Als Sven Hannawald sein „Zeug“machte
In Bischofshofen war der erste Grand-Slam-Sieger des Skisprungs vor 16 Jahren alles andere als entspannt – Bundestrainer Reinhard Heß’ große Geste
Wie war das damals noch mal genau, als Sven Hannawald bei der 50. Tournee schaffte, was Kamil Stoch nun wiederholt hat? Die „Schwäbische Zeitung“hat im Archiv geblättert. Am
las man unter anderem: Favorit ist auch für Bundestrainer Reinhard Heß Vorjahressieger Adam Malysz. Der Pole gewann in dieser Saison bereits sechs von neun Weltcups. Der österreichische Cheftrainer Toni Innauer brachte die allgemeine Einschätzung auf den Punkt: „Malysz, wer sonst?“(...) Andererseits: SkiflugWeltmeister Sven Hannawald springt stabil wie selten und fand sich fast immer unter den ersten Fünf wieder, deshalb traut Reinhard Heß ihm am ehesten einen Platz unter den ersten Drei der Gesamtwertung zu. „Meine Form stimmt. Wenn sich das mit dem Wachs noch regelt, dann könnte was gehen“, sagte Hannawald selbst.
2001 Tags darauf
Dann kam schrieb:
28. Dezember
erfuhren die Leser: „Ich hoffe, meinen Lauf und meine Form halten zu können und das glückliche Händchen zu haben, das man zum Sieg braucht“, sagte der 27-jährige Hinterzartener, der nach dem Wechsel der Skimarke so gut wie selten zuvor in eine Saison gestartet ist.
Oberstdorf, das Auftaktspringen:
Die „Schwäbische Zeitung“
Nachdem Martin Schmitt in den vergangenen drei Jahren der große Triumphator gewesen war, sprang gestern Sven Hannawald für den schwächelnden vierfachen Weltmeister (Rang 19) in die Bresche und siegte vor 23 000 Zuschauern im ausverkauften Skistadion an der Schattenbergschanze vor dem Österreicher Martin Höllwarth und dem Schweizer Jungstar Simon Ammann (...) Es war für den 27-jährigen Hinterzartener der zweite Tagessieg bei der Vierschanzentournee nach seinem Erfolg vor drei Jahren in Bischofshofen (...) „Ich kann es immer noch nicht richtig begreifen. Ein absolut traumhafter Tag“, sagte er nach seinen zwei 122 Meter weiten Sprüngen, die ihm 260,2 Punkte einbrachten (...) „Endlich hat er mal seinen inneren Schweinehund überwunden“, lobte Bundestrainer Reinhard Heß seine neue Nummer 1 im Team. „Ich bin stolz auf den Jungen.“
Der begann 2002, wie er 2001 aufgehört hatte. Aus berichtete die „Schwäbische Zeitung“:
„Ich musste losschreien, als der Erfolg feststand, weil die Anspannung so groß war“, sagte Hannawald und tanzte nach seinem Sieg im Neujahrsspringen mit den Skiern hoch über dem Kopf im Auslauf (...) Hannawald gewann vor der Rekordkulisse von 35 000 Zuschauern mit 264,5 Punkten für Sprünge von 122,5 und (Tagesbestweite:) 125 Meter vor dem nach dem ersten Durchgang noch führenden Andreas Widhölzl. Der Österreicher landete bei 122 und 124 Meter (...) „Ich wusste, dass es ein schönes Duell wird. Doch ich war dem Herzinfarkt nahe“, sagte Hannawald. Er war nach dem Zweikampf mit Widhölzl im ersten Durchgang nur als „Lucky Loser“ins Finale der besten 30 gekommen (...) In der Tourneewertung hat er nun knapp 20 Punkte Vorsprung vor Malysz. „An den Gesamtsieg denke ich aber noch nicht. Ich konzentrier’ mich auf mich. Ich mach’ mein Zeug. Die Gesamtwertung, die ergibt sich am 6. Januar, die kann man am 7. dann in der Zeitung lesen. So weit denk’ ich nicht.“
Partenkirchen Innsbruck.
Sondern nur bis notierte die „SZ“Folgendes:
„Ich kapiere das alles gar nicht. Trotz des ganzen Nervendrucks gelingen mir phänomenale Sachen“, sagte Hannawald. Auf der neuen Bergisel-Schanze landete der 27-Jährige mit Schanzenrekord (134,5 Meter) den ersten deutschen Sieg seit 18 Jahren (Jens Weißflog/1984). Der zweitplatzierte Adam Malysz (Polen) lag 23 Punkte zurück. Hannawald baute seine Führung in der Gesamtwertung auf 42,9 Punkte – umgerechnet 24 Weitenmeter – vor Malysz aus (...) „Ich brauche noch zwei gute Sprünge in Bischofshofen und werde weiter so beschissen schlafen wie in den letzten Tagen“, sagte Hannawald. „In Bischofshofen werde ich voll angreifen. Dort Die Schanze liegt mir.“– „Der Vierfach-Sieg für Sven ist möglich“, erklärte Bundestrainer Reinhard Heß. „Der Junge hat eine solche Spitzenform. Er muss nur ruhig bleiben.“
Blieb er. Sporthistorisches geschah. Nachzulesen in der „Schwäbischen Zeitung“vom
Nach seiner Landung riss Hannawald jubelnd die Arme in den Himmel, fiel seiner in den Schanzenauslauf stürmenden Schwester Jeannette und seinen Eltern in die Arme und machte einen Bauchsprung in den Schnee. „Wenn es noch einen Tag länger gedauert hätte, wäre ich gestorben oder hätte übermorgen eine Glatze gehabt“, sagte er danach. „Ich war selbst mein größter Gegner, weil ich die ganze Zeit so viel über mich nachgedacht habe. Jetzt will ich nur noch eins: Ruhe und ausschlafen.“(...) Neben dem Eintrag in die Geschichtsbücher erhielt der Hinterzartener eine Nobelkarosse sowie Tournee-Gesamteinnahmen von 330 000 Euro.
Bundestrainer Reinhard Heß verneigte sich im Auslauf stellvertretend für die Skisprung-Welt vor Sven Hannawald. „Es ist sicherlich nicht schlecht, wenn man auch einmal die Sinuskurven des Lebens durchlebt hat“, sagte Heß und dachte an Hannawalds schlimme Zeiten mit Magersucht-Gerüchten und der 2001 vorzeitig abgebrochenen Saison. (lin)
7. Januar 2002: