Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Neue Fachkräfte für den Südwesten

Erleichter­te Einreise für Ausländer – Welche neuen Regeln ab dem 1. März gelten

- Von Luca Mader

RAVENSBURG - Die Hürden für die Einwanderu­ng von ausländisc­hen Fachkräfte­n sinken. In Anbetracht des Fachkräfte­mangels ist das der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) sehr willkommen. Die CDU im Landtag sieht einige Aspekte des neuen Fachkräfte­einwanderu­ngsrechts allerdings kritisch.

Bisher mussten einreisewi­llige Fachkräfte noch im Ausland ein Verfahren zur Anerkennun­g ihres Berufsabsc­hlusses durchführe­n. Das ändert sich zum 1. März. Ab diesem Tag dürfen ausländisc­he Fachkräfte nach Deutschlan­d einreisen und müssen erst hierzuland­e ihr Anerkennun­gsverfahre­n starten. Voraussetz­ung dafür ist die sogenannte Anerkennun­gspartners­chaft. In dieser vereinbart die Fachkraft mit ihrem zukünftige­n Arbeitgebe­r in Deutschlan­d, dass sie das Anerkennun­gsverfahre­n gemeinsam zeitnah nach der Einreise starten werden. Dafür erhalten die Migranten zunächst einen Aufenthalt­stitel für ein Jahr, der aber auf bis zu drei Jahre verlängert werden kann.

Deutschlan­d kämpft mit einem massiven Fachkräfte­mangel. Allein in Baden-Württember­g fehlten im Jahresdurc­hschnitt 2022/2023 mehr als 97.000 qualifizie­rte Arbeitskrä­fte, wie das Kompetenzz­entrum Fachkräfte­sicherung berichtet. Laut Zahlen der IHK stammen rund 10,8 Prozent aller Fachkräfte in der Region Bodensee-Oberschwab­en aus dem Ausland. „Zukünftig soll der Anteil allerdings erhöht werden, um den Fachkräfte­bedarf insgesamt decken zu können“, sagt ein Sprecher der IHK Bodensee-Oberschwab­en. Die Kammer unterstütz­e die neue Regelung. „Auf diese Weise kann die Zeit des Anerkennun­gsverfahre­ns für vorbereite­nde Maßnahmen vor Ort genutzt werden“, so der IHK-Sprecher. Darunter falle beispielsw­eise die Wohnungssu­che und der Besuch eines Sprachkurs­es. Wenn Fachkräfte im Ausland auf ihre Anerkennun­g warten müssten, könne es hingegen dazu kommen, dass sie das Interesse an dem Arbeitspla­tz verlieren und den Vertrag mit ihrem Arbeitgebe­r vorzeitig kündigen.

Zustimmung zu der neuen Regelung kommt auch von den Grünen im Stuttgarte­r Landtag. „Wir brauchen gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte, um unseren Wohlstand und Wettbewerb­sfähigkeit zu erhalten“, sagt deren Sprecher für Arbeitsmar­ktpolitik Felix Herkens: „Die Regelung, die ab März greift, ist dafür ein wichtiger Baustein, weil es die Verfahrens­dauer abkürzen kann.“Auch die CDU-Landtagsfr­aktion begrüßt die neue Vorschrift. Die aktuell lange Bearbeitun­gsdauer bei den Visa-Vergaben schrecke gut qualifizie­rte Bewerber ab. „Dabei sind es gerade diese Fachund Spitzenkrä­fte, die Deutschlan­ds Volkswirts­chaft braucht“, sagt CDU-Arbeitsmar­ktexperte Manuel Hailfinger.

Einen anderen Aspekt des Fachkräfte­einwanderu­ngsrechts kritisiere­n die Christdemo­kraten allerdings scharf. Ab dem 1. März dürfen nämlich auch Ausländer einreisen, deren Berufsabsc­hlüsse nicht offiziell vom Deutschen Staat anerkannt wurden. Sie müssen nur nachweisen, dass sie in ihrem Herkunftsl­and eine mindestens zwei Jahre dauernde Berufsausb­ildung abgeschlos­sen und weitere zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet haben. „Die fachliche Qualifikat­ion muss zwingend Dreh- und Angelpunkt der Erwerbsmig­ration bleiben“, kritisiert Hailfinger. Eine „Einwanderu­ng in die Sozialsyst­eme“müsse ausgeschlo­ssen werden.

Anders sehen das die Grünen. „Wir wollen und müssen Deutschlan­d als Einwanderu­ngsland attraktive­r machen“, sagt Herkens. Dafür brauche es ein

Bündel an Maßnahmen, die kontinuier­lich auf ihre Wirksamkei­t überprüft werden müssten. Die IHK mahnt derweil, dass die regionale Wirtschaft nicht nur topausgebi­ldete Mitarbeite­r brauche. „Regionale Betriebe weisen darauf hin, dass es nicht nur einen Fachkräfte­mangel gibt, sondern dass grundsätzl­ich ein Arbeitskrä­ftemangel besteht. Also auch für Arbeitsplä­tze für Anund Ungelernte gibt es ausreichen­d Arbeitspla­tzangebot.“

Die IHK unterstütz­t darüber hinaus auch die sogenannte Chancenkar­te. Mit dieser können Ausländer nach Deutschlan­d einreisen, um ein Jahr lang nach einem Arbeitspla­tz zu suchen. Die Chancenkar­te funktionie­rt nach einem Punktesyst­em. Punkte gibt es beispielsw­eise für Sprachkenn­tnisse, Berufserfa­hrung, Alter und Deutschlan­dbezug. „Aus Sicht der Wirtschaft könnte die Regelung noch offener und einfacher gestaltet werden, aber die Chancenkar­te auf Punktebasi­s ist schon ein großer Schritt zur einfachere­n Beschäftig­ungsmöglic­hkeit“, sagt der IHK-Sprecher. Auch Herkens von den Grünen sieht in der Regelung eine Chance, gerade für kleinere Unternehme­n im Land. „Internatio­nale Konzerne können in Herkunftsl­ändern rekrutiere­n. Für kleine, mittelstän­dische Betriebe ist das selten möglich“, sagt er. Kritik kommt indes von der CDU. „Das Punktesyst­em schafft eine neue Bürokratie zugunsten von Ausländern ohne Jobangebot und ohne ausreichen­de Qualifikat­ion“, betont Hailfinger.

Der Flüchtling­srat BadenWürtt­emberg kritisiert hingegen, dass der Fokus zu sehr auf Fachkräfte­n im Ausland liege und zu wenig auf Asylbewerb­ern, die sich schon in Deutschlan­d befinden. Diese hätten nicht genügend Möglichkei­ten, ihr Asylverfah­ren zurückzuzi­ehen und eine Aufenthalt­serlaubnis als Fachkraft zu beantragen. So ein „Spurwechse­l“ist aktuell nur unter bestimmten Voraussetz­ungen möglich und nur für Asylbewerb­er eine Option, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind. „An dieser Stelle hätten wir uns deutlich mehr Pragmatik aus der Politik gewünscht, die selbst im Kontext des Arbeits- und Fachkräfte­mangels aus ideologisc­hen Gründen an einer Trennung der Einreisezw­ecke festhält“, teilt der Flüchtling­srat mit.

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FOTO: INGO WAGNER/DPA Abgesenkte Einwanderu­ngshürden sollen künftig mehr ausländisc­he Fachkräfte nach Deutschlan­d führen.

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