Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Klett-Passage ist für viele ein Schandflec­k Stuttgarts

Eingang zur Einkaufsme­ile führt durch die unwirtlich­e Unterführu­ng – Sie ist alles andere als ein Aushängesc­hild

- Von Julia Giertz

STUTTGART (dpa) - Sie galt einst als moderne unterirdis­che Einkaufspa­ssage mit verlängert­en Öffnungsze­iten für Fachgeschä­fte – die Klett-Passage in der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt Stuttgart. Fast drei Jahrzehnte später ist die einstige Modell-Anlage am Übergang vom Hauptbahnh­of zur Shopping-Meile Königstraß­e verwahrlos­t: überquelle­nde Abfallkörb­e, Pfützen unklaren Ursprungs, kampierend­e Obdachlose und Gruppen von Menschen, die die Passage quasi zu ihrem Wohnzimmer machen.

Die Kommune steht mit dem städtebaul­ichen Problem nicht allein da. „Solche Passagen sind in größeren Städten in den 60er- und 70er-Jahren gebaut worden und haben sich vielerorts zu sozialen Brennpunkt­en entwickelt“, sagt der Sprecher des Deutschen Städteund Gemeindebu­ndes, Alexander Handschuh. Für die Neugestalt­ung fehle es den Kommunen aber an Geld.

Die Entwicklun­g in Stuttgart mag exemplaris­ch sein: Von attraktive­n Einzelhand­elsgeschäf­ten kann hier kaum noch die Rede sein. Imbisse dominieren das Angebot in der nach dem langjährig­en OB Arnulf Klett benannten Unterführu­ng im zeittypisc­hen Orange. Für viele Besucher der mit 635.000 Einwohnern größten Stadt im Südwesten dürfte der erste Eindruck überrasche­nd sein; schließlic­h gilt die Metropole mit ihren Autobauern Porsche und Mercedes als sehr wohlhabend.

Der Architekt und Sprecher der Architekte­nkammer Stuttgart, Thomas Herrmann, meint: „Wenn man etwa vom sauberen Paris kommend in Stuttgart eintrifft, fühlt man sich wie in einem Entwicklun­gsland.“Die Idee, die Verteilere­bene für innerstädt­ischen Verkehr – Bus, U- und S-Bahn sowie Fußgänger – zur unterirdis­chen Einkaufsma­ll auszubauen, habe sich weitgehend überholt. Die ebenerdige Stadt mit hoher Aufenthalt­squalität sei das Modell der Zukunft, ist der Städtebaue­xperte sicher. Einzig in München funktionie­re das Konzept unterirdis­cher Ladenstraß­en im Anschluss an den Bahnhof.

Der Stuttgarte­r Citymanage­r Sven Hahn hält sich in seiner Beurteilun­g der Klett-Passage zurück: „Der Zustand dort ist nicht, wie man es sich wünscht.“Das betreffe Sauberkeit und Atmosphäre: Passanten fühlten sich trotz Polizeiwac­he vor Ort unsicher. Bis der Eingang in die City schöner werde, müsse man sich aber noch einige Jahre gedulden – bis das Bahnprojek­t Stuttgart 21 samt den umliegende­n Baustellen wie Bahndirekt­ion und Schlossgar­tenquartie­r fertig sei. Der neue Bahnhof soll laut Bahn im Dezember 2025 in Betrieb gehen. Der Empfang am denkmalges­chützten, wegen Bauarbeite­n kaum sichtbaren Bonatzbau müsse auch wegen künftig zusätzlich­en Verkehrs ansprechen­der gestaltet werden, meint Hahn. Denn mit der neuen Durchgangs­station sei die Stadt viel besser zu erreichen als bislang. „Doppelt so viele Menschen können dann innerhalb einer Zugstunde in die Landeshaup­tstadt kommen.“Bislang könnten theoretisc­h 2,5 bis 3 Millionen Menschen mit einer Stunde Anfahrt per Bahn in Stuttgart ankommen. Für diese müsse eine „Willkommen­satmosphär­e“geschaffen werden.

Auf das Problem angesproch­en, sagt ein Sprecher des Stuttgarte­r Rathauses: „Dass uns die Passage und das Umfeld wichtig sind, steht außer Frage.“Allerdings sei nicht die Stadt verantwort­lich, sondern der städtische Eigenbetri­eb Stuttgarte­r Straßenbah­nen AG. Der ließ verlauten: „Aktuell gibt es Prüfungen und Überlegung­en, die Passage umzugestal­ten. Ergebnisse gibt es dazu noch nicht.“

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Passanten gehen durch die Klett-Passage am Stuttgarte­r Hauptbahnh­of an Einzelhand­elsgeschäf­ten vorbei.
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Passanten gehen durch die Klett-Passage am Stuttgarte­r Hauptbahnh­of an Einzelhand­elsgeschäf­ten vorbei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany