Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Aesculap bleibt auf Wachstumskurs
Medizintechnikhersteller beendet 2023 mit erneuten Umsatzrekorden – Tuttlinger hoffen auf eine wichtige Entscheidung in Hessen
TUTTLINGEN/MELSUNGEN - Mit einem Rekordumsatz von 2,16 Milliarden Euro hat der Medizintechnikspezialist Aesculap das vergangene Geschäftsjahr abgeschlossen – im Vergleich zu 2022 ein Plus von 5,2 Prozent. Damit präsentierte sich der Hersteller von chirurgischen Instrumenten, Implantaten, Nahtmaterial und Mikroskopen – trotz nachlassender Dynamik – als Wachstumsprimus im Universum des hessischen Gesundheitskonzerns B.Braun, zu dem Aesculap seit 1976 gehört. Der nämlich verbuchte im selben Zeitraum nur ein Wachstum von drei Prozent auf knapp 8,8 Milliarden Euro.
Konzernchefin Anna Maria Braun zeigte sich mit dem Erreichten zufrieden. Man habe „in einem anspruchsvollen Umfeld den Wachstumskurs fortgesetzt“, sagte sie bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag. Geholfen habe dabei die breite regionale Aufstellung – B.Braun ist weltweit in 64 Ländern aktiv und beschäftigt insgesamt 63.000 Mitarbeiter –, ein umfangreiches Produktportfolio sowie neue Technologien für eine bessere Gesundheitsversorgung.
In diesem Punkt spielt Aesculap für den B.-Braun-Konzern eine besondere Rolle. Die Tuttlinger sollen sich nämlich auf die Zukunftstechnologien additive Verfahren – umgangssprachlich auch als 3-D-Druck bezeichnet – und Robotik konzentrieren. Große Hoffnungen setzt der Mutterkonzern beispielsweise auf das digitale, roboterassistierte Operationsmikroskop Aesculap Aeos oder auf die Serienfertigung von 3-D-gedruckten Implantaten, etwa für Bandscheiben.
Nicht zufrieden zeigten sich Braun und Finanzchefin Annette Beller mit der Ertragslage. Zwar habe B.Braun das Vorsteuerergebnis um 15 Prozent auf 206 Millionen Euro steigern können. „Aber das ist noch nicht das, wo wir hinwollen“, sagte Beller. Wohl auch deshalb ist über eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter noch nicht entschieden.
Ergebniszahlen für Aesculap weist B. Braun nicht separat aus. Doch zuletzt, das hatte Spartenchef Jens von Lackum im Gespräch
mit der „Schwäbischen Zeitung“vor einiger Zeit angedeutet, war die Profitabilität „unter Druck“.
Regional lief es für Aesculap im vergangenen Jahr vor allem in Europa, in den USA und in einigen Ländern Lateinamerikas rund. Produktseitig erhöhte sich die Nachfrage insbesondere nach Knie- und Hüftimplantaten, chirurgischen Instrumenten, bildgebenden Systemen und Nahtmaterial. Dabei konnte Aesculap bei vielen Produkten Preiserhöhungen am Markt durchsetzen.
Für dieses Jahr kalkuliert Konzernchefin Braun bei Aesculap mit einem „starken Wachstum über dem Konzerndurchschnitt“. Für den Standort Tuttlingen und seine gut 3500 Mitarbeiter dürfte aber etwas anderes im Fokus stehen: Die Entscheidung, ob in der Stadt ein neues Werk gebaut wird, oder nicht.
Die Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat dafür, das sagte Anna Maria Braun, stehe noch aus. Immerhin: Die Notwendigkeit eines Ausbaus der Produktionskapazitäten bei Aesculap stellte die B.Braun-Chefin nicht in Abrede. Doch sie machte auch klar, dass es in den maßgeblichen Konzerngremien noch intensive Diskussionen
über den richtigen Standort gibt.
Die Belegschaft hatte im vergangenen Jahr mit der vorzeitigen Verlängerung des Standortsicherungsvertrags die Grundlage dafür gelegt, dass die millionenschwere Investition in Tuttlingen und nicht im Ausland erfolgen kann, und sich für 120 Stunden Mehrarbeit im Jahr verpf lichtet.
„Der Standortsicherungsvertrag“, sagte Braun, „spielt eine wesentliche Rolle, warum B.Braun weiter in Deutschland investiert.“Man wolle aber auch beweisen, dass es trotz aller Nachteile nach wie vor möglich ist, hier Medizintechnik herzustellen. Und zwar nicht nur hochkomplexe, teure Geräte, sondern auch einfache Produkte wie medizinische Verbrauchsgüter. Doch das erfordere Technologiesprünge und die Flexibilität der Mitarbeiter.
Braun verwies als Beispiel auf die Energiekosten, die 2023 konzernweit um drei Prozent, in Deutschland aber um 18 Prozent gestiegen seien, und warnte eindringlich vor dem Trend, kürzere Arbeitszeiten bei teilweisem oder vollem Lohnausgleich zu fordern. Es sei jetzt nicht die Zeit für weniger, sondern für mehr Arbeit.