Die zweite Rheinbrücke rückt in weite Ferne
Geld ist da, eine behördliche Genehmigung auch, aber mehrere Klagen dürften das 100-Millionen-Euro-Projekt bei Karlsruhe weiter verzögern
KARLSRUHE/WÖRTH (dpa) - Unternehmen und Pendler sehnen sie herbei, Naturschützer und die Stadt Karlsruhe wollen sie verhindern: Die geplante zweite Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth entzweit seit über einem Jahrzehnt die Gemüter. Die Fronten in dem Konflikt gehen quer durch die Parteien, Länder und Kommunen. Formal ist das umstrittene 100-Millionen-Euro-Projekt nun einen großen Schritt weiter: Seit Ende September ist der Planfeststellungsbeschluss auf baden-württembergischer Seite erlassen, aus Rheinland-Pfalz wird bis Jahresende eine Entscheidung erwartet. Doch mehrere Klagen dürften die geplante Rheinquerung weiter verzögern. Das Stuttgarter Verkehrsministerium rechnet mit einem Baubeginn erst in sieben bis acht Jahren.
Für die Umweltschützer ist die etwa 1,4 Kilometer nördlich des bestehenden Rhein-Übergangs geplante Brücke ein Relikt einer überholten Verkehrspolitik von gestern. „Sie steht im Widerspruch zu deutschen und europäischen Klimaschutzzielen“, sagt Hartmut Weinrebe, der für den Oberrhein zuständige Regionalgeschäftsführer beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Die Naturschützer sehen zudem Schilfgebiete sowie Auenwälder und damit Lebensräume von Fledermäusen und gefährdeten Vögeln wie Purpurreiher und Zwergdommel bedroht. „Es werden gravierende Zerstörungen von Natur und Landschaft in Kauf genommen.“
Ein länderübergreifendes Bündnis aus Umweltschutz- und Verkehrsverbänden, Bürgervereinen und Naturschutzgruppen bereitet derzeit Klagen gegen die vom Bund für 107 Millionen Euro geplante Brücke vor. Die dafür nötigen 40 000 Euro an Spenden, die im Fall einer Niederlage Kostenrisiken abmildern sollen, sind schon fast zusammen.
Bis zum 2. Januar nächsten Jahres kann nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe Klage erhoben werden. Auch die Stadt Karlsruhe lässt derzeit die Erfolgsaussichten prüfen. Sie muss nachweisen, dass ihre Planungshoheit durch eine zweite Brücke substanziell verletzt wird. Die vom SPD-Oberbürgermeister Frank Mentrup geführte Baden-Metropole befürchtet, dass mit der neuen Brücke der Verkehr und damit Lärm und Schmutz in Karlsruhe zunehmen. Sie favorisiert eine Ersatzbrücke am alten Standort.
Am 12. Dezember soll der Gemeinderat endgültig über die Klage entscheiden. Das Votum gilt als sicher: Einen Beschluss für eine fristwahrende Klage gibt es schon. „Unverantwortlich“findet das die Karlsruher CDU, die sich wie die Industrieund Handelskammer (IHK) für die zweite Brücke stark macht. Schließlich ist die 1966 gebaute alte Brücke, über die täglich 80 000 Fahrzeuge fahren, seit langem völlig überlastet und sanierungsbedürftig. „Die Realisierung der zweiten Rheinbrücke bei Wörth hat aus rheinland-pfälzischer Sicht vordringliche Priorität“, heißt es so aus dem von der FDP geführten Mainzer Verkehrsministerium. „Die täglichen Staus auf der bestehenden Rheinbrücke an Werktagen sind hierfür ein Indiz.“
Für das grün-geführte badenwürttembergische Verkehrsministerium ergibt sich der Bedarf schon deshalb, weil es im Notfall derzeit „keine zumutbare Ausweichstrecke“gebe. Mit der zweiten Brücke, die an die B 36 angebunden werden soll, würde auch die zunehmend verstaute Südtangente spürbar entlastet. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg: Uwe Lahl, Amtschef im Stuttgarter Ministerium, rechnet mit einer mehrjährigen Verzögerung durch die Klagen. Selbst, wenn diese im Sinne der Brückenplaner entschieden werden, braucht es nach seiner Schätzung noch etwa vier Jahre für Ausgleichsmaßnahmen für den Artenschutz. „Das heißt: Mit dem Baubeginn kann in sieben bis acht Jahren gerechnet werden.“
Lange Umwege durch Sanierung
Pendler, Ausflügler und Unternehmer, die schon jetzt täglich im Stau stehen, bekommen demnächst einen Vorgeschmack auf die nahe Zukunft: Mitte kommenden Jahres soll die alte Brücke saniert werden. Bei laufendem Verkehr. Das Regierungspräsidium geht davon aus, dass die Arbeiten 14 Monate dauern werden. An Wochenenden soll die Brücke auch mal ganz gesperrt werden. Um über benachbarte Brücken ans Ziel zu kommen, müssen Autofahrer laut Behörde dann lange Umwege von rund 60 Kilometern in Kauf nehmen. Oder sie lassen es ganz entspannt angehen und setzen mit einer der drei kleinen Fähren der Region ans andere Ufer des Rheins über.