Kohls Entschädigungsmillion ist ein Fall fürs Gericht
Keine zwei Monate vor seinem Tod, am 27. April dieses Jahres, machte Helmut Kohl zum letzten Mal Schlagzeilen. Vor dem Landgericht Köln erstritt der Altkanzler eine Rekordentschädigung von einer Million Euro für die Veröffentlichung des Buches „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“. Eine so hohe Summe war in der deutschen Rechtsgeschichte noch nie zugesprochen worden. Die Frage stellt sich, was nun mit dem Geld passiert.
Ausgezahlt worden ist es noch nicht, denn die Buchautoren Heribert Schwan und Tilman Jens sowie der Verlag Random House haben Berufung eingelegt. Das Verfahren hängt nun beim Kölner Oberlandesgericht. Kohl-Anwalt Thomas Hermes von der Kanzlei Holthoff-Pförtner lässt keinen Zweifel daran, dass die Witwe Maike Kohl-Richter die Sache weiterverfolgen will. Das Verfahren werde am Ende wohl sämtliche Instanzen durchlaufen.
Mitschnitte verwertet
Der Rechtsstreit hat seinen Ursprung im Keller von Kohls Oggersheimer Bungalow. Dort verbrachte Heribert Schwan 2001 und 2002 mehr als 600 Stunden mit dem „Kanzler der Einheit“: Als Ghostwriter sollte er seine Memoiren verfassen. Drei dicke Bände kamen heraus, dann verkrachten sich die beiden. Der letzte Band erschien nie, Schwan legte auf andere Weise nach: Er wertete seine Gesprächsmitschnitte aus und schrieb zusammen mit Tilman Jens „Die Kohl-Protokolle“, gespickt mit vernichtenden Urteilen Kohls über viele Berühmtheiten, von Angela Merkel bis Prinzessin Diana.
Vor Gericht setzte Kohl durch, dass das Buch in dieser Form nicht mehr verbreitet werden durfte. Die Richter folgten ihm darin, dass seine Äußerungen vertraulich gewesen waren. Als Entschädigung erkannten sie ihm eine Million Euro zu.
Nun streiten Juristen darüber, ob der Anspruch mit dem Tod des Altkanzlers am 16. Juni verfallen ist. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist das sogenannte Peter-Alexander-Urteil des Bundesgerichtshofs von 2014: Der BGH hatte darin festgestellt, dass der Sohn des 2011 gestorbenen Sängers nicht für seinen toten Vater gegen Regenbogenblätter klagen kann. Ansprüche aus dem Persönlichkeitsrecht gälten nicht über den Tod hinaus und könnten daher auch nicht vererbt werden, urteilte das Gericht. Schließlich gehe es darum, dem Geschädigten Genugtuung zu verschaffen, und das sei zwangsläufig nur möglich, solange er noch lebe.
„Wenn der Bundesgerichtshof seine Argumentationslinie aus dem Peter-Alexander-Urteil auch im Fall Kohl weiter verfolgen würde, dann müsste er eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Genugtuung nicht mehr verschafft werden kann“, meint der Medienrechtsexperte Endress Wanckel aus Hamburg. „Die Entschädigung müsste verfallen.“
Möglicherweise könnten sich die Kohl-Erben darauf berufen, dass in der Rechtsprechung neben dem Genugtuungsprinzip auch der Präventionsgedanke eine Rolle spielt. Das Argument würde dann lauten, dass Autoren und Verlag bestraft werden müssen, damit sich ein solches Vorgehen nicht wiederholt. „Sonst könnte die Yellow Press im Umkehrschluss bevorzugt solche Menschen mit Pech und Schwefel übergießen, die schon auf dem Sterbebett liegen“, erläutert Wanckel. Dem schließt sich auch Kohl-Anwalt Hermes an. Außerdem: „Helmut Kohl ist eine Person der Geschichte.“Für so einen gälten ganz andere Maßstäbe. (dpa)