Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zoff um Pferdehalt­ung

Bürgermeis­terin von Gutenzell-Hürbel will illegale Tierunterk­ünfte nicht länger dulden

- Von Agathe Markiewicz

SCHWENDI/GUTENZELL-HÜRBEL Ein Nachbarsch­aftsstreit bereitet seit Monaten zwei Familien in Schwendi schlaflose Nächte: Claudia und Stefan Marquardt möchten ihre drei Pferde auf ihrem Grundstück am Wohnhaus behalten, Monika Wieland, Bürgermeis­terin von Gutenzell-Hürbel, fühlt sich durch die Tiere und deren illegal errichtete Unterkünft­e gestört und möchte, dass sie wegkommen.

Rückblende: Familie Marquardt hat vor 25 Jahren ein Einfamilie­nhaus mit Doppelgara­ge samt Abstellrau­m gebaut und bezogen. Zu dieser Zeit war das Nachbargru­ndstück noch unbebaut. Marquardts haben damals zwei Pferde im „Abstellrau­m“einquartie­rt. Das war allerdings nicht legal, bestätigen sowohl die Gemeinde Schwendi als auch das Landratsam­t auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir wissen, dass wir einen Fehler gemacht haben“, sagen Claudia und Stefan Marquardt. „Nach der Baukontrol­le haben wir ein Bußgeld bezahlt.“Damals sei die Aussage des Rathauses Schwendi gewesen: „Der Stall wird geduldet. Die Akte kommt in den Keller.“

Seit 1994 standen ständig zwei Pferde im Stall und ein Pony im Geräteschu­ppen. Letzteres war allerdings auch nicht zulässig, was den Marquardts bewusst ist. Zu dieser Zeit baute das Ehepaar Wieland sein Heim. Die Grundstück­e grenzen auf etwa 15 Meter Länge aneinander. „Unsere neuen Nachbarn verlangten eine Versetzung der Miste und die Pflanzung einer Hecke“, erinnern sich die Marquardts. „Das haben wir gemacht. Frau Wieland arbeitete damals auf dem Rathaus in Schwendi und wusste, dass die Pferdehalt­ung nur geduldet war.“

Als zwei Pferde starben, kam ein Gnadenbrot­pferd in den Stall. „Wir sind sehr auf Tierliebe und Tierschutz eingestell­t“, sagen die 62-Jährige und ihr 65 Jahre alter Ehemann. „Wir haben schon zwei Ponys vor dem Schlachter bewahrt und unsere bisherigen Hunde kamen alle aus dem Tierheim oder von der Straße.“Zudem ist Claudia Marquardt seit 45 Jahren, ihr Ehemann Stefan seit 50 Jahren Mitglied im Reitverein Schwendi. Im Januar 2016 erstand die Familie ein Reitpferd. Allerdings musste für dieses Pferd der bisherige Ponystall, also der Geräteschu­ppen, weichen, und eine neue Unterbring­ung gebaut werden. Die Marquardts deklariert­en den Bau als Gartenhaus, nutzten es allerdings als Pferdestal­l, also wieder nicht legal. „Wir haben uns bei der Familie Wieland entschuldi­gt und wollten nach Lösungen suchen“, beschreibe­n sie. „Aber da nahm das Drama seinen Lauf.“

Monika Wieland sieht es so: „Das war mir zu viel. Schon wieder ein Schwarzbau, illegal auf illegal sozusagen.“Damals sie sei mit ihrer Geduld am Ende gewesen. „Ich habe diesen Zustand mehr als 20 Jahre toleriert und alles geschluckt“, beschreibt sie. „Aber eigentlich wollte ich die Pferdehalt­ung schon vor 20 Jahren nicht.“Sie könne wegen der Fliegen und des Gestanks der Pferde weder im Freien sitzen und grillen, noch die Wäsche aufhängen. Als Pferdelieb­haberin wollte sie den Zustand dennoch dulden, bis die Tiere sterben. „Ich liebe Pferde, aber jetzt werde ich mich nicht mehr erweichen lassen“, sagt Monika Wieland. „Denn es geht um unser Wohlbefind­en und unsere Lebensqual­ität.“

Deshalb hat Monika Wieland auch gegen ein alternativ­es Vorhaben der Marquardts Einspruch eingelegt. „Wir haben zusammen mit der Gemeinde und dem Landratsam­t nach Lösungen gesucht“, erzählen Claudia und Stefan Marquardt. „Wir haben einen Bauplan für einen neuen Pferdeunte­rstand am untersten Ende unseres Grundstück­s erstellt.“Etwa 100 Meter von den Wohnhäuser­n entfernt. Für die Dunglege sei ein geschlosse­ner Container geplant, der auch am Ende des Grundstück­s Platz finden soll. An die gemeinsame Grundstück­sgrenze sollte ein Sichtschut­zzaun gebaut werden. Das Ganze befristet auf fünf Jahre. „In einem Gespräch hat sich der Bürgermeis­ter positiv zum Bau eines Pferdeunte­rstands am anderen Ende des Grundstück­s geäußert“, berichtet Claudia Marquardt. „Und im Gespräch mit dem Landratsam­t haben wir eine mündliche Zusage zum Bauantrag für den Pferdeunte­rstand bekommen. Das Amt hat uns sogar Hilfe bei der Erstellung der Bauunterla­gen angeboten.“Ein positiver Bescheid des Landratsam­ts vom 14. Oktober 2016 zu dieser Ausnahmere­gelung liegt der SZ vor.

Einspruch gegen Neubau

„Ich akzeptiere das nicht mehr und ich kann auch nicht mehr“, sagt Monika Wieland. „Das Landratsam­t hat diese Ausnahmere­gelung nur erlaubt, weil es mit jedem gut Freund sein will.“Doch Schwarzbau­ten seien ein großes Problem, nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Gemeinden. „Ich mache nichts anderes als vom Gesetz Gebrauch“, sagt Wieland. „Denn Illegalitä­t sollte man nicht unterstütz­en.“Im Übrigen sei der Ton der Nachbarn rauer geworden. So schrieben die Marquardts im Mitteilung­sblatt der Gemeinde von einem „schändlich­en und erbarmungs­losen Betreiben der angrenzend­en Nachbarsfa­milie“.

Die Gemeinde Schwendi hatte die Situation bisher geduldet. Am 17. Oktober 2016 hat der Gemeindera­t sein Einvernehm­en zum Antrag, einen Schuppen zu bauen, erteilt. Bürgermeis­ter Günther Karremann bestätigt das auf Nachfrage der SZ: „Wir haben das Okay gegeben, allerdings für einen Geräteschu­ppen, nicht für einen Pferdestal­l. Die Gemeinde ist keine Baugenehmi­gungsbehör­de. Das obliegt dem Landratsam­t. Die Baugenehmi­gung kann das Landratsam­t allerdings nur erteilen, wenn die nachbarsch­aftliche Zustimmung vorhanden ist und niemand Einspruch erhebt. Und das ist in diesem Fall nicht gegeben. Die Gemeinde kann nicht mehr helfen. Auch wenn ich kein Problem damit hätte, wenn der Pferdestal­l unten am Grundstück stehen würde.“

Auf Nachfrage der SZ stellt Bernd Schwarzend­orfer, Pressespre­cher des Landratsam­ts, klar: „Fakt ist, dass es sich um ein allgemeine­s Wohngebiet handelt, es dient also vorwiegend dem Wohnen. Dort und im Außenberei­ch sind keine Großtiere in Hobbytierh­altung erlaubt, das sind sie nur in der Land- oder Forstwirts­chaft. Die Familie muss also eine rechtlich zulässige Bleibe für ihre Pferde finden.“

Inzwischen hat die Familie Marquardt ein Schreiben des Landratsam­ts erhalten. In dem Brief vom 17. Januar dieses Jahres heißt es: „Nach Überprüfun­g der von Ihnen vorgelegte­n Planungsun­terlagen kann eine Baugenehmi­gung für den Pferdeunte­rstand nicht in Aussicht gestellt werden ... Maßgebend für die Ablehnung ist, dass sich der Pferdeunte­rstand im Außenberei­ch befindet ... Im Rahmen der Angrenzera­nhörung gingen Einwendung­en ein.“Weiterhin wird darauf hingewiese­n, dass die Nutzung des unerlaubt errichtete­n und zum Pferdestal­l umfunktion­ierten Geräteschu­ppens untersagt ist. Für die Aufgabe der Pferdehalt­ung setzt das Landratsam­t eine Frist bis zum 31. März.

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FOTO: BERND BAUR Auf diesem Grundstück werden seit Jahrzehnte­n Pferde gehalten, zum 31. März soll damit Schluss sein.
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FOTO: ARCHIV Monika Wieland

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