Wer sich anstrengt, soll bleiben können
Arbeitgeber, die Flüchtlinge beschäftigen, kritisieren drohende Abschiebung.
WANGEN (sz) - So mancher Arbeitgeber, der Flüchtlinge beschäftigt, fühlt sich verunsichert, weil die Flüchtlinge teilweise von Abschiebung bedroht sind. Das wurde bei einem Informationsabend für Arbeitgeber deutlich, bei dem es um die Fragen der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ging. Die Stadt Wangen hatte ihn gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Organisationen, die an diesem Thema arbeiten, veranstaltet.
Seit zwei Jahren gibt es bei der IHK Bodensee-Oberschwaben die „Kümmerin“, Claudia Bissinger, die von 99 Ausbildungsverträgen mit Flüchtlingen berichtete, davon 79 neu in diesem Herbst abgeschlossen. Sie reichten vom Koch bis hin zum Fachlageristen. So kam beispielsweise ein früherer Jurist aus Syrien als Koch in einem renommierten Gasthaus in Friedrichshafen unter und sei dort aus dem Betrieb nicht mehr wegzudenken. Die einzige Hilfe, die er brauche, sei beim Schreiben der Berichtshefte, weil dabei sein Deutsch manchmal noch nicht ausreiche, sagte Bissinger.
Ewald Wasner von der Handwerkskammer in Ulm berichtete, dass dort 182 Ausbildungsverträge neu eingetragen wurden, wie es in einer Pressemitteilung der Stadt heißt. Er vermeldete zudem eine erfolgreiche Ausbildung zum Bäcker und sagte: „Das Handwerk hatte noch nie Integrationsprobleme.“Allerdings mischte sich in die Aussage ein Wermutstropfen. Denn zwei Drittel aller Kandidaten kommen laut Wasner aus Ländern mit „nicht so guter Bleibeperspektive“. Hier herrsche große Unsicherheit und die Politik wisse wohl noch nicht, wie es in diesem Bereich weitergehen soll.
Kammer kann Lobbyist sein
Diesen Ball nahm Bauunternehmer Gerald Fischbach auf und fragte in die Runde, wer außer ihm noch von dieser Hängepartie betroffen sei. „Ich finde es schade, dass man viel Zeit in die Flüchtlinge investiert und gleichzeitig in der Frage des Bleiberechts nicht vorankommt.“Fischbach beschäftigt einen Mann aus Afghanistan, der nach Lage des Gesetzes derzeit kaum Aussicht hat, in Deutschland bleiben zu können. Der Sprecher der Handwerkskammer deutete an, dass die Kammer als Lobbyist durchaus Einfluss und auch in einigen Fällen bereits etwas erreicht habe.
Oberbürgermeister Michael Lang brach eine Lanze für die Flüchtlinge: „Unser Staat bräuchte es ganz dringend, dass die belohnt werden, die sich anstrengen. Die Politik ist da noch Antworten schuldig.“Er bat darum, die Flüchtlinge auch weiterhin auf ihrem Weg in den Beruf zu unterstützen. „Hoffen wir, dass die Zeit das auch richtet. Es ist wichtig, dass die Betriebe das Problem ansprechen“, fügte er an, wie es in der Mitteilung weiter heißt.
Die Vertreter der Organisationen stellen vor, welchen Unterstützung sie für Arbeitgeber und für Flüchtlinge erbringen können.
Die Agentur für Arbeit ist Ansprechpartner für Asylbewerber mit einer Gestattung oder Duldung, wie Gabriele Maucher erläuterte. Sie dürfen ab dem vierten Monat des Aufenthalts in Deutschland arbeiten. Eine Vorrangprüfung, die untersucht, ob es EU-Bürger gibt, die zu bevorzugen seien, ist derzeit ausgesetzt.
Das Jobcenter ist Ansprechpartner für anerkannte Flüchtlinge, die in der Regel aus Syrien, dem Iran, dem Irak, aus Somalia oder Eritrea kommen. Wer ALG II beziehe, habe automatisch eine Arbeitsgenehmigung, sagte Sprecher Bernd Urban. Arbeitgeber könnten unter bestimmten Bedingungen Zuschüsse erhalten, wenn sie einen Flüchtling ins Unternehmen eingliedern.
Menschen, die Zeit investieren, um Flüchtlinge zu begleiten, kommen vom „Senior Experten Service“und dem Programm „Vera“, wie Regionalkoordinator Uwe Hinderer aus Ravensburg erläuterte. Die Experten sind Pensionäre oder Rentner, die jede Menge Wissen und Erfahrung einbringen und damit junge Menschen, egal ob Flüchtling oder nicht, in ihrer Ausbildung begleiten. Die Zahlen sprechen für sich: Während normalerweise jeder vierte Jugendliche seine Ausbildung abbricht, kommen mit der Unterstützung der Senioren 81 Prozent der Jugendlichen ans Ziel.
Neue Job-Plattform im Aufbau
Noch im Aufbau befindet sich die Kommunikationsplattform, die von der Elobau-Stiftung unter dem Stichwort Jobkraftwerk aufgebaut wurde. Dort können Flüchtlinge ihre Lebensläufe einstellen, und Unternehmer können dort recherchieren, ohne erkannt zu werden. Wangens Flüchtlingsbeauftragter Martin Lobinger wies auf die 200 Flüchtlinge hin, die im kommenden Jahr ihren Sprachkurs beenden und dann auch für die Integration auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Wer die Plattform Jobkraftwerk ausprobieren will, kann sich unter http:///Test.jobkraftwerk.com anmelden und suchen.