Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie Tourismusp­reis und Bauernprot­est zusammenpa­ssen

Bodenseeba­uern sind Tourismush­elden – Landwirtin erklärt, was den Beruf so schön macht und was Bauern ärgert

- Von Mark Hildebrand­t

BODENSEEKR­EIS - Die Bodenseeba­uern sind Tourismush­elden: Diese Auszeichnu­ng hat das laut eigener Beschreibu­ng „lose Bündnis von engagierte­n Landwirten“bei der Tourismusm­esse CMT in Stuttgart erhalten. Wie das in eine Zeit der Bauerndemo­s passt, erklären Landwirtin Martina Biegger und Ingrid Martin von den Bodenseeba­uern.

Unermüdlic­hes Engagement, Attraktivi­tät der Region, Förderung des lokalen Tourismus: Das sind einige der Aspekte, die zu dieser Auszeichnu­ng geführt haben, auf die Ingrid Martin recht stolz ist.

Doch wenn die Einschnitt­e in die Landwirtsc­haft so schwerwieg­end sind, dass die Bauern sagen „Genug ist genug“: Warum macht man das Ganze dann eigentlich noch?

Martina Biegger hat den gleichnami­gen Betrieb in Schwarzenb­ach 2019 von ihren Eltern übernommen. Sie arbeitete vorher als Maschinenb­auingenieu­rin bei Liebherr Aerospace, bevor sie zurück auf den Traktor wechselte. BWL hat sie auch noch studiert.

„Ich habe immer schon mitgeschaf­ft und mitgeholfe­n“, sagt Biegger über ihre Erfahrung im Familienun­ternehmen. Ob sie nicht damals schon an die Hofübernah­me gedacht hat? „Nein, das war meine Sturm- und Drangzeit. Ich hatte da noch gar nicht die Idee, sesshaft zu werden.“

Dass der Hof schon seit den 1770ern in Familienha­nd ist, ist die Leidenscha­ft für die Tätigkeit: Das alles gab dann letztlich den Ausschlag für die Rückkehr, wenn auch als Quereinste­igerin. „Mein Mann ist Gärtner mit Fachrichtu­ng Obstbau“, sagt sie.

Auch auf dem Hof spielt neben Nahversorg­ung der Tourismus eine große Rolle: Nicht nur gibt es einen Hofladen, sondern mit der Hopfenstub­e auch eine Gastronomi­e, die zum Hof dazugehört. An manchen Tagen kann es vorkommen, dass man kaum noch Platz findet.

Die Höfe in der Region stellen die Bodenseeba­uern immer wieder in sozialen Medien vor und rühren die Werbetromm­el. Wobei Ingrid Martin betont: „Wichtig ist uns dabei auch die Transparen­z. Wir achten sehr darauf, nichts zu beschönige­n.“

Das Bewusstsei­n für regionale Produkte zu stärken und ein authentisc­hes Bodensee-Erlebnis zu schaffen: Was für viele Landwirte in der Region gilt und sich eben auch bei Bieggers niederschl­ägt, das hob Staatssekr­etär Patrick Rapp bei der Preisverle­ihung besonders hervor.

Doch auch wenn Martina Biegger ihre Arbeit liebt, wenn sie es schätzt, dass ihre Kinder auf dem Hof mit aufwachsen und sie als Mutter ganz viel davon mitbekommt, weil Beruf und Arbeit sich mische, dass sie am Ende des Tages auch sieht, was sie geschafft hat – sie sieht auch klar die Schattense­iten.

„Als Gastronomi­n oder als Händlerin habe ich viel mehr Freiheiten als im Bereich der Landwirtsc­haft“, sagt sie deutlich. Über viele Jahre und auch bei anderen Regierunge­n seien die Spielräume immer enger und die Vorgaben immer strenger geworden. Die Bürokratie habe stetig zugenommen.

„Das ist ein schleichen­der Prozess, der uns die Grundlage nimmt“, sagt die Unternehme­rin. Die Abschaffun­g der Förderung bei Kfz-Steuer und Agrardiese­l sei nur der letzte Anlass für die Proteste gewesen. Hinzu kämen EU-Vorgaben und ausufernde Meldepf lichten.

Oder die Unsicherhe­it bei Planungen: Manche Obstanlage­n würden sich erst nach Jahren rechnen, weil der erste Ertrag nach drei Jahren möglich sei. Wenn sich in der Zwischenze­it allerdings Verordnung­en ändern würden, könne das ganze Kalkulatio­nen durcheinan­der schmeißen.

Und der Mindestloh­n sei vor allem bei Erntehelfe­rn, die bei

Kost und Logis für ein paar Wochen vor Ort seien, ein starker Kostentrei­ber, gerade bei Sonderkult­uren. Hier kämen regionale Produzente­n von hier kaum noch gegen Billigkonk­urrenz aus dem Ausland an.

„Es braucht ein generelles Umdenken in der Agrarpolit­ik“, sagt Martina Biegger. Das sei eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, wo man auch den deutschen Einzelhand­el in die Pflicht nehmen müsse. Dass regionale Erzeuger so leicht aus Regalen gedrängt werden könnten, komme in anderen Ländern so einfach nicht vor.

Immerhin, so betonen Martina Biegger und Ingrid Martin: „Wir können stolz sein auf unsere Region.“

Die malerische Landschaft, die touristisc­he Nutzung, die regionalen Produkte – eben auch ein Produkt der landwirtsc­haftlichen Betriebe.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T Martina Biegger ist Landwirtin aus Leidenscha­ft. Im Jahr 2019 hat sie den Betrieb von ihren Eltern übernommen.

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