Ein unbequemer Filmstar
Heute feiert die britische Schauspielerin Vanessa Redgrave ihren 80. Geburtstag
LONDON (dpa) - Sie gilt als eine der besten lebenden Schauspielerinnen: Vanessa Redgrave. Wenn die OscarPreisträgerin nicht gerade Lob für ihre außerordentlichen Talente auf Bühne oder Leinwand einheimst, schlägt sie mit ihrem revolutionären Eifer und ihrem Einsatz für Flüchtlinge, Palästinenser und andere hochpolitische Themen Wellen. Heute wird sie 80.
Kornblumenblaue Augen, das längliche, edle Gesicht, die silbernen Haare zurückgebunden, dazu ihre präzise Stimme, die durchs Rauchen tiefer geworden ist. Vanessa Redgrave, die Matriarchin des Schauspielclans, ist eindrucksvoll wie eh und je. Seit drei Generationen stehen die Redgraves im Rampenlicht von Theater, Kino und Fernsehen, und Vanessas Geburt wird natürlich von der Bühne verkündet: „Heute Abend ist eine große Schauspielerin geboren“, gibt Schauspiellegende Laurence Olivier 1937 unter tosendem Applaus bekannt. Am Montag (30. Januar) feiert sie nun ihren 80. Geburtstag.
Die Britin ist das Sexsymbol der Intellektuellen in den Swinging Sixties – unvergessen in Antonionis „Blow Up“oder „Isadora“. Mit klassischen Shakespeare-Interpretationen wie der Rosalind in „Wie Es Euch Gefällt“und so herausfordernden Rollen wie der einer transsexuellen Tennisspielerin („Second Serve“) spielt sie sich in den Schauspielhimmel. Aber im Grunde treibt sie nur eins: „Es ist Aufgabe aller, zu tun was sie können, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Ich bin während des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen, deshalb ist das mein Standpunkt.“
Redgrave hat zwei Seiten: zum einen der internationale Star, zum anderen die leicht humorlose, ans Fanatische grenzende Menschenrechtlerin. Sie setzt sich für ihre Überzeugung ein, egal ob es ihrer Karriere schadet oder nicht, demonstriert gegen den Vietnamkrieg und sympathisiert mit der IRA. In den 1970er-Jahren wird sie Mitglied der trotzkistischen Revolutionären Arbeiterpartei und kandidiert sogar (vergeblich) fürs Parlament. Schon damals spendet sie einen Großteil ihrer Gagen für politische Zwecke und lebt daher bis heute relativ bescheiden im Südwesten Londons.
Kein Wunder, dass sie die OscarVerleihung 1978 als Plattform nutzt und eine der berüchtigtsten Akzeptanzreden hält. Dreimal war sie schon nominiert worden; mit der Rolle als Nazi-Widerstandskämpferin Julia im gleichnamigen Film klappt es endlich. Im schwarzen Abendkleid und goldenen Locken danke sie der Akademie dafür, dass sie sich „von den Drohungen eines kleinen Haufens zionistischer Strolche nicht hatten einschüchtern lassen“. Eine Karriere als Hollywoodstar ist damit undenkbar, aber sie rudert nicht zurück.
1962 heiratet sie den Regisseur Tony Richardson, der nicht nur wie ihr Vater bisexuell ist, sondern sich auch bald in den französischen Filmstar Jeanne Moreau verliebt. Die Ehe wird nach fünf Jahren und der Geburt zweier Töchter – Natasha und Joely, beide Schauspielerinnen – geschieden. Im selben Jahr funkt es zwischen ihr und dem italienischen Western-Helden Franco Nero, als sie für das Filmmusical „Camelot“gemeinsam vor der Kamera stehen. Er ist die „Liebe ihres Lebens“, wie sie in einem „Guardian“-Interview verrät. Kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohns Carlo trennen sie sich.
Eine lange Beziehung mit BondDarsteller Timothy Dalton folgt, bis sie und Nero nach mehreren Jahrzehnten wieder ein Paar werden. Sie sagte BBC Radio 4: „Wir trennten uns nie wirklich. Es gab viele Zeiten, wo wir nicht miteinander sprachen oder uns anschrien.“
Auf der Bühne trotz Herzinfarkts
Der Tod ihrer 45-jährigen Tochter Natasha Richardson nach einem Skiunfall trifft sie schwer. Ihr Schwiegersohn Liam Neeson („Schindlers Liste“) zieht darauf die beiden kleinen Kinder alleine auf. Im Jahr darauf – 2010 – sterben Vanessas Schwester Lynn und ihr Bruder Corin an Krebs. Wenige Jahre später steht sie mit „A Song of Good and Evil“auf der Bühne, einem ergreifenden Vortrag über die Bedeutung der Nürnberger Prozesse für das heutige Völkerstrafrecht.
Doch kurz danach stirbt sie fast an einem Herzinfarkt. Die Ärzte retten Redgrave, entdecken aber, dass ihre Lungen nur noch zu 30 Prozent funktionieren. Dem „Guardian“sagte sie danach: „Ich wollte sterben. Weil es einfach zu anstrengend wurde.“Natürlich ist sie seither wieder auf die Bühne zurückgekehrt. Zuletzt spielte sie die rachedurstige Queen Margaret in Shakespeares „Richard III.“im Almeida Theater in London.
Sie bereut nichts, schon gar nicht die Oscar-Rede: „Ich bin praktisch am Ende meines Lebens, also ist es gut, dass ich immer noch etwas tun muss, um zu helfen, so winzig es auch ist.“