Neidischer Rentner-Blick nach Österreich
Wie machen die das nur? 58 Prozent höhere Altersbezüge – Rentenversicherung Bund hat nachgerechnet
BERLIN - Deutsche sind bei der Rente deutlich schlechter gestellt als Österreicher, das brachte eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung im letzten Jahr ans Licht. Seitdem fordert Linken-Politiker Oskar Lafontaine: „Renten rauf wie in Österreich“. Doch wie funktioniert das österreichische Modell? Vor allem aber: Ist dort wirklich alles besser? „Man kann nicht Ja oder Nein sagen“, meint dazu Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die hat jetzt einmal genau nachrechnen lassen.
Auf den ersten Blick werden deutsche Rentner vor Neid erblassen. Denn die Durchschnittsbruttorente liegt in Österreich derzeit bei 1231 Euro, in Deutschland nur bei 909 (Rentenzahlbetrag bei pauschal unterstelltem Krankenversicherungsund Pflegeversicherungsbeitragsatz von 10,6 Prozent).
14 Zahlungen im Jahr
Hinzu kommt: Die Rentner in Österreich erhalten auch im Ruhestand noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld, also 14-mal im Jahr ihre Rente. Rechnet man dies um, kommen sie auf monatlich 1438 Euro brutto und damit auf 58 Prozent mehr als ein deutscher Rentner. Möglich wird das durch höhere Rentenbeiträge, eine höhere Anzahl von Beitragszahlern und eine bessere Demographie als in Deutschland.
Die Rentenbeiträge in Österreich liegen seit Jahren bei 22,8 Prozent. Der Arbeitgeber zahlt 12,55 und der Arbeitnehmer 10,25 Prozent. In Deutschland liegt der Satz bei 18,7 Prozent, jeweils 9,35 vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Allerdings: Während die Österreicher mehr für ihre Rente einzahlen, ist ihre Krankenversicherung wesentlich billiger. Sie kostet nur 7,7 Prozent (in Deutschland 14,6 Prozent), der Rest der Gesundheitskosten wird aus Steuermitteln gezahlt.
Der größte Unterschied zwischen Österreich und Deutschland besteht jedoch darin, dass in Österreich alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einzahlen, während es in Deutschland nur die abhängig Beschäftigen sind. 71 Prozent sind Beitragszahler, in Deutschland nur 64 Prozent.
Auch in Berlin wird seit Langem darüber nachgedacht, die Selbstständigen einzubeziehen. Die SPD fordert dies zum Beispiel in ihrem Wahlprogramm. In Österreich scheint sich dies bewährt zu haben. 1979 führte Wien die Pflichtversicherung für alle Selbstständigen ein. 1998 kamen die sogenannten neuen Selbstständigen, die in Deutschland auch als Scheinselbstständige bezeichnet werden, mit hinein.
Die Selbstständigen zahlen Beiträge zwischen 17 und 20 Prozent, die vom Bund auf 22,8 Prozent aufgestockt werden. Alle Selbstständigen einzubeziehen, bringt zunächst einmal mehr Geld ins System, denn es sind am Anfang viele Einzahler, aber kaum Rentenbezüge. Diese Einstiegsgewinne fallen später weg, wenn die Selbstständigen in Rente gehen. Ob dieses System dann noch nachhaltig ist, das ist umstritten. Die EU-Kommission nennt das österreichische System nicht nachhaltig, Österreich selbst widerspricht.
Höhere Rentensteuer
Es gibt weitere Unterschiede: Österreicher haben derzeit ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Außerdem erfolgt die Rentenanpassung nach anderen Kriterien. In Deutschland geschieht dies analog zur Lohnentwicklung, in Österreich zur Inflationsrate. „Derzeit haben es die Deutschen damit besser, früher die Österreicher“, sagt Reinhold Thiede vom Geschäftsbereich Forschung der Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Unterschiede gibt es auch bei der Besteuerung der Renten. Die Österreicher besteuern ihre Renten in vollem Umfang bei einem Grundfreibetrag von 11 000 Euro. Die Deutschen besteuern zur Zeit erst 74 Prozent der Rente bei einem Grundfreibetrag von 8800 Euro.
Übrigens ist in Österreich auch die Beamtenversorgung anders geregelt. Die Pensionsbeiträge steigen seit den 1990er-Jahren an, Beamte zahlen wie Selbstständige ein, derzeit einen Satz von 10,25 Prozent. Mit 65 Jahren und 45 Jahren Dienstzeit kommen sie auf 80 Prozent des durchschnittlichen Lebenseinkommens.