Eine dürftige Geschichte
Am 16. September 2005 ereignete sich in einem Hotel in Tirol nahe Innsbruck ein ungewöhnlich seltsamer Vorfall.“So beginnt der Roman „Romeo oder Julia“. Der seltsame Vorfall ist ein Einbruch in das Hotelzimmer des Schriftstellers Kurt Prinzhorn. Die unbekannte Diebin stahl Notizbücher und Manuskripte des Autors sowie seine Schlüssel. Außerdem nahm sie sich Zeit für ein Bad und hinterließ neben Seifenschaumresten ein Büschel langer schwarzer Haare. Ein Vorfall, der sich im wahren Leben des fränkischen Schriftstellers Gerhard Falkner so ähnlich ereignet hat. Weil sich der Diebstahl nie aufklären ließ, machte der 66-Jährige einen Roman daraus. Herausgekommen ist eine Stalking-Geschichte, gespickt mit unendlich vielen Zitaten aus Kunst, Literatur, Film und Mode.
Eine abgelegte Geliebte sinnt auf Rache. Sie will den Protagonisten, einen eitlen Zyniker, auf seinen Reisen zu Schriftsteller-Kongressen zur Strecke bringen. Den Titel des Romans, der auf Shakespeare anspielt, darf man als ein Spiel auf Leben und Tod verstehen.
Bilderreich beschreibt Falkner, der als Lyriker bekannt wurde, Orte und Landschaften. Formulierungen wie „Die Nacht klemmte wie ein schwarzer Klotz zwischen den matt helleren Bergen“sind poetisch. Manchmal übertreibt er es, wenn er schreibt, dass es in Innsbruck an einem Sonntagvormittag keine Busse gibt, „die man sich auf der Zunge hätte zergehen lassen können“.
Die Hauptfigur bleibt seltsam fremd, die Handlung ist dürftig. Seitenweise geht es um Nichtigkeiten selbstverliebter, wodka-seliger Schriftsteller. Das mag satirisch gemeint sein, witzig ist es aber nicht. Zugleich werden belanglose Geschehnisse gern mit literarischen Anspielungen aufgebauscht. Eine Kostprobe: „Ich öffnete den Wein. Der Kork seufzte wie meine aus dem nassen Lehm gezogenen Arbeitsschuhe auf der Baustelle im Ort ohne Eigenschaften.“Man wird das Gefühl nicht los, hier protzt einer mit seiner Bildung.
Und was sollen Sätze wie: „Das Glück und das Unglück liegen manchmal so dicht beieinander wie Anus und Vagina. Tür an Tür.“Ist das ironisch gemeint oder einfach nur peinlich? Gerhard Falkner hat es mit diesem Roman – warum auch immer – auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. Heute soll verkündet werden, wer die Auszeichnung bekommt.
Gerhard Falkner: Romeo oder Julia, Roman, Berlin Verlag 2017, 272 Seiten, 22 Euro.