Der gefährliche Kick mit dem Jenseits
Verschenktes Potenzial: Der Grusel-Klassiker „Flatliners“wird neu, aber nicht besser erzählt
Studenten versetzen sich absichtlich in Nahtod-Erfahrung und lernen dabei mehr über sich selbst, als ihnen liebt ist – das war das durchaus originelle Konzept hinter „Flatliners – Heute ist ein schöner Tag zum Sterben“. Der 1990 erschienene Film wäre als solider Thriller mit spannender Prämisse dennoch weitgehend in Vergessenheit geraten, hätte er nicht mit so einer prominenten Besetzung punkten können. Regisseur Joel Schumacher war seit „St. Elmo’s Fire“auf dem Weg nach oben, wurde dabei aber von seiner Hauptdarstellerin noch übertroffen: Für Julia Roberts war es der erste Film seit dem „Pretty Woman“-Durchbruch. Dazu gesellten sich noch Kiefer Sutherland, Kevin Bacon und William Baldwin, die mit ihrem Einsatz darüber hinwegtrösteten, dass man aus der Grundidee mehr hätte machen können.
Wenn nun 27 Jahre später eine Neuauflage erscheint, dann könnte man erwarten, dass das Vorbild in entscheidenden Punkten verbessert wird. Aber im Kern erzählt das zweite „Flatliners“die gleiche Geschichte noch mal. Die Julia-Roberts-Rolle wird dieses Mal von Ellen Page („Juno“) übernommen. Sie spielt die Medizinstudentin Courtney Holmes. Mit anderen angehenden Ärzten arbeitet sie hart an der Belastungsgrenze auf der Intensivstation.
Doch Courtney trägt ein dunkles Geheimnis mit sich herum: Vor Jahren hat sie durch Unaufmerksamkeit einen Autounfall verursacht, der zum Tod ihrer jüngeren Schwester Theresa führte.
Seitdem ist sie offenbar besessen vom Gedanken an das Jenseits, wobei sich der Film nicht viel Zeit nimmt, diese Motivation auszuleuchten. Vielmehr geht es gleich zum Wesentlichen: Courtney will einen Blick in das besagte Jenseits werfen. Dazu heuert sie zwei Mitstudenten an, Jamie (James Norton), den Playboy aus wohlhabendem Hause, und die ehrgeizige Sophia (Kiersey Clemons). In einem abgelegenen Trakt des Krankenhauses sollen die beiden sie zunächst für 60 Sekunden in einen klinischen Todeszustand versetzen. Auf dem EKG wird dieser Herzstand als Nulllinie (englisch: Flatline) angezeigt.
Danach sollen die Kommilitonen sie wieder ins Leben zurückholen. Die Mitstudenten Marlo (Nina Dobrev) und Ray (Diego Luna aus „Rogue One“) stoßen dazu. Als Courtney wieder zurück ist im Leben, fühlt sie sich tatsächlich neu belebt: Ihr Gedächtnis arbeitet auf Hochtouren, selbst das vor zwölf Jahren aufgegebene Klavierspielen fällt ihr wieder leicht. Dieser Kick weckt natürlich Begehrlichkeiten bei den Mitstudenten, und so wollen auch sie sich ins Jenseits befördern lassen – und das für eine immer längere Zeit.
Was kommt nach dem Tod, eine fundamentalere Frage kann man sich für einen Film kaum aussuchen. Allerdings interessieren den dänischen Regisseur Niels Arden Oplev („Verblendung“) weniger die philosophischen als die Grusel-Aspekte des Themas. Und so werden ähnlich der Vorlage die ins Leben Zurückgekehrten zunehmend von Visionen geplagt, bei denen sie eine Schuld aus ihrer Vergangenheit einholt. Das baut streckenweise durchaus Spannung auf, doch auch angesichts der wenig spektakulären Effekte bleibt von diesem Filmerlebnis nach Rückkehr aus dem Kino wenig hängen. Von einer Grenzerfahrung ist der Film somit weit entfernt.
Flatliners. Regie: Niels Arden Oplev. Mit Ellen Page, Diego Luna, Nina Dobrev, Kiefer Sutherland. USA 2017. 110 Minuten. FSK ab 12.