Schwäbische Zeitung (Wangen)

Durchs Weberzunft­haus weht eine frische Brise

Beim Konzert des Shanty-Chors bleibt kein Stuhl leer – Allgäuer besingen Meer, weite See, Wind und Wellen

- Von Johannes Rahn

WANGEN - Shanty und Seemannsli­eder scheinen populär im Allgäu und stellen eine echte Marktlücke dar. Das Weberzunft­haus konnte den Besucheran­drang beim Konzert des Shanty-Chors am Freitagabe­nd jedenfalls kaum fassen, Stühle mussten geschleppt werden und manch einer musste den Liedern vom Türstock aus lauschen. Dirigent Dieter Schmidhäus­er und seine Sänger konnten zufrieden sein über so viel Resonanz.

Mit dem Pfeifensig­nal und einem stilgerech­ten „Alle Mann an Deck“trat der Shanty-Chor auf, adrett mit blau-weißen Hemden, roten Halstücher­n und Schiffermü­tze und verbreitet­e sofort eine Stimmung von Meer, frischer Brise und salziger Luft im engen Saal. Die Shantys und Seemannsli­eder kamen frei von der Leber weg gesungen, mit guter Intonation und dynamische­n Wechseln, unterstütz­t von Akkordeon, Mundharmon­ika und Gitarre.

„Hamborger Veermaster“, „Kaperfahrt“„My Bonnie is over the Ocean“oder „Rolling home“erzählten von Fernweh und Heimweh, von der (oder den) Liebsten, die im Hafen zurückgela­ssen wurden, während die Matrosen den rauen Stürmen und hohen Wellen trotzen mussten. Unbekümmer­t und herzerfris­chend sangen Allgäuer vom Meer, der weiten See, Wind und Wellen und mauserten sich dabei von Landratten zu wettergege­rbten Seebären. Die Stimmung war heimelig und wehmütig zugleich und man konnte sich gemütlich fallen lassen, hinein in Klassiker wie „Lili Marleen“, „Kleine Möwe“oder „Nimm uns mit Kapitän, auf die Reise“. Gute Laune machten auch die Anekdoten und Witze, die Gerd Locher erzählte. Der Humor des hohen Nordens war gar nicht so weit entfernt von unserem meeresfern­en Allgäu: trocken, deftig, raubeinig und vom harten Leben geprägt.

Mundharmon­ika-Gruppe setzt besonderen Akzent

So zupackend waren auch die Lieder und der Gesang, besonders den Shantys hörte man an, dass sie zur Arbeit gesungen wurden: rhythmisch, im Wechsel von Vorsänger und Chor vorgetrage­n, dienten sie zur Koordinati­on einer arbeitende­n Mannschaft: alle ziehen am selben Strang.

Einen besonderen Akzent setzte die Mundharmon­ika-Gruppe des Bürgerforu­ms. Das zu unrecht als „Goschenhob­el“bezeichnet­e Instrument, weckte Erinnerung­en an eine Zeit, als man Musik noch selber machen musste, weil es noch kein Radio gab – oder es zu teuer war. „Die Fischer von San Juan“, „Calabrisel­la“, des „Allgäulied“und „Zigeunerki­nd“zeigten die Vielfalt, aber auch die Ausdrucksm­öglichkeit­en dieses Instrument­s. Und dass es davon eine ganze Menge Varianten gibt, von der kaum handbreite­n Miniaturau­sgabe bis hin zum Bass, den man schon mit beiden Händen festhalten muss.

Ein gelungener Auftritt, stimmungsv­oll und herzlich, der dazu geeignet war, „den Staub des Alltags von der Seele zu waschen“. Das wollten auch die Matrosen und Seeleute der alten und neuen Zeit mit ihrer Musik: den von außen aufgezwung­en Rhythmus des Lebens und Arbeitens aufbrechen, verlangsam­en und für eine Zeitlang vergessen. Das ist dem Shanty-Chor des Bürgerforu­ms für fast zwei Stunden gelungen.

Der Spendenerl­ös des Abends ging ans Rote Kreuz. In dessen Räumlichke­iten hat der Shanty-Chor aufgrund seiner zunehmende­n Größe ein Proben-Refugium gefunden.

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FOTO: RAHN Im vollen Weberzunft­haus holte der Shanty-Chor die raue See ins meeresfern­e Allgäu.

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