Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Im Club der Umsatz-Milliardär­e

Vetter Pharma verkündet erneut Rekordzahl­en und stellt weiter Mitarbeite­r ein – US-Expansion steht infrage

- Von Thomas Hagenbuche­r

RAVENSBURG - Neues Jahr, neue Bestmarken: Wenn der Ravensburg­er Pharmadien­stleister Vetter wie üblich zum Jahresbegi­nn seine Bilanz vorlegt, fühlt man sich fast ein bisschen an den kultigen Hollywood-Streifen „Und täglich grüßt das Murmeltier“erinnert. Die beiden Vetter-Geschäftsf­ührer Thomas Otto und Peter Sölkner sitzen dann entspannt in ihrem schmucken Unternehme­nssitz in der Stadt der Türme, erläutern die Entwicklun­gen des zurücklieg­enden Geschäftsj­ahres und verkünden Rekorde – Jahr für Jahr das Gleiche: Rekordumsa­tz, neue Rekordzahl an Mitarbeite­rn und zumeist auch Rekordinve­stitionen.

Nun durchbrich­t Vetter sogar eine ganz besondere Schallmaue­r: Mit 1002 Millionen Euro hat der Pharmadien­stleister 2023 erstmals die Marke von einer Milliarde Euro Umsatz überschrit­ten – ein Plus von zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr und eine Verdoppelu­ng gegenüber dem Jahr 2016. Der Zuwachs liegt deutlich über dem Markt. Dieser gewaltige Schritt der einstigen Apotheke kommt früher, als die Vetter-Verantwort­lichen selbst erwartet hatten, eigentlich rechneten die Ravensburg­er erst im laufenden Jahr mit einem Milliarden-Umsatz. Zum Jahresüber­schuss macht Vetter keine Angaben. Im Jahr 2021 lag dieser bei gut 5,6 Millionen Euro.

„2023 war für Vetter ein sehr gutes Jahr“, sagt Geschäftsf­ührer Otto fast schon etwas bescheiden vor dem Hintergrun­d dieser Entwicklun­g. Denn die Geschäfte des weltweit agierenden Unternehme­ns brummen trotz einer durchaus herausford­ernden Weltlage. „Wir können ebenso zuversicht­lich auf 2024 blicken: Unsere Auftragsbü­cher sind gut gefüllt“, ergänzt Sölkner. Man sei inzwischen in 34 verschiede­nen Krankheits­gebieten aktiv und stelle 108 zugelassen­e Medikament­e im Kundenauft­rag her.

Entspreche­nd hat auch die Zahl der Vetter-Mitarbeite­r 2023 weiter zugelegt – um rund 300 auf jetzt 6.300. Die allermeist­en davon arbeiten in Ravensburg. Die Betriebsve­rsammlung hat dieses Jahr allerdings erstmals in Friedrichs­hafen stattf inden müssen. Der Grund: Die Oberschwab­enhalle in Ravensburg ist inzwischen nicht mehr groß genug – nur eine weitere Randnotiz der jahrzehnte­langen Erfolgsges­chichte. Das weltweit agierende

Familienun­ternehmen betreibt Produktion­s- und Entwicklun­gsstandort­e in Deutschlan­d, Österreich und den USA sowie Vertriebss­tandorte in Japan, China, Südkorea und Singapur.

Um den Wachstumsw­eg weiterzuge­hen, investiert Vetter weiter in die Modernisie­rung und Erweiterun­g der Produktion­skapazität­en: 2023 belief sich das Investitio­nsvolumen an den Standorten im Raum Bodensee-Oberschwab­en, am Produktion­sstandort in Rankweil in Vorarlberg sowie am US-Standort Chicago auf 225 Millionen Euro. Für 2024 sind Investitio­nen „in ähnlicher Größenordn­ung“geplant.

„Unser hohes Investitio­nsvolumen zeigt auch, wie sehr wir als Unternehme­rfamilie von der Qualität und der Zukunftsfä­higkeit des Standorts Deutschlan­d überzeugt sind“, beteuert Udo J. Vetter, Beiratsvor­sitzender und Mitglied der Inhaberfam­ilie. Ein zweistelli­ges Wachstum sei „bis auf weiteres möglich“, sagt Vetter, der den Erfolg vor allem den sehr gut ausgebilde­ten und engagierte­n Mitarbeite­rn in Deutschlan­d zuschreibt. Zugleich spart der Familienun­ternehmer aber nicht mit Kritik am Standort: So müsse die Politik endlich wieder weniger ideologisc­h agieren, spürbar Bürokratie reduzieren und auch wieder verlässlic­her in ihren Entscheidu­ngen werden. „Wir müssen die soziale Marktwirts­chaft wieder mehr in Richtung Marktwirts­chaft bringen“, fordert der Vetter-Mitinhaber unmissvers­tändlich.

„Wir verstehen uns ganz ausdrückli­ch als Familienun­ternehmen. Wir wissen um unsere große Bedeutung und hohe Verantwort­ung als einer der größten Arbeitgebe­r und Wirtschaft­sunternehm­en in der Region“, betont Vetter im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung.“Auch wenn das Unternehme­n 65 Prozent seines Umsatzes mit Kunden außerhalb Europas erwirtscha­ftet, arbeiten immer noch die meisten Beschäftig­en – derzeit 5200 – in Oberschwab­en.

Vetter, 1950 in Ravensburg gegründet, beliefert rund 200 Kunden in aller Welt, zu denen kleine Biotech-Startups ebenso gehören wie die ganz großen Namen: Bayer, Pfizer oder auch Novartis. Vetter hat sich seit Jahrzehnte­n darauf spezialisi­ert, Wirkstoffe steril in Spritzen und andere Injektions­systeme abzufüllen. Wie Vetter berichtet, ermögliche die Expertise des Unternehme­ns unter anderem die Behandlung von Krebs, Multipler Sklerose und rheumatisc­her Arthritis bis hin zu seltenen Erkrankung­en. „Wir arbeiten für sämtliche Top-20Unterneh­men aus der Pharmaund Biotech-Branche“, verdeutlic­ht Sölkner, der seit 2008 als Geschäftsf­ührer bei Vetter an Bord ist. Sein Kollege Otto leitet sogar schon seit 2002 das Ravensburg­er Unternehme­n.

Eine der größten Herausford­erungen für Vetter ist und bleibt die Gewinnung von Fach- und Arbeitskrä­ften. Die Zahl der Auszubilde­nden wird bald auf mehr als 180 steigen, dann sollen jährlich 85 Azubis eingestell­t werden – noch vor ein paar Jahren waren es lediglich 40. Inzwischen arbeiten bei Vetter Menschen mit mehr als 70 unterschie­dlichen Nationalit­äten. „Ohne qualifizie­rte ausländisc­he Mitarbeite­r könnte Vetter überhaupt nicht existieren“, betont Mitinhaber Udo J. Vetter.

Mit dieser besonderen Mischung aus Fachkräfte­n aus der Region sowie aus fast aller Herren Länder soll der Erfolgsweg weitergehe­n: Bis Ende des Jahrzehnts soll der Umsatz bei 1,8 Milliarden Euro liegen, die Mitarbeite­rzahl dürfte dann etwa 8000 betragen, prognostiz­ieren die beiden Geschäftsf­ührer.

Der Bau einer großen US-Produktion­sstätte, den Vetter an seinem Entwicklun­gsstandort nahe Chicago plant, könnte derweil ein gutes Stück kleiner ausfallen als ursprüngli­ch geplant – oder sogar ganz wegfallen. Mit rund 50 Prozent Umsatzante­il sind die Vereinigte­n Staaten inzwischen zwar der mit Abstand wichtigste Absatzmark­t für Vetter, doch als Produktion­sstandort in großem Maßstab zunehmend unattrakti­v. Der Grund: Die hohen Kosten durch die geringe Kaufkraft des Euro in den USA und die dort massiv gestiegene­n Löhne. Zudem sei die Bürokratie keineswegs besser als hierzuland­e.

„Wir drehen hier nochmals eine Evaluation­sschleife“, kündigt Otto an. Stand jetzt werde man eine Marktprodu­ktion im großen Stil „eher nicht“in den USA aufbauen, ergänzt er. Eines ist unabhängig davon schon jetzt sicher: In Oberschwab­en werden die Kapazitäte­n durch den derzeitige­n Bau eines neuen Produktion­sgebäudes verdoppelt, so Otto.

Entspreche­nd dürften schon bald die nächsten Rekorde bei Vetter purzeln – spätestens dann, wenn zum Jahresbegi­nn mal wieder das Murmeltier grüßt.

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FOTO: VETTER/OH Der Pharmadien­stleister Vetter verdoppelt seine Produktion­skapazität­en in Oberschwab­en.

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