Zentralamerika für Anfänger
Das kleine Costa Rica mit seiner großartigen Natur unternimmt viel, um seine Ressourcen zu schützen
Die Costa Ricaner, die Ticos, bezeichnen sich selbst als das glücklichste Volk der Erde. Sie wissen, dass ihr größter Reichtum und ihr größtes Glück die Natur ist. Und damit gehen sie ganz bewusst um. Das Land bezieht den größten Teil seiner Energie aus regenerativen Quellen und lebt nach dem Motto „La pura vida!“– das reine Leben. Ihre Schätze – mehr als 20 Nationalparks und diverse Schutzgebiete – wollen sie erhalten und pflegen. Costa Rica ist weltweit das bedeutendste Ziel im Ökotourismus. Es gibt Hotels, die den Müll aus den Zimmern von Hand trennen lassen, weil die Gäste es nicht tun; die mit abbaubaren Waschmitteln Bettwäsche und Handtücher waschen, um mit dem gereinigten Abwasser Teiche für Frösche zu befüllen; die den Großteil der angebotenen Lebensmittel selbst anbauen oder aus der Region beziehen.
Artenvielfalt am Straßenrand
Jeder, der Natur erleben will, ist in Costa Rica genau richtig – denn es herrscht große Vielfalt auf kleinem Raum. Für Menschen, die ausschließlich am Strand liegen wollen, ist eine Reise in dieses kleine mittelamerikanische Land die falsche Entscheidung. Wer aber Regenwald und Vulkane, Surferwellen und heiße Quellen erleben will, wer sich an Ziplines über den Dschungel, auf Pedal Boards über den See neben dem Vulkan Arenal und auf wackeligen Hängebrücken durch den Regenwald bewegen will, wer schnorcheln und trekken will, ist in Costa Rica genau am richtigen Platz. Vor allem aber, wer ein Herz für Tiere hat, kann dort viel entdecken: Die Artenvielfalt ist riesig. Es gibt farbenfrohe Frösche, giftige Schlangen, Schmetterlinge groß wie Untertassen, Schildkröten und Krokodile. In den Bäumen am Straßenrand spielen Affenkinder, während Tukane gelassen über die Baumkronen schauen.
Eine Besonderheit ist der sogenannte Nebelwald an den Hängen der Berge im Biologischen Reservat Monteverde. In diesem Ökosystem herrscht hundertprozentige Luftfeuchtigkeit, was vor allem für die Pflanzenwelt entscheidend ist. Nebelwälder sind vom Klimawandel besonders bedroht: Nur eine Woche ohne den Dunst, der aus dem Tal nach oben durch die Regenwälder zieht, und der Wald würde zu sterben beginnen.
In der Provinz Alajuela, deren Blickfang der Vulkan Arenal mit seiner perfekten Kegelform ist, führt Cristian Nachtwanderungen durch den Nebelwald. Er drückt den Besuchern kleine Taschenlampen in die Hand. „Wenn hinter euch ein Puma ist, einfach auf Blinklicht schalten, dann haut er ab“, sagt er gelassen, und ergänzt: „Nichts anfassen im Wald. Ihr wisst nicht, ob das wirklich ein Ast ist, was da hängt.“Denn im Regenwald gibt es Schlangen – auch giftige. Und so bekommt die Wanderung durch den dunklen Dschungel einen Gruselfaktor, den fremde Laute rundherum noch verstärken.
Es ist laut nachts im Dschungel. Es kreischt, raschelt, quakt, krächzt und piept. Cristian hat ein geschultes Ohr und ein noch besseres Auge. In dem Lärm hört er ein Quaken heraus , verschwindet kurz im Dickicht neben dem Trampelpfad. Fünf Meter weiter, zwischen großen Blättern, hat er einen Frosch ausgemacht, so klein wie sein halber Daumen, grün auf grünem Blatt. Ein paar Meter weiter findet er eine kleine Attraktion: Zweimaliges Quaken hat ihm gereicht, um den berühmtesten Frosch Costa Ricas – den Rotaugenfrosch mit den blauen Beinchen – im Stockdunkeln ausfindig zu machen.
Auch bei Tag gibt es Möglichkeiten, den Regenwald und seine Bewohner aus nächster Nähe zu betrachten: Im Mistico Arenal Hanging Bridges Park gelangen die Besucher auf einem gut zweistündigen Rundgang durch alle Etagen des Regenwaldes: vom Wurzelwerk majestätischer Bäume bis zu den Baumkronen des Dschungels. Der beste Blick bietet sich von den langen Hängebrücken. Auf Wanderwegen rund um den Vulkan Arenal kringeln sich die Schlangen nicht nur im hohen Gras, sondern auch auf Augenhöhe an Bäumen, an denen sie wie angeklebt auf der Rinde ruhen.
Die Schweiz Zentralamerikas
Wer ganz sicher gehen will, dass er die tropische Tierwelt zu sehen bekommt, ist im Nationalpark Manuel Antonio gut aufgehoben – allerdings sind dort deutlich mehr Menschen unterwegs als im Nordwesten des Landes. Wer Pech hat, wird wegen Überfüllung wieder weggeschickt.
Der Dschungel ist nur ein Aspekt, der Costa Rica zu einem spannenden Reiseziel macht: Mindestens so sehenswert ist der Nationalpark Tortuguero mit seinen Kanälen und Lagunen, durch die fast alle Hotels Bootstouren anbieten. Selbst für Costa Rica ist die Artenvielfalt in diesem Schutzgebiet herausragend.
Und damit ist noch lange nicht Schluss in puncto Urlaubsanreize: Costa Rica hat eine Atlantik- und eine Pazifikküste, und fast überall finden Surfer großartige Bedingungen.
Weshalb Costa Rica die Schweiz Zentralamerikas genannt wird, hat gleich mehrere Gründe: Einerseits ist das Land im Vergleich zu seinen Nachbarn teuer – mitteleuropäische Preise sind normal. Es ist sauber – vor allem im Vergleich zu anderen Ländern in diesem Teil der Erde. Anders als die neutrale Schweiz hat Costa Rica aber seit 1949 keine Armee mehr. Vielleicht sind die Ticos auch deshalb das glücklichste Volk der
Erde.