwei zentralen Anmeldetagen bei den weiterführenden Schulen. Der wirkliche Konflikt könnte sich erst dann ergeben, glaubt Boser. Denn: „Was ich kritisch beobachte ist, dass die Realschulen, die jetzt auch den Hauptschulabschluss anbieten, stärker selektieren.“Sie befürchtet, dass die Realschulen schwächere Kinder eher „wegberaten“– gerade dann, wenn mehrere Schularten an einem Ort gebündelt sind.
Matthias Schneider von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lobt, dass die Eltern die Empfehlung der Grundschullehrer sehr ernst nähmen – gerade auch, seitdem diese nicht mehr verbindlich sind. Die Übergangszahlen beweisen dies, bestätigt eine Sprecherin des Kultusministeriums. „Die absolute Mehrheit der Eltern geht sehr verantwortungsbewusst mit der Entscheidung um“, sagt sie.
Kritik an früher Aufteilung
Ob die Empfehlung nun wieder vorgelegt werden muss oder nicht: Für Carsten Rees, den Vorsitzenden des Landeselternbeirats, ist die gesamte Diskussion eine „gigantische Augenwischerei“, wie er sagt. Die Neuregelung, die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nun umsetzt, sei purer Aktivismus. „Man beweist, dass man was getan hat.“sagt Rees. Ein echtes Problem habe es nicht gegeben, sondern lediglich eines, das von der Politik beschworen wurde, um hinterher eine Lösung verkaufen zu können. Rees verweist auf Bildungsstudien, die besagten, dass eine Aufteilung der Kinder nach der vierten Klasse zu früh sei. „Das ganze System hat mit einer validen Prognose für Bildungserfolg nichts zu tun“, sagt Rees.
Das betont auch GEW-Geschäftsführer Schneider. „Es ist zu früh, wenn Kinder mit zehn Jahren aufgeteilt werden.“Deshalb habe sich seine Erziehungsgewerkschaft auch für ein längeres gemeinsames Lernen stark gemacht, wie es in anderen Bundesländern praktiziert werde.