Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Baden in der jungen Kunst im Roten Haus
Ausstellung zum Förderpreis für junge, gegenständliche Kunst in Meersburg eröffnet
MEERSBURG - Seit 2010 lobt der Bodenseekreis im zweijährigen Turnus einen Förderpreis für junge, gegenständliche Kunst aus, am Donnerstag ist die neue Ausstellung dazu eröffnet worden. Die „Schwäbische Zeitung“hat die Galerie Bodenseekreis im Roten Haus in Meersburg schon vorab mit Galerieleiterin Heike Frommer besucht und war von der herausragenden Qualität der Werke überwältigt.
Aus der Zahl der Bewerber um den Förderpreis hat die Jury 32 Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, von denen im Roten Haus rund 80 Bilder und Zeichnungen ausgestellt sind. Der Wettbewerb habe inzwischen weite Kreise gezogen, die Bewerber kämen von Akademien aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter auch Gaststudenten „aus allen Winkeln der Welt“bis Iran und Südkorea. Die Jury hat den Träger des mit 4000 Euro dotierten Förderpreises schon gekürt, er wird traditionsgemäß erst am Ende der Ausstellung bekanntgegeben, wenn auch feststeht, wer den Publikumspreis mit 1000 Euro erwarten darf.
Es ist faszinierend, was junge
Künstler – die Altersgrenze liegt bei 35 Jahren – an Themen ausgewählt haben, um ihre Haltung zur gegenwärtigen Situation der Welt darzustellen, ob zu politisch-gesellschaftlichen Fragen, zu Social Media oder Existenzkrisen. Immer stehe der Mensch im Mittelpunkt. Echte Kunst bildet nicht einfach ab, sondern transportiert Botschaften, mehr oder weniger verschlüsselt. Chiffren müssen entschlüsselt werden.
Gemeinsam ist den Arbeiten der Ernst dahinter, der Probleme anspricht und signalisiert, dass es so nicht weitergehen kann. Eine Botschaft ohne Zeigefinger, aber gerade darum umso wirkungsvoller. Humorvolles oder Ausgelassenes findet man kaum – mit Humor ist die Situation der Welt nicht mehr zu ertragen. Andererseits spürt man keine Fatalität, die Hoffnung hat noch Chancen.
Keine Chancen haben dagegen alle, die die moderne Kunst generell abweisen mit der banalen Aussage, dass Kunst von Können komme. Hier waren überall Könner am Werk, hier ist eine handwerkliche Beherrschung unterschiedlichster Techniken zu erleben, die staunen macht.
Da zeigt die Tettnanger Künstlerin Karen Schuster ein weibliches Gesicht überlagert von einer transparenten Folie. Erst beim Betrachten aus der Nähe wird sichtbar, dass hier keine Fotografie bearbeitet wurde, sondern alles gemalt ist. Da steht ein Mensch, überlagert von einer Art Maske als Bild dafür, dass viele sich einfach anpassen, ihre Individualität längst aufgegeben haben, zugleich ein Bild für die verzerrte Wahrnehmung der Realität. Eine Art von Hilferuf nach mehr Authentizität in unserer Welt, ein Hinweis, hinter Fassaden zu schauen, das Wesentliche zu suchen.
Im Gespräch mit der Galerieleiterin wird deutlich, dass auch die Jury von der fantastischen Qualität, vom „Superniveau“gepackt war und lange diskutieren musste, um einen Preisträger oder eine Preisträgerin auszuwählen. Bleibt der Gedanke, dass Kunst als Seismograf der Gegenwart fungiert. Der Betrachter ist gefordert, die Gedanken aufzunehmen. Nur schöne Bilder anzusehen, reicht in dieser Ausstellung nicht.
Geöffnet bis 28. Juni, jeweils Dienstag bis Sonntag 11 bis17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr. Infos zum Begleitprogramm bei
www.galerie-bodenseekreis.de