Härterer Kampf um Agrarsubventionen
Kürzung des EU-Agrarbudgets führt zu massiven Einbußen
BRÜSSEL (dpa) - Die EU-Staaten sollen bei der Verteilung der milliardenschweren Agrarsubventionen mehr Spielraum haben. So sollen die Fördermittel passgenauer auf die jeweiligen Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Nachhaltigkeit und zum Ressourcenmanagement eingesetzt werden. Kritiker befürchten wirtschaftliche Nachteile für Deutschland, wenn andere Staaten billige Massenproduktion fördern. Zudem droht eine Kürzung der Mittel um ein Drittel wegen des Brexits.
BRÜSSEL-Über Geld wollte EU Landwirt schafts kommissar PhilHog an gestern nicht sprechen. Dabei geht es beider milliarden schweren gemeinsamen Agrarpolitik um wenig anderes. 58 Milliarden Euro – knapp 40 Prozent des EU-Haushalts –fließen noch immer in Subventionen für landwirtschaftliche Betriebe, Prämien für umweltschonenden Landbau und die Förderung von Projekten im ländlichen Raum. In Zukunft, so stellt es sich die EU-Kommission vor, sollen nur noch die politischen Ziele, die man mit den Fördermilliarden erreichen will, in Brüssel formuliert werden. Für die Umsetzung sollen mehr die Mitgliedsstaaten verantwortlich sein.
„Wir beschließen in Brüssel, was zu tun ist, und in den Mitgliedsstaaten wird dann entschieden, wie das umgesetzt werden kann“, erläuterte Vize kommiss ions chefJyrkiKata in enden neuen Ansatz. Schließlich seien die Rahmenbedingungen für einen Bauern in Finnland ganz anders als für seinen Kollegen in Griechenland, assistierte Phil Hogan. Vor Ort soll also entschieden werden, wie Klima-und Arten schutz, ressourcensparendes Wirtschaften und die Produktion gesunder Nahrungsmittel am wirksamsten gefördert werden können.
Zahlen zu nennen habe Haushaltskommissar Günther Oettinger aber strikt verboten. Diese Debatte bleibe den Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027 vorbehalten.
Großbritannien wird dann nicht mehr EU-Mitglied sein, was ein riesiges Loch in die Haushaltskasse reißen dürfte. Zwar bestätigte der irische Kommissar Hogan gestern, was zuvor britische Zeitungen gemeldet hatten: Die Regierung in London scheint nun bereit, bis zu 55 Milliarden Euro als Schlussrechnung vor dem Austritt zu akzeptieren. Das aber deckt nur laufende Kosten und bereits eingegangene Verpflichtungen der kommenden Jahre ab. In der neuen Finanzperiode ab 2021 muss die EU dann ohne britische Finanztransfers auskommen.
Schärfere Verhandlungen
In dieser Situation gewinnt die Debatte um die Agrarbeihilfen neue Brisanz. Klimaschutz, Forschung und Bildung, die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Wirtschaftsmigranten konkurrieren um knapper werdende Mittel. Bei den im kommenden Jahr anstehenden Finanzverhandlungen wird sich also die Verteilungsfrage noch viel schärfer stellen als in den vorangegangenen Runden.
Sollte das Agrarbudget um ein Drittel gekürzt werden, müssten Betriebe mit Rindern, Schafen oder Ziegen, Getreidebauern, sowie Produzenten von Ölsamen und Proteinpflanzen mit Einkommenseinbußen von 26 Prozent rechnen, zeigt eine Studie der Landwirtschaftsabteilung in der EU-Kommission. Betroffen seien sowohl kleine als auch sehr große Höfe.
In Schweden und Finnland hätten sie mit Einbußen von über 30 Prozent zu rechnen, in Osteuropa von mehr als zehn Prozent. Schwierig würde es auch für Bauern, die eine Sonderförderung für Landschaftspflege erhalten wie zum Beispiel österreichische Bergbauern. Die Studie sagt auch „sinkende Standards für Boden-, Wasser-, Luftschutz, Biodiversität und Klimafreundlichkeit“voraus.
Bislang verteidigten die landwirtschaftlichen Interessenverbände ihre über Jahrzehnte gewachsenen Ansprüche erfolgreich. Vor allem das Agrarland Frankreich wehrte sich gegen grundlegende Änderungen. Glaubt man aber dem jungen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dann wird er sich einer radikalen Umstrukturierung der Agrarförderung nicht in den Weg stellen. Die EU-Kommission hat gestern erklärt, sie werde Mitte 2018 ein entsprechendes Gesetz vorlegen.