Kauder will Mindestlohn nicht aufweichen
In der Flüchtlingspolitik wehrt sich der Unionsfraktionschef gegen immer neue Forderungen
BERLIN - Die Regierung drückt aufs Tempo. Schnellere Asylverfahren, weitere sichere Herkunftsländer, mehr Geld vom Bund an die Länder, mehr Sachleistungen statt Bargeld für die Flüchtlinge – das Kabinett hat ein Gesetzespaket beschlossen, das in den Fraktionen diskutiert wurde. Doch die Debatte über weitere Vorhaben reißt nicht ab.
„Die Ängste in der Bevölkerung werden nicht von allen Parteien so ernst genommen wie von uns“, sagt CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Dienstag. Schließlich habe Bayern mehr Flüchtlinge als andere Teile Deutschlands zu bewältigen, 4000 seien allein am vergangenen Wochenende gekommen. Da ist es für Hasselfeldt nur natürlich, über den Tag hinaus zu denken. „Wir belassen es nicht bei Analysen, sondern suchen Lösungen.“
Eine neue Lösung, über die sie nachdenkt, ist das Flughafen-Verfahren an den Ländergrenzen. Ähnlich wie in den Transitzonen an Flughäfen sei es das Ziel, Menschen ohne Asylperspektive direkt zurückzuweisen. Das könnte Entlastung schaffen.
Weiterer Anstieg wahrscheinlich
Keine Frage, die Runde zwei für Gesetzesänderungen wird gerade eingeläutet. Was ist nötig, damit weniger Flüchtlinge kommen und die anerkannten Flüchtlinge schneller integriert werden? Der Druck auf Berlin könnte durch die aktuellen Ereignisse sogar weiter zunehmen. Auch wenn die Bundesregierung die Frage, ob in Afghanistan Krieg oder Bürgerkrieg herrscht, nicht beantworten will, ist ein Anstieg der Flüchtlingszahlen aus diesem Land wahrscheinlich.
Bislang wurden nur 43 Prozent positiv entschieden, das könnte sich jetzt verändern. Andere Überlegungen gelten der Frage, wie man Flüchtlinge schneller in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren kann. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hatten über Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn nachgedacht.
Das traf nicht nur auf das Missfallen von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles, deren Sprecherin klarmachte, dass der Mindestlohn „unabhängig vom Pass“gelte und es keine Pläne gebe, ihn zu ändern. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach ein Machtwort. „Es wird keine Reduktion des Mindestlohns für Flüchtlinge geben.“Die Diskussion sei abwegig und man solle sie nicht weiter führen. Zum einen könnte das für Flüchtlinge ein Anreiz sein, zum Arbeiten zu kommen. Zum anderen könnten Empfänger des Mindestlohns das als Signal werten, dass sie ersetzt werden durch Flüchtlinge, die keinen Mindestlohn bekommen.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die Diskussion „unverantwortlich“. Überhaupt, so kritisierte Kauder, mache es wenig Sinn, schon wieder neue Vorschläge zu machen, bevor das jetzige Gesetzes- paket vollständig beschlossen sei. So verwirre man die Menschen nur. Das richtete sich auch an seine Kollegin Hasselfeldt, die über Transitzonen für Flüchtlinge nachdenkt.
Dass die Lage aber auch für Ex- perten schwer einzuschätzen ist, wurde in der Bundespressekonferenz deutlich. Gibt es ein Ablaufdatum für die jetzige Vereinbarung mit Österreich? Danach fragten österreichische Journalisten, die einer gewissen Sorge in ihrem Land Ausdruck gaben. Nur wenig später kam die Nachricht, dass Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer Notmaßnahmen wie einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge erwägt. Aus dem Innenministerium heißt es, es gebe verschiedene Zahlen, man wisse nicht genau, wie viele Flüchtlinge in den nächsten Tagen Deutschland erreichen werden.
Keine Puffer mehr
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warb unterdessen in den Fraktionen für sein Gesetzespaket. Schon am Donnerstag soll es im Bundestag diskutiert werden, dann Bundestag und Bundesrat passieren und bereits zum 1. November in Kraft treten.
Wie sich die Flüchtlingskrise weiter auf den Bundeshaushalt auswirkt, ist ungewiss. Sicher ist: „Die Zeit der Puffer ist vorüber“, sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der hat gerade fünf Milliarden Überschüsse in den nächsten Haushalt überstellt. Die Abschlagszahlung an die Länder basiert bisher auf der Zahl von 800 000 Flüchtlingen im Jahr. Ob dies ausreicht, ist ungewiss.