Es blinkt, pfeift – und soll Leben retten
Jäger und Landwirte setzen in Maierhöfen auf neue Technik, um Kitze zu schützen
KREIS LINDAU - Sie blinkt, sie pfeift, sie soll Leben retten. Jäger und Landwirte in Maierhöfen setzen auf eine neue Technik zum Schutz des Wilds. Die Felder sind derzeit Kinderstube für Wildtiere. Doch wo der Nachwuchs von Natur aus eigentlich sicher sein soll, lauert der Tod. Dann nämlich, wenn der Bauer seine Wiese mäht und ein Rehkitz übersieht. Das kann nicht nur für das Tierbaby gravierende Folgen haben: Gelangt der Kadaver ins Viehfutter, kann das den ganzen Bestand gefährden. Rinder können sich vergiften und sterben. Und der Landwirt kann sogar Ärger mit der Justiz bekommen. All das sollen nun „Rehkitz-Retter“verhindern.
Die Lebensretter sind nicht einmal 15 Zentimeter groß, haben einen Durchmesser von fünf Zentimetern. In einem Plastikrohr stecken unter anderem LED-Leuchten, ein Summer und ein Tageslichtsensor. Einmal angeschaltet, ist das Gerät nachts und in der Dämmerung aktiv. Es sendet in unregelmäßigen Abständen und willkürlich lang einen schrillen Pfeifton aus, leuchtet ab und an auf. Installieren kann man die Geräte kinderleicht, ist Jagdpächter Dieter Immekus überzeugt. Den Beweis liefert die zehnjährige Bianca Schmid.
Ihr Vater, Jagdvorsteher und Landwirt Franz Schmid, will eines seiner Felder mähen. „Normalerweise stellen wir am Tag vorher Wildscheuchen auf und gehen vor dem Mähen das Feld ab“, erklärt Schmid. Dieses Mal stellt die Zehnjährige „Rehkitz-Retter“auf. Sie steckt eine Eisenstange, ähnlich einem Hagpfahl, mitten ins Feld. Ans obere Ende hängt sie das Gerät, schließt es an die Batterie, legt diese im wasserdichten Kästchen auf den Boden, nickt. „Fertig.“Das Ziel: Die Rehgeiß soll Gefahr erkennen und rechtzeitig ihre Jungen aus dem hohen Gras holen oder den Nachwuchs gar nicht erst im Feld ablegen.
Dazu haben Schmid und andere Landwirte bislang auf ein anderes Hilfsmittel gesetzt: Ein raschelnder Sack auf einem Stock. Solche Wildscheuchen können teilweise richtig kunstvoll werden. Im Oberallgäu beispielsweise läuft derzeit die Aktion „Kids for Kitz“. Kinder und Jugendliche basteln aus CDs, Glitzerfolie oder bunten Tüten Scheuchen und stellen sie auf. „Das Problem ist aber: Die Tiere gewöhnen sich schnell an die Scheuchen – und dann bringen sie relativ wenig“, sagt Dieter Immekus.
Das soll die neue Technik durch die unregelmäßigen Signale vermeiden. Durch das hohe Gras laufen und quasi händisch die Tiere suchen sei ebenfalls nicht ideal: „Oft läuft man direkt am Kitz vorbei und merkt es nicht einmal.“Das liegt an der Schutzstrategie der Tiere, erklärt Jagdpächter Bernhard Knöbel. Bei Gefahr rennen die Jungtiere nicht weg, sondern drücken sich ganz dicht auf den Boden und warten, bis der Feind abzieht.
Schmid: „Wir wollen den Tieren natürlich nicht schaden“
Rückt das Mähwerk an, verhalten sich die Tiere genauso – und vom Traktor aus sind sie laut Knöbel unsichtbar. Weil sie quasi keinen Eigengeruch haben, tun sich nicht nur Fressfeinde schwer, die Kitze zu finden. Knöbel: „Da hat man auch mit einem Hund wenig Erfolg.“„Wir wollen den Tieren natürlich nicht schaden“, sagt Landwirt Schmid. An die unschönen Folgen, wenn er ein verletztes Kitz erlösen muss, will er gar nicht denken – und an die Gefahren. Stichwort „Botulismus“: Gelangen Teile eines toten Tiers ins Viehfutter, können sich Bakterien bilden. Die Rinder vergiften sich daran und sterben. „Der Landwirt kann sich auch strafbar machen“, sagt Immekus und berichtet von Fällen, bei denen Bauern zu Geld- und Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie Kitze ausgemäht hatten – ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Die „Rehkitz-Retter“setzen die Maierhöfener zum ersten Mal ein. Sechs Geräte haben Jagdpächter und Jagdgenossenschaft gemeinsam gekauft. Stückpreis: 95 Euro. Landwirte können sie bei Jagdvorsteher Schmid kostenlos ausleihen. Ein Gerät soll für drei Hektar Fläche reichen. Wie effektiv sie sind, werde sich Immekus zufolge zeigen. Seit 2007 sind sie auf dem Markt und laut Erfinder Martin Thoma, selber aktiver Jäger, liegt die Erfolgsquote sehr hoch.
Immekus und seine Kollegen hoffen nicht nur, dass die Bauern helfen, die Tiere zu schützen. Sie appellieren auch an Hundehalter, ihre Vierbeiner gerade jetzt an die Leine zu nehmen. Nicht nur Kitze, auch trächtige Geißen hätten bei einem Hundeangriff kaum eine Chance.