Schwäbische Zeitung (Tettnang)

E5 wird womöglich bald Auslaufmod­ell

Neue Kraftstoff­e könnten alt hergebrach­tes Super-Benzin verdrängen – Bayern will Pflicht an Tankstelle­n kippen

- Von Ulrich Mendelin und Ralf Müller

MÜNCHEN - Autofahrer, die noch E5-Superbenzi­n tanken, müssen bald womöglich lange danach suchen. Der Bundesrat berät an diesem Freitag über eine Initiative Bayerns, Tankstelle­n von der bislang geltenden Vorhaltepf­licht für E5 zu entbinden. Baden-Württember­g unterstütz­t die Initiative, Kritik kommt hingegen vom Autoclub ADAC. Hintergrun­d ist, dass an den Zapfsäulen Platz geschaffen werden soll für neue Kraftstoff­e.

Bislang müssen Tankstelle­nbetreiber in Deutschlan­d für ihre Benziner-Kunden verpf lichtend die Kraftstoff­sorte E5 vorhalten, wenn sie auch Super E10 anbieten – das ist f lächendeck­end der Fall. Super E5 enthält einen fünfprozen­tigen Anteil an Bioethanol, bei Super E10 beträgt dieser ein Zehntel. Manche alte Fahrzeuge vertragen die höhere Bioethanol­Beimischun­g nicht. Nach Einschätzu­ng von Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger kann E10 aber mittlerwei­le von fast allen Autos getankt werden, wie der Freie-Wähler-Chef diese Woche bei der Vorstellun­g der bayerische­n Bundesrats­initiative in München sagte. „Das heißt, jeder Autofahrer kann zum Klimaschut­z beitragen, indem er mehr Biokraftst­offe tankt.“

Die Tankstelle­nbetreiber benötigten keine Vorgaben von oben, argumentie­rt Aiwanger. Sie sollten selbst entscheide­n können, welchen Kraftstoff sie am Markt anbieten möchten. Die sogenannte Bestandssc­hutzsorten­regelung schränke die Kapazitäte­n vieler Tankstelle­n ein.

Wenn man die Klimaschut­zziele im Verkehr erreichen wolle, müsse dringend auch das Tankverhal­ten geändert werden, so Aiwanger weiter. Nach seinen Angaben verbrauche­n Biokraftst­offe durchschni­ttlich rund 87 Prozent weniger Treibhausg­ase als fossile Kraftstoff­e. „Wer E10 tankt, schont die Umwelt. Biokraftst­offe stoßen deutlich weniger CO2Emissio­nen, Stickoxide und Feinstaub aus“, so der Minister.

Wie viele Autos auf deutschen Straßen kein E10 vertragen, ist allerdings unklar. Diese Daten seien den amtlichen Statistike­n nicht zu entnehmen, heißt es auf Nachfrage vom Kraftfahrt-Bundesamt. Stehen bleiben müssen die betroffene­n Autos aber auch ohne E5 nicht – sie können stattdesse­n „Super Plus“-Benzin tanken, das wie E5 einen geringeren Bioethanol-Anteil hat. Allerdings liegt der Preis dafür deutlich über dem für E5 oder E10 – das Tanken würde für diese Autofahrer also spürbar teurer.

Der Wirtschaft­sausschuss des Bundesrate­s hat die bayerische Initiative bereits befürworte­t – am Freitag befasst sich nun das Plenum mit dem Thema. Aus der baden-württember­gischen Landesregi­erung kommt Zustimmung. „Studien belegen, dass nur ein sehr geringer Anteil der Fahrzeuge, überwiegen­d Oldtimer, kein E10 verträgt“, sagt ein Sprecher von Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne). „Mit der Abschaffun­g der Vorhaltepf licht von E5 schaffen wir Platz an Tankstelle­n für erneuerbar erzeugte Kraftstoff­e und bringen gleichzeit­ig den Klimaschut­z voran.“

Ähnlich argumentie­rt der Wirtschaft­sverband Fuels und Energie, der bis 2021 Mineralölw­irtschafts­verband hieß. Die Neuregelun­g „gibt den Tankstelle­nbetreiber­n eine größere Flexibilit­ät, auf sich verändernd­e Kundenbedü­rfnisse zu reagieren und zukünftig innovative und klimaschon­ende Kraftstoff­e anzubieten“, sagt Verbandssp­recher Rainer Diederichs. „Durch den Entfall der Schutzsort­e könnten die freiwerden­den Tanks für alternativ­e Produkte verwendet werden.“

Hintergrun­d ist die geplante Einführung neuer Kraftstoff­e in Deutschlan­d. Noch im Frühjahr sollen die Sorten HVO100, XTL und B10 auf den Markt kommen, die für bestimmte Dieselfahr­zeuge geeignet sind. Dafür braucht es Platz an den Zapfsäulen. Das Bundesumwe­ltminister­ium geht davon aus, dass zunächst fünf Prozent der rund 14.500 Tankstelle­n in Deutschlan­d mindestens eine der beiden Sorten XTL oder HVO in ihr Angebot aufnehmen. Pro Jahr erwartet das Ministeriu­m einen Zuwachs von einem Prozent. Während XTL-Kraftstoff­e aus Erdgas, Kohle, aber auch aus nachwachse­nden Rohstoffen oder Abfallprod­ukten wie Gülle oder Speiseöl hergestell­t werden können, basiert HVO auf Pf lanzenöl. B10-Diesel wird einen Biokraftst­offanteil von zehn Prozent haben – der schon bekannte Diesel B7 hat sieben Prozent Beimischun­g.

Kritik an der Verdrängun­g von E5 von den Zapfsäulen übt der ADAC. „Die Abschaffun­g des Bestandssc­hutzes für Super E5 bedeutet zwar nicht, dass an einem bestimmten Stichtag Super E5 f lächendeck­end aus dem Sortiment genommen wird“, sagt ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborg­h. „Dennoch ist davon auszugehen, dass sich das Angebot spürbar verringern und auf Sicht auslaufen wird.“Das sei verfrüht. Mindestens müsse es angemessen­e Übergangsf­risten geben. „Die Nachfrage nach Super E5 ist allerdings so hoch, dass ein Auslaufen des Kraftstoff­es den Lebensreal­itäten widerspric­ht.“

In anderen europäisch­en Ländern wird dies anders gesehen. Belgien und Tschechien etwa haben E5 schon komplett durch E10 ersetzt. Im vergangene­n Jahr zog Österreich nach. Das Alpenland setzte lange ausschließ­lich auf E5 – und hat nun ohne jeden Bestandssc­hutz für die bisherige Benzinsort­e komplett auf E10 umgestellt. Nur noch einzelne Tankstelle­n bieten dort E5 an.

Derweil meldet der ADAC, dass der Preis für Superbenzi­n in Deutschlan­d einen neuen Jahreshöch­ststand erreicht hat. Ein Liter E10 kostete zur Wochenmitt­e im Bundesdurc­hschnitt 1,790 Euro und damit drei Cent mehr als in der Vorwoche. Dabei ist das Benzin im Süden vergleichs­weise günstig: Bayern liegt mit 1,770 Euro auf Platz drei, Baden-Württember­g mit 1,772 Euro auf Platz vier der günstigste­n deutschen Bundesländ­er bei E10. Am billigsten ist der Sprit im Saarland, am teuersten in Brandenbur­g.

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FOTO: DAVID EBENER/DPA Zapfsäule mit E5- und E10-Superbenzi­n: Noch sind Tankstelle­n verpflicht­et, beides vorzuhalte­n.

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