„Mit Menschlichkeit hat das nichts zu tun“
Ortspfarrer verbietet Heimenkircher Familie Taufe des Urenkels einer Frau, die ans Röthenbacher Josefsheim gebunden ist
RÖTHENBACH/HEIMENKIRCH - Karin Zwisler weiß nicht mehr, ob sie darüber lachen oder weinen soll. Manche ihrer Bekannten schließen inzwischen Wetten ab, andere prophezeien ihr nur noch einen Kampf, den sie nie gewinnen wird. Eigentlich sollte es nicht ums Kämpfen gehen, sondern um einen wichtigen Tag im Leben eines kleinen Kindes. Geht es nach Zwisler, soll die ganze Familie bei der Taufe ihres Enkels Samuel dabei sein. Geht es nach dem Röthenbacher Pfarrer Werner Karl Badura, wird wohl die Urgroßmutter des Kindes diesen Tag nicht miterleben. Sie ist krank, lebt im Josefsheim in Röthenbach und kann es nicht mehr verlassen. Und obwohl es dort eine Kapelle gibt, lässt der Ortspfarrer eine Taufe in dem Pflegeheim nicht zu.
Für Karin Zwisler war von Anfang an klar: Kann der Prophet nicht zum Berg, muss der Berg eben zum Propheten. „Wann kommt es schon mal vor, dass eine Uroma die Taufe ihres Urenkels miterleben kann?“, fragt die Heimenkircherin. Deswegen ist es für die Familie nahe gelegen, das Sakrament im Pflegeheim spenden zu lassen: Die Urgroßmutter kann dabei sein und die 77-Jährige, die nach einem Schlaganfall zum Pflegefall wurde, ist versorgt, sollte sie Hilfe brauchen oder ihr die Feier zu viel werden. Das Josefsheim hat nichts dagegen, dass die Taufe in der Kapelle stattfindet – unter einer Bedingung: Pfarrer Badura muss zustimmen.
In der katholischen Kirche ist das üblich: Der Ortspfarrer ist verantwortlich für die Gotteshäuser in seiner Pfarrei und entscheidet, welche Feiern dort abgehalten werden – und welche eben nicht. Dem „Codex luris Canonici“, dem Gesetzbuch der katholischen Kirche, zufolge soll eine Taufe in der Pfarrkirche erfolgen, zu der der Täufling gehört, bei Kindern ist das die Pfarrkirche der Eltern. „Die Taufe ist die Aufnahme in die Kirche und damit die Eingliederung in eine konkrete Pfarrgemeinde“, erklärt Nicolas Schnall, Pressesprecher des Bistums Augsburg. „Dieser Bezug zur eigenen Gemeinde soll auch durch die Wahl des Tauforts zum Ausdruck gebracht werden.“
Für Karin Zwisler ist das nur ein weiterer Grund, ihren Enkel im Josefsheim taufen zu lassen. Aufgrund des Wohnorts gehört die Familie zwar derzeit zur Pfarreiengemeinschaft Heimenkirch, „wir sind aber eigentlich Röthenbacher und fühlen uns Röthenbach viel mehr verbunden“, sagt sie. Doch die Pfarrkirche in Heimenkirch sei keine Option: „Da kann die Uroma unmöglich hin. Sie ist nicht mehr mobil.“Bei triftigen Gründen kann ein Kind laut Bistum zwar auch an einem anderen Ort als der Pfarrkirche getauft werden, das liegt laut Schnall aber im Ermessen des Ortspfarrers.
Pfarrer lässt nicht mit sich reden
Warum Pfarrer Badura nur eine Taufe in der Pfarrkirche zulässt, will er im Gespräch mit dem „Westallgäuer“nicht erklären. Über das Pfarrbüro lässt er lediglich ausrichten, dass die Sache „ganz klar geregelt“sei. Auch mit Karin Zwisler wollte er sich ihrer Schilderung nach nicht auf eine Diskussion einlassen. „Für mich ist das Ganze nur noch unverständlich. Die Kapelle im Josefsheim ist doch auch ein Gotteshaus. Dort finden Hochzeiten und Aussegnungen statt, warum dann keine Taufen? Gott ist doch überall“, sagt Zwisler. Sie habe dem Pfarrer auch von der Urgroßmutter erzählt, die so gerne die Feier miterleben will. Doch auch das sei kein Grund gewesen, eine Ausnahme zu machen. Zwisler: „Für mich hat das mit Menschlichkeit nichts mehr zu tun.“
Die Diözese reagiert auf die Geschichte zurückhaltend. Laut Schnall sollte der zuständige Ortspfarrer eine Entscheidung treffen, die „eine für alle Seiten akzeptable Lösung darstellt“. Nicht ohne Grund zähle die Spendung des Taufsakraments zu den in besonderer Weise aufgetragenen Amtshandlungen des Pfarrers. Auf die Frage, ob die Kirche auch in Kauf nimmt, dass sich Gläubige von ihr abwenden, wenn der Ortspfarrer nicht einlenkt, geht der Sprecher nicht ein.
Für Zwisler ist klar: Ihre Bekannten werden die Wetten gewinnen. Mit dem Röthenbacher Pfarrer werde sie keine Lösung mehr finden. Sie überlegt nun, wo sie den kleinen Samuel taufen lassen kann. Das muss nicht zwingend in ihrer Heimatgemeinde sein. Von ihrem zuständigen Pfarrer Martin Weber hat sie einen Erlassschein bereits erhalten. Auf die Urgroßmutter wird die Familie bei der Feier nun aber wohl verzichten müssen.
„Die Kapelle im Josefsheim ist doch auch ein Gotteshaus. (...) Gott ist doch überall.“
Karin Zwisler